Zwanglose Blätter, Nr. 73, vom 25. November 1848

305 „Donnerstimme von Echo zu Echo durch ganz Deutschland „fort bis in die Mitte des bang erbebenden deutschen Par¬ „lamentes in Frankfurt. Dieser Ruf: Die Slaven kom¬ „men! sagt in der That Alles, er schildert die ganze Lage, „und man kann mit dem Dichter sagen: Zu Ende geht „ein groß' Geschick, ein neues bricht nun an. Wir hoffen (!) „der illyrische Generalissimus (Jellachich) wird unserer Er¬ „wartung entsprechen, und seine Macht zur festen Be¬ „gründung der Unabhängigkeit der slavischen Nationalitäten „anwenden. Siegen des Kaisers böhmische, mährische und „polnische Truppen im Verein mit Jellachichs Kroaten, „stellen sie die „Ordnung“ in Wien wieder her, so ist durch „diese einzige Thatsache das deutsche und das ma¬ „gyarische Element unter slavische Obervor¬ „mundschaft gebracht, und man wird ein neues „Oesterreich entstehen sehen, an dem nichts mehr „österreichisch sein wird als der Name.“ Ein anderer Artikel desselben Blattes nennt Jellachich den „Washington der Slaven!“ Allg. Ztg. Nr. 316, welche noch beisetzt: „Dasselbe Deutschland, das sich für die Polen begeisterte, das der slavischen Insurrektion in Prag seine wärmsten Sympathieen schenkte, sieht jetzt Jellachich mit seinen Kroaten in die deutsche Kaiserstadt einziehen, den Erwählten des Panslavismus.“ Der vielsagende Brief Jellachichs an die Slovanská lipa wird von den Lesern der Allg. Zeit. (Nr. 310) eben¬ falls beachtet worden sein. Ob ein so auf Eigennutz gegründeter Patriotismus diesen Namen überhaupt verdiene, oder ob die sich wi¬ derstreitenden provinziellen Patriotismen einen „ge¬ sammtösterreichischen“ Patriotismus abgeben können, dar¬ über lasse ich meine Leser entscheiden. Das Dasein eines solchen kann höchstens in diesem Sinne anerkannt werden, als man mit diesen Namen auch die unverbrüchliche Treue und innige Anhänglichkeit der verschiedenen österreichischen Volksstämme an ihr gemein¬ schaftliches Regentenhaus bezeichnen will, unter dessen Szepter sie Jahrhunderte hindurch lebten, und in der Zu¬ kunft noch eben so lange zu stehen hoffen. Aber diese An¬ hänglichkeit wird durch einen innigeren Anschluß an Deutsch¬ land nicht nur nicht gefährdet, sondern vielmehr noch befördert. Denn steht nicht ein österreichischer Prinz, der allverehrte Bruder unseres seligen Kaisers Franz I., Onkel unseres gegenwärtigen Kaisers, an Deutschlands Spitze? Bekommt nicht eben dadurch unsere Anhänglichkeit an unser angestammtes Kaiserhaus eine weitere Ausdehnung, neue Nahrung? Seit dem 27. Juni d###nd unsere Be¬ ziehungen zum übrigen Deutschland keine nichtssterreichischen mehr, sie sind österreichische geworden, wie zu jener Zeit, wo die österreichischen Regenten die deutsche Kaiser¬ krone trugen. Weit entfernt daher, die Hinneigung der deutsch österreichischen Provinzen zur deutschen Central= gewalt dem Mangel eines österreichischen Patriotismus zuschreiben zu können, müssen wir vielmehr darin, insoferne ein Prinz des österreichischen Kaiserstaates an Deutschlands Spitze steht, ein größeres Maß desselben erblicken. Wir protestiren ferner gegen die allarmirende Weise, mit welcher häufig die Zurückführung des Verbandes der deutsch=österreichischen Provinzen mit den nichtdeutschen auf das Verhältniß der Personalunion in den grellsten Ausdrücken eine „Theilung,“ ein „Zerreißen des öster¬ reichischen Gesammtstaates“ genannt wird. Das gegen¬ wärtige Kaiserthum Oesterreich war zwar schon seit lange eine Gesammtmonarchie, aber nie ein eigentlicher Ge¬ sammtstaat, sondern von jeher nur ein Kompler von mehreren unter sich abgetheilten Staaten. Ungarn besitzt bis auf den heutigen Tag noch eine von den übrigen Provinzen verschiedene Verfassung in dem Grade, daß es sogar durch eine eigene Zollgrenze von den übrigen Pro¬ vinzen geschieden ist, und daß es unseren gemeinschaftlichen Monarchen nie „Kaiser,“ sondern nur „König“ nennt.*) Den Italienern ist bereits eine abgesonderte Verfassung in Aussicht gestellt. Die übrigen Provizen besaßen eine solche theils bis in das 17. Jahrhundert, theils noch länger. Daher nannten sich auch die Regenten Oesterreichs bis zum Jahre 1804 nie Kaiser oder Könige von Oesterreich, sondern jederzeit nur Könige von Ungarn, Böhmen u. s. w. Noch vom 30. Oktober d. J. enthält die kaiserliche Antwort an die tiroler Deputation den Ausdruck: „meine Staaten.“ Insbesonders war das Verhältniß, in welchem die deutsch¬ österreichischen Provinzen zum übrigen Deutschland standen, ein ganz eigenthümliches, in das die übrigen Pro¬ vinzen nichts darein zu reden hatten. Unsere Provinzen waren früher Reichskreise und seit dem Jahre 1815 Provinzen des deutschen Bundes. An die Stelle des ehemaligen Reichsverbandes und des deutschen Staaten¬ bundes trat im heurigen Frühjahre das deutsche Bundes¬ staats=Verhältniß, zu dessen Errichtung unsere Regierung durch Anordnung der Frankfurter Wahlen auf Grund der Beschlüsse des Vorparlamentes einwilligte, ja sogar mit¬ wirkte, und wodurch im Wesentlichen nur das gewährt wurde, worauf das ganze deutsche Volk sich durch sein Blut das Recht erkauft hatte, und was die deutschen Fürsten zu gewähren durch ihre ausdrücklichen im Be¬ freiungskriege gemachten Zusagen schon lange verpflichtet waren. So wenig bisher die nichtdeutschen Provinzen gegen dieses abgesonderte Verfahren bezüglich der deutschen eine Einsprache erheben konnten, so wenig ist eine solche jetzt statthaft;**) da das was §. 2 und 3 der deutschen Reichsverfassung festsetzt, nichts Anderes ist, als die noth¬ wendige Folge der durch den Vollzug der deutschen Par¬ lamentswahlen gemachten Umgestaltung Deutschlands aus einem lockeren Staatenbunde in einen Bundesstaat, welche Umgestaltung im Grunde nur eine Rückkehr zum deutschen Reichsverbande ist, insoferne auch sie eine tausendjährige historische Berechtigung für sich hat. Schwachköpfe und gemeine Seelen pflegen, wenn sie mit Gründen nicht mehr ausreichen, zu Schimpfereien, womit sie meist einen hinreichenden Vorrath besitzen, ihre Zuflucht zu nehmen, oder Diejenigen zu verdächtigen, welche zu widerlegen sie sich außer Stande fühlen. Nur *) Letztes thun auch die Böhmen. **) Wenn sie sich mit der bloßen Personalunion nicht begnügen, so steht es ihnen ja frei, sich auch in den deutschen Bundesstaat aufnehmen zu lassen, wie es erst kürzlich mir einem Theile Posens geschah

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