Zwanglose Blätter, Nr. 34, vom 12. Juli 1848

heit zu hören, und dem billigen Verlangen Folge zu geben, hat derselbe diesen Stimmen nicht nur sein Ohr verschlossen, sondern in einer unpassenden Rückantwort selbst die Pro= testirenden verletzt; er hat ferner die Unvorsichtigkeit be= gangen, bei einer solchen für ihn üblen Stimmung Steyer zu besuchen und mag sich die Schande der erlittenen Ver= achtung selbst zuschreiben. Nur Ein's hätten wir ge= wünscht, nämlich, daß die Katzenmusik unterblieben wäre aus anderwärts angedeuteten billigen Gründen. — Eilen wir nun zum Schlusse unserer Betrachtung, und verbinden wir damit, auf die von unserem Mitbür= ger Herrn Johann Millner an uns Alle in diesen Blät= tern gestellte Frage, die Antwort, die also lautet: „In Steyer, bei einer Bevölkerung von 11000 Einwohnern gist es unter allen Classen der Bewohner Männer von echtdeutscher Abstammung und Gesinnung; ausgezeichnet durch die unschätzbaren Gaben des Verstandes und Geistes durch Herzensgüte und Redekunst, ausgezeichnet durch Mä= ßigung und Biederkeit, daher mit dem allgemeinen Ver= trauen der Stadtbewohner beehrt, und zu Abgeordneten vollkommen tauglich. Und eben deßhalb, weil wir in der Auswahl selbst keinen Mangel hätten, ist die Wahl des Herrn Vacano doppelt unrecht; sie ist ein schmerz= liches Ereigniß, und als solches auch bis zur Stunde betrachtet worden. Hoffen wir aber völlige Ausgleichung und brüder= liche Einigung bei der nächsten Wahl; Einigkeit ist das erste Erforderniß, die erste Zierde eines großen Vol= kes, die erste Bedingung unsers Glückes. Wo es an Ei= nigkeit gebricht, werden Staaten, Städte und Familien zerrissen; darum liebe Mitbürger, Einigkeit! Vergessen wir Alles Geschehene und reichen wir uns brüderlich die Hände. W. S. A. H. Pfefferkörner. Wir lesen in der Wienerzeitung beständig, daß der Gesundheitszustand Ihrer Majestäten in Innsbruck sehr er= freulich sei. Bei Gott — für uns ist es aber nicht erfreulich, daß Ihre Majestäten trotz dieses erfreulichen Gesund= heitszustandes uns noch immer nicht die Freude machen in ihre grundgesetzliche Residenzstadt Wien zurückzukehren die sie aus Gesundheitsrücksichten verlassen haben. Die Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nro. 188 bringt un= ter dem Artikel: „Zum 29. Junius 1848“ ein sehr schwulstiges und fades Lobgedicht an den Erzherzog Johann, den die deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt, vielleicht nicht mit Unrecht, aus allen männlichen Sprossen der deutschen Furstengeschlechter als den Vertrauenswürdigsten bezeichnete. Seine baldige Auflösung des — wenn auch nicht durch ein Aer geres, doch gewiß durch seine Schwäche — schädlichen Min= steriums Pillersdorff, gibt uns einen Beweis, daß er den klar ausgesprochenen Willen des Volkes doch höher achtet und sich ihm lieber beugt als dem Winde der aus den Tannenwäldern des Innthales und den Bajonettenwäldern an der Moldau weht. Wir fangen an, durch diese That erquickt, Vertrauen in die= sen vielgepriesenen Prinzen zu fassen, und wünschen, es möge ihm gelingen, am Ende seines thätigen Lebens, das gemach zur Rüste geht, sich die schönste Krone aufs Haupt zu drucken: den Dank des deutschen Volkes. Obiges Lobgedicht der Allgemeinen bleibt aber dennoch eine Speichelleckerei im alten Style und es ist zum Todtschämen, daß die deutsche Erde, die von den Tritten der Freiheit dröhnt, heute noch solche Kriecher nährt. Oder ist es nicht zu stark, den Prinzen Johann, mit jenen heiligen Johannes zu vergleichen, der pre= digend dem Weltheiland vorausging? Oder ist es nicht Unsinn den Prinzen das Erz zu nennen, das in die Form der Zeit ge= gossen wird? Das käme ja heraus, als hätte die Zeit die Form eines österreichischen Erzherzogs. Mit dem Erze des Prinzen Johann und den Anfor= derungen unserer Zeit hat es ein anderes Bewandtniß, das we= nigstens die oberösterreichischen und obersteyrischen Gewerken gar wohl kennen. Daß die alte Zeit (die Zeit des Bruders Franz) den Prinzen verbannt habe, ist eben so unrichtig als daß man ihn wie einen Cinncinnatus am Pfluge fand, als man ihn zum Throne holte. Ein Sommer=Aufenthalt von wenigen Wochen entfernte ihn nie gänzlich von den Staatsgeschäften, zu denen ihn namentlich das Vertrauen des Kaisers Franz gerne beizog. Lächerlich ist es, wenn das Gedicht die „Wel'schen Slaven oder (!) Tschechen“ zum Prinzen sprechen läßt „Hansel, bleibe bei uns!“ Die Allgemeine Zeitung, deren Tadel wir gerne ertra= gen wollen, verschone doch wenigstens die Männer des Fort= schrittes mit ihrem anrüchigen Lobe. Unter diese Männer glau= ben wir aber den Erzherzog Johann seit der Auflösung des Mi= nisteriums Pillersdorff rechnen zu müssen. Heppenheim auf der Bergstrasse am 18. Juni 1848 Liebster Freund! Was macht ihr denn in eurem Bergstädtchen! In dem unsrigen war es bis jetzt verdammt langweilig, wir hörten nur von ferne die Sturme der Zeit brausen und wäre nicht dann und wann ein Handlungsreisender, die Allgemeine Zeitung oder ein Regierungscommissär zu uns gekommen, wir wurden nicht ein= mal angelogen worden sein. Vorgestern Nachts — stelle dir den Schreck vor — fiel plötzlich eine politische Bombe auf unsern stillen mondbeschiene= nen Stadtplatz und platze mit einem Geschrille und Geprülle, als huldigten die Katzen aller Zonen dem Könige der Schmeichelei und Falschheit. In der That, eine Katzenmusik war es — wem und warum sie dargebracht wurde — das wird dich wenig inte= ressiren. Daß es kein Vertrauensvotum war, dürfte dir ein= leuchten. Zu bedauern sind nur die schrecklichen Folgen, welche diese Demonstration hatte. Die Stammgäsie des Rathskellers wollten das Städtchen — mit Ausnahme ihrer eigenen Häuser — in die Luft sprengen. Schimpfen und Gezänke war am an= dern Tage an allen Strassenecken, ein alter Mann hielt aus sei= nem Fenster eine Rede an einen ruhig vorbei wandelnden Bür= ger, die aus lauter Schimpfworten bestanden haben soll. Einen Manne bedauern wir vor Allen, der durch dieses Ereigniß der Verstand verloren zu haben scheint. Neulich ging er des Nachts in die Gasthäuser und auf die Wachtstuben und machte — wie zu einem Gastmahle — seine höflichste Einladung zu einer Ka= zenmusik vor seinem eigenen Hause. Keinerlei Symptome gin= gen seinem Krankheits=Ausbruche voraus, als ein grundloses Geschrei, daß er neulich auf einem öffentlichen Platze erhob, und eine — wohl schon läuger andauernde — Unlust zur Arbeit. So werden bei uns Männer zu Kindern, und die Last der Zeit fällt auf die Schultern der jungeren Generation. Möge sie die Kraft nicht verlieren, ihre schweren Aufgaben mit Ausdauer zu lösen, der Dank und die Anerkennung — selbst von Seite ihrer Feinde — wird ihr nicht entgehen. Noch haben wir so viel frischen Muth im Vorrathe, uns in so ernster Zeit mit wohl gemeinten Schwänken zu erheitern — wie dir dieser Brief be= weis't. Lebe wohl Dein Flott. Mit einem Anzeiger Nr. 22. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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