Zwanglose Blätter, Nr. 34, vom 12. Juli 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 12. Juli 1848. 34. Das Mittelalter, immerhin, Das wahre, wie es gewesen Ich will es ertragen — erlös’ uns nur Von diesem Zwitterwesen. Heine. Der Sturz des Ministeriums Pillersdorff! Ein Brief, den wir am 9. d. M. erhielten, meldet uns die Auflösung dieses Ministeriums, dem sowohl nach der Zeitfolge, als nach der Gefährlichkeit seiner unconstitu= tionellen Handlungen, die den Staat mehr als einmal an den Rand des Verderbens führte, der erste Platz nach dem weiland Ministerium Metternich nicht streitig gemacht werden kann. Obiger Brief lautet: Wien am 8. Juli 1848. „Das Ministerium Pillersdorff ist nicht mehr. — In der heutigen Sitzung der Nationalgarden, Bürger und Studenten wurde mit 165 gegen 5 Stimmen beschlossen, an Se. kaiserliche Hoheit den Erzherzog Johann die Bitte zu stellen, das Ministerium Pillersdorff aufzulösen. Dem zu Folge wurde sogleich eine Deputation an den Erz= herzog entsendet, der mit diesem Ansuchen vollkom= men einverstanden, auf Vorschlag der Deputation Dobbl= hoff mit der Constituirung eines neuen Ministeriums be= auftragen wird. Zugleich stellte die Deputation die Bitte: Der Erzherzog geruhe seine Abreise nach Frankfurt, welche heute in Begleitung der Frankfurter Deputirten erfolgen sollte, in so lange zu verschieben, bis das neue Ministe= rium in Wirksamkeit ist. — Wessenberg wurde, als des allgemeinen Vertrauens würdig bezeichnet, und wird daher sein Portefeuille behalten. Besagter Ausschuß wollte sich bereits auflösen, er erkannte aber seine politische Mission dem schwankenden Ministerium gegenüber noch nicht als vollendet. Er er= klärte sich daher bis zur Ertheilung der Constitution durch den Reichstag mit Genehmigung des Erzherzog Johann als permanent, und stellte es sich zur ersten und dringendsten Aufgabe der Reaktion Pillersdorff entgegen zu wirken. Pillersdorff wurde in zwei Wahlbezirken, in einem der Stadt und der Leopoldstadt nämlich zum Deputirten für den Reichstag gewählt, obgleich er den Constitutions= Entwurf vom 25. April als sein Glaubensbekennlniß er= klärte, einen Entwurf, der bekanntlich den 15. Mai her= vorrief. Heute erklärte er sich vor Fischhof und sechs anderen Gliedern des Ausschusses gegen denselben und lie= ferte dadurch einen neuen Beweis seines Schwankens oder seiner Gesinnungslosigkeit. Seine Abfassung der Geschäfts= Ordnung für den konstituirenden Reichstag war auch nicht geeignet, ihm das Vertrauen des Volkes und des Aus= schusses zu erhalten. Anwesend waren während den heutigen Verhandlun= gen des Ausschusses die Deputirten aus Frankfurt, ferner die bereits eingetroffenen Deputirten aus Schlesien, Steyer= mark, Kärnthen und Krain, welche Letztere einstimmig sich für einen innigen und immerwährenden Anschluß an Deutsch= land erklärten.“ Die Ultras haben ihre Freude über den Sturz dieses Ministeriums durch ein fliegendes Blatt vor der Oeffentlich= keit ausgesprochen, das seinem ganzen Inhalte nach hier abgedruckt folgt: „Das Ministerium hat abgedankt! Ohne Barrikaden hat die Freiheit und die Volks= sache zum dritten Male gesiegt gegen Jesuitismus und Verrath. Pillersdorff war der gewissenlose Geschäftsträ= ger der Camarilla, er war der schamlose Mäkler und Kuppler der Aristokraten. Die Prager Mordgeschichte wurde von ihm in die Scene gesetzt; darum wollte er seine Hel= fershelfer Windischgrätz und Thun um jeden Preis aufrecht erhalten. Darum wollte er unseren Ausschuß zur Wahrung der Volksrechte, welcher auf Untersuchung drang, sprengen, aber der Ausschuß war stärker als ein verräthe= rischer Minister. Der Ausschuß hat ihn gestürzt. Erzherzog Johann lebe dreimal hoch! weil er die Abdankung eines Ministeriums, welches nichts ärgeres als die Wiederhohlung der Schlächterei in Neapels Strassen in unserem schönen Wien beabsichtigte, mit Freuden angenommen hat. Dobbl= hoff ist mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauf= tragt. Wir hoffen er wird es im Sinne des Volkes und der Freiheit, und nicht im Innsbrucker Geschmacke bil= den; wir hoffen, er werde dieses Ministerium nicht vorne= hinein durch Namen wie Somaruga und Latour verdächtigen. Dadurch sind wir auch der Besorgniß vor einem Ministe= rium Stadion überhoben. Wenn wir auch — woran wohl keiner unserer Leser zweifelt — dem Innsbrucker Geschmack durchaus nicht huldi= gen, so müssen wir doch erklären, daß dieses fliegende Blatt auch unserem Geschmacke durchaus nicht entspricht. Wir preisen laut das Geschick, welches das Portefeuille aus den Händen Pillersdorff genommen hat, aus den Händen des

Mannes dem unsere Hoffnung so lange treu blieb und der sie in vier langen, welthistorischen Monaten nur Einmal erfüllen zu wollen schien; als er — man mußte es annehmen — empört über die Ränke einer volksfeindlichen Camarilla, die uns die Person des Kaisers stahl, laut erklärte, an den Er= rungenschaften des 15. Mai festhalten zu wollen. Leider recht= fertigte der 26. Mai, an welchem die Militärmacht — jeden= falls nicht ohne Wissen Pillersdorff's — zur Entwaffnung der akademischen Legion ausrückte, die schönen Erwartungen nicht und legte die Schwäche oder Gesinnungslosigkeit die= es Mannes für alle Zukunft offen. Die schweren Be= schuldigungen die aber das fliegende Blatt der Ultras auf das Silberhaupt des gestürzten Ministers häuft, sind ohne Beweis auf dasselbe herabgeschleudert — das ist nicht wohl= gethan. Ueberlassen wir es den Feinden der Freiheit in ihrer gelbsüchtigen Nachteulen= wuth über den Glanz der immer höher stei= genden Freiheitssonne in grundlose und anonyme Beschuldigungen, in pöbelhaft Beschimpfungen, in all' jene hirn= und ehr= lose Verächtlichkeiten auszuarten, mit denen gemeine Seelen sich den Schimpf ihrer Nie= derlage erträglich zu machen trachten, uns laßt offen, ehrlich und anständig die Wahr= heit sagen — wir reichen damit aus. Vielleicht kommen die Beweise obiger Beschuldigungen noch nach? Allerdings kann ein Mann von schwachem Charakter leicht verdächtig erscheinen. Eines ist jedoch bewiesen, fehlte es Herrn Pillersdorff nicht an Ehrlichkeit so fehlte es ihm doch ganz gewiß an den Fähigkeiten, an den Kenntnissen, die sein Amt erforderte. Seine oktroy= irte Verfassung vom 25. April, das provisorische Preßge= setz, die provisorische Wahlordnung, die provisorische Ge= schäftsordnung für den Reichstag, ja schon das Faktum daß er letztere als Gesetz gab, statt eine dem versammelten Reichstag als erstes Berathungsstück vorzuschlagen bewei= sen, daß er von der Souverainität des Volkes keinen Be= griff hatte oder keinen haben wollte. In wie ferne die Schritte Pillersdorff's in der That re= aktionäre waren, wie wenig er den Zustand unseres Staa= tes begriff oder begreifen wollte, der sich gegenwärtig in seine Grundbestandtheile aufgelöst hat, die erst durch den Vertrag zwischen dem Volke durch seine Vertreter einerseits und dem Herscher anderseits wieder zu einem organischen Ganzen vereinigt werden können, dieses grundhältig darzu= stellen, soll die Aufgabe unserer nächsten ruhigen Stunden und den Inhalt unserer nächsten Blätter bilden. Für jetzt wünschen wir uns Glück einen Mann vom Staatsruder entfernt zu wissen, der bewußt oder unbewußt der Reak= tionsparthei in die Hände arbeitete. Zur Geschichte des Tages. Wien. (Graf Leo Thun ist noch immer Gubernial=Präsident in Prag.) Es gibt einen Mann in Böhmen, der früher an der Spitze der Ultracze= chen stand, jetzt aber wieder ein guter Deutscher sein will. Dieser Mann, welcher die Wahlen zur Nationalver= sammlung nach Frankfurt nicht ausgeschrieben, welcher frei sinnigen Männern, welche nach Frankfurk gewählt wurden, die Bestätigung verweigerte, welcher bei Errichtung der provisorischen Regierung in Prag äußerst thätig mitgewirkt welcher auch die Wahlen zum hiesigen Reichstage in Böh= men das erste Mal nicht ausgeschrieben, und es jetzt nur gezwungen that, — dieser Herr Graf ist noch immer k. k. Gubernialpräsident in Böhmen. Es zeigt das Belassen dieses Mannes auf seinen hohen Posten jedenfalls nur ein bedeutende Schwäche unseres Ministerpräsidenten. Das Erste, was das Ministerium hätte thun sollen, ist gegen denselben eine Criminaluntersuchung einzuleiten. Es gibt zwei Verbrechen, deren dieser Graf rechtlich angezeigt ist. Das eine steht im §. 52 lit. b., das andere in §§. 85 und 86 1. Th. St. G. Man möge nur bedenken, welche nach= theilige Wirkung das jetzige gute Einvernehmen unseres Ministeriums mit diesem Manne im Gemüthe des Volkes erzeugt. Wenn die großen Beamten ungestraft die Be= fehle des Ministeriums vernachlässigen können, so werden sich die kleinen auch bald dazu bereit finden. Exempla trahunt. Fähige Männer zur Bekleidung dieses Postens gibt es genug; man möge nur einen bürgerlichen dazu er= nennen und nicht unter der Aristokratie herumsuchen; denn diese ist jetzt freilich zu arm, um tüchtige den Freiheitsgeist der Völker verstehende Männer in ihrer Mitte zu zählen. Aus Südsteiermark. Das Resultat unserer Wahlen hat auf den intelligenteren Theil der Bevölkerung einen so peinlichen Eindruck gemacht, daß man in hiesigen Gegenden dem noch nicht eröffneten Reichstag ein sehr üb= les Prognosticon stellt und schon im Voraus an eine bal= dige Auflösung desselben Hoffnungen knüpft. Ohne in dieser Beziehung zu den Kleingläubigen zu gehören, erblickt man dennoch in den so heterogenen Bestandtheilen und der offenbaren Präponderanz wenig intelligenter und theilweise kaum des deutschen Idioms kundiger Rusticaldeputirter, de= ren sich reaktionäre Leiter ohne große Mühe als Spielball bedienen mögen, wenig gedeihliche Elemente, aus denen sich die weiteren Grundlagen eines großen Staatsbaues conso= lidiren könnten. Ein zweiter Umstand verdient alle Auf= merksamkeit der Regierung. Am Agramer Landtage kam in der Sitzung vom 9. Juni das Verhältniß der österrei= chischen Slaven zur Sprache. Wie es voraus zu sehen war, wurde die Motion gestellt, mit den benachbarten sla= vischen Provinzen in einen engern politischen Verband zu treten und diese Bitte dem Wiener Reichstage zu unter= breiten. Nicht genug, mit allgemeiner Begeisterung wurde der Vorschlag angenommen, zu verlangen, daß am Reichs= tage auch slavisch gesprochen werde. In diesem Sinne wer= den bereits Proklamationen an die slavische Nationalitäten Oesterreichs erlassen, um für jenen Plan allseitige Unter= stützung zu finden. Wir danken es den Croaten, daß sie uns einen Blick in Wallensteins Feldlager machen ließen, und sind sehr begierig, wie sich der deutsche Michel in sla= vischen Costume ausnehmen wird, ingleichen zerbrechen wir uns, mit Rückblick auf Swornost und Nationalkongreß,

vergebens den Kopf, welche slavische Mundart zu Ehre einer Universalsprache erhoben werden soll. Innsbruck. Im Nachstehenden liefere ich Ihnen den neulich er= wähnten Erlaß der k. k. Polizeidirektion für Tirol und Vo= ralberg, Betreffs der Tiroler Studentenkompagnie: Nach= dem sich die von Wien zum Behufe der Landesvertheidigung hieher gekommene Tiroler=Studentenkompagnie aufgelöst, und der mögliche Fall eintritt, daß Einzelne davon, statt sich in die Heimath zu begeben im Lande herumreisen, und bei dieser Gelegenheit in ihrer Exaltation, und bei der der Jugend leichteren Empfänglichkeit zu propagandistischen Umtrieben schädlich auf den Geist unserer ruhig und fried= lich gesinnten Provinz einwirken könnten, so werden in Folge hohen Landes=Präsidialerlasses vom 4. I. M. Z. 2669 sämmtliche Aufsichtsbehörden hiermit angelegentlichst ersucht, auf alle Umtriebe dieser Art, und Emissäre über= haupt das geschärfteste Augenmerk zu richten und gegen solche Individuen, welche durch ihre Handlungsweise zu gegründeten Bedenken in obiger Beziehung Anlaß geben nach aller Strenge des Gesetzes vorzugehen. Von allen, in dieser Hinsicht vorkommenden Wahr= nehmungen wolle ehemöglichst Mittheilungen anher ge= macht werden. Innsbruck, 5. Juni 1848. Der k. k. wirkl. Regierungsrath und Polzeidirektor Nordberg. Urwähler=Stimmen. (Eingesendet.) In der gegenwärtigen Zeit soll Niemand schweigen, Jeder reden, nicht um zu reden, sondern um der Wahrheit das Wort zu reden. Nicht sobald hat ein Ereigniß in unserer Stadt eine so allgemeine Entrüstung hervorgerufen, als die am 21. v. M. mit 23 gegen 21 Stimmen erfolgten Wahl des Hrn. Emil Vacano zum konstituirenden ersten Reichstag für die Stadt Steyr. Fragen wir uns zunächst um die Ursache dieser Erscheinung, so liegt uns die Antwort auf der Hand. Die Wahl des Herrn Vacano war nicht der Ausdruck der Bevölkerung Steyrs, sie war nicht der Ausdruck der selbst= ständigen Ueberzeugung der Wahlmänner, sondern sie war das Resultat einer listigen Berechnung von Seite der Min= derheit, welche in diesem Fall durch Gewinnung der Wahl= männer=Stimmen die viel größere Mehrheit überflügelte, und so den Anlaß zu der allgemeinen Aufregung gab de= ren Folgen sie zu verantworten hat. Der Reichstag ist ein konstituirender, d. h. eine Ver= ammlung von Abgeordneten, welche die Reichsverfassung, und nichts Anderes zu verfassen, zu berathen und zu be= schließen haben. Von dieser Reichsverfassung hängt daher unser künftiges Wohl oder Weh ab, es ist die wichtigste Handlung seit dem Bestande des österreichischen Staates. Zu einem solchen, nie mehr wiederkehrenden Akte ist daher ein Abgeordneter erforderlich, der nicht nur das Ver= trauen von 23 Wahlmännern, sondern auch das Vertrauen unserer Stadtbewohner besitzen soll, und besitzen muß. Un= ser Abgeordneter aber wurde gewählt, ohne das Vertrauen der Stadtbewohner zu besitzen, er ist unser Deputirter nicht als Mann des Vertrauens, sondern er ist zum Abge= ordneten gewählt als Freund, Vetter, und Schwager, er ist gewählt durch den Einfluß einiger ihm nahe ste= hender Wahlmänner, die sofort durch diese Wahl das von den Urwählern in sie gesetzte Vertrauen mißbraucht haben, und den Vorwurf der Partheilichkeit auf keine Weise von sich ablehnen können. Die Wahl des Herrn Vacano ist daher ein Mißgriff, dessen Folgen zunächst der „Urhe= ber“ zu verantworten hat. Die Wahl des Herrn Vacano ist aber auch in an= derer Beziehung — folglich ein doppelter Mißgriff, wir mei= nen nämlich hinsichtlich seiner Stellung als k. k. Beamter. Liegt denn der Druck der Zeit schon so ferne von uns, daß wir schon vergessen haben sollten, wie das durch die Met= ternich'sche Zwingherrschaft den Völkern Östreichs so viel= fältig bereitete Unheil durch die Bureaucratie immer noch vergrößert wurde? Haben wir schon vergessen, mit welch ungeheurer Geringschätzung von dieser Seite her wir stets behandelt wurden? Die Meinung, daß ein constitutioneller Staatsbeam= ter mehr Unabhängigkrit und Spielraum habe, als dieses bei Patrimonial=Beamten der Fall sein könne, wie uns dieses eine „Anfrage“ in der Linzerzeitung glauben machen will, ist weiter nichts, als eine lächerliche Phrase, die nur im Gehirn eines politischen Schwachkopfes, oder im alterschwachen Kopfe eines immer „Freundlichen“ Platz grei= fen kann, der da noch die kranke Meinung hat, uns da= mit etwas recht Gescheides gesagt zu haben. Zuerst fragen wir Alle, wessen Standes sie sind, „wo sind denn bis zur Stunde constitutionelle Staatsbe= amte zu finden?“ Wir suchen schon lange nach ihnen im weiten Österreich, und können keine finden; eben deßhalb nicht, weil wir noch immer keine Constitution haben! Oder gibt es etwa constitutionelle Saatsbeamte ohne Constitu= tion, d. i. ohne Reichsgrundgesetz? Nein! dagegen aber sind wir im Besitze einer Armee von k. k. Beamten, die bis zur Annahme der Constitution von Seite des Reichstages keine andere Verpflichtung haben, als welche ihnen durch den dem Kaiser als gewesenen unumschränkten Herrscher gelei= teten Eid auferlegt ist, von welchem sie bis zur Stunde noch nicht enthoben worden sind. Und einen solchen Beamten haben uns unsre Wahl= männer zum Abgeordneten gewählt, in gänzlicher Verkennung einer eigenen Stellung und des für uns Alle so wichtigen Gegenstandes. Nicht nur erhielten wir dadurch einen Abgeordneten ohne Vertrauen, sondern derselbe selbst hat sich durch An= nahme der auf ihn gefallenen Wahl in die Alternative ge= setzt, entweder seinem Kaiser oder uns nicht zu genügen. Von diesem Gesichtspunkte scheinen alle Wahlmänner der übrigen Wahlbezirke des Staates bei ihren Abgeordne= ten Wahlen ausgegangen zu sein, Wir sagen es offen wir haben keinen Augenblick gezweifelt, Herr Vacano werde in Folge der an ihn erlassenen Protestation, auf die Wahl verzichten, indessen statt die Stimme einer übergroßen Mehr=

heit zu hören, und dem billigen Verlangen Folge zu geben, hat derselbe diesen Stimmen nicht nur sein Ohr verschlossen, sondern in einer unpassenden Rückantwort selbst die Pro= testirenden verletzt; er hat ferner die Unvorsichtigkeit be= gangen, bei einer solchen für ihn üblen Stimmung Steyer zu besuchen und mag sich die Schande der erlittenen Ver= achtung selbst zuschreiben. Nur Ein's hätten wir ge= wünscht, nämlich, daß die Katzenmusik unterblieben wäre aus anderwärts angedeuteten billigen Gründen. — Eilen wir nun zum Schlusse unserer Betrachtung, und verbinden wir damit, auf die von unserem Mitbür= ger Herrn Johann Millner an uns Alle in diesen Blät= tern gestellte Frage, die Antwort, die also lautet: „In Steyer, bei einer Bevölkerung von 11000 Einwohnern gist es unter allen Classen der Bewohner Männer von echtdeutscher Abstammung und Gesinnung; ausgezeichnet durch die unschätzbaren Gaben des Verstandes und Geistes durch Herzensgüte und Redekunst, ausgezeichnet durch Mä= ßigung und Biederkeit, daher mit dem allgemeinen Ver= trauen der Stadtbewohner beehrt, und zu Abgeordneten vollkommen tauglich. Und eben deßhalb, weil wir in der Auswahl selbst keinen Mangel hätten, ist die Wahl des Herrn Vacano doppelt unrecht; sie ist ein schmerz= liches Ereigniß, und als solches auch bis zur Stunde betrachtet worden. Hoffen wir aber völlige Ausgleichung und brüder= liche Einigung bei der nächsten Wahl; Einigkeit ist das erste Erforderniß, die erste Zierde eines großen Vol= kes, die erste Bedingung unsers Glückes. Wo es an Ei= nigkeit gebricht, werden Staaten, Städte und Familien zerrissen; darum liebe Mitbürger, Einigkeit! Vergessen wir Alles Geschehene und reichen wir uns brüderlich die Hände. W. S. A. H. Pfefferkörner. Wir lesen in der Wienerzeitung beständig, daß der Gesundheitszustand Ihrer Majestäten in Innsbruck sehr er= freulich sei. Bei Gott — für uns ist es aber nicht erfreulich, daß Ihre Majestäten trotz dieses erfreulichen Gesund= heitszustandes uns noch immer nicht die Freude machen in ihre grundgesetzliche Residenzstadt Wien zurückzukehren die sie aus Gesundheitsrücksichten verlassen haben. Die Beilage zur Allgemeinen Zeitung Nro. 188 bringt un= ter dem Artikel: „Zum 29. Junius 1848“ ein sehr schwulstiges und fades Lobgedicht an den Erzherzog Johann, den die deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt, vielleicht nicht mit Unrecht, aus allen männlichen Sprossen der deutschen Furstengeschlechter als den Vertrauenswürdigsten bezeichnete. Seine baldige Auflösung des — wenn auch nicht durch ein Aer geres, doch gewiß durch seine Schwäche — schädlichen Min= steriums Pillersdorff, gibt uns einen Beweis, daß er den klar ausgesprochenen Willen des Volkes doch höher achtet und sich ihm lieber beugt als dem Winde der aus den Tannenwäldern des Innthales und den Bajonettenwäldern an der Moldau weht. Wir fangen an, durch diese That erquickt, Vertrauen in die= sen vielgepriesenen Prinzen zu fassen, und wünschen, es möge ihm gelingen, am Ende seines thätigen Lebens, das gemach zur Rüste geht, sich die schönste Krone aufs Haupt zu drucken: den Dank des deutschen Volkes. Obiges Lobgedicht der Allgemeinen bleibt aber dennoch eine Speichelleckerei im alten Style und es ist zum Todtschämen, daß die deutsche Erde, die von den Tritten der Freiheit dröhnt, heute noch solche Kriecher nährt. Oder ist es nicht zu stark, den Prinzen Johann, mit jenen heiligen Johannes zu vergleichen, der pre= digend dem Weltheiland vorausging? Oder ist es nicht Unsinn den Prinzen das Erz zu nennen, das in die Form der Zeit ge= gossen wird? Das käme ja heraus, als hätte die Zeit die Form eines österreichischen Erzherzogs. Mit dem Erze des Prinzen Johann und den Anfor= derungen unserer Zeit hat es ein anderes Bewandtniß, das we= nigstens die oberösterreichischen und obersteyrischen Gewerken gar wohl kennen. Daß die alte Zeit (die Zeit des Bruders Franz) den Prinzen verbannt habe, ist eben so unrichtig als daß man ihn wie einen Cinncinnatus am Pfluge fand, als man ihn zum Throne holte. Ein Sommer=Aufenthalt von wenigen Wochen entfernte ihn nie gänzlich von den Staatsgeschäften, zu denen ihn namentlich das Vertrauen des Kaisers Franz gerne beizog. Lächerlich ist es, wenn das Gedicht die „Wel'schen Slaven oder (!) Tschechen“ zum Prinzen sprechen läßt „Hansel, bleibe bei uns!“ Die Allgemeine Zeitung, deren Tadel wir gerne ertra= gen wollen, verschone doch wenigstens die Männer des Fort= schrittes mit ihrem anrüchigen Lobe. Unter diese Männer glau= ben wir aber den Erzherzog Johann seit der Auflösung des Mi= nisteriums Pillersdorff rechnen zu müssen. Heppenheim auf der Bergstrasse am 18. Juni 1848 Liebster Freund! Was macht ihr denn in eurem Bergstädtchen! In dem unsrigen war es bis jetzt verdammt langweilig, wir hörten nur von ferne die Sturme der Zeit brausen und wäre nicht dann und wann ein Handlungsreisender, die Allgemeine Zeitung oder ein Regierungscommissär zu uns gekommen, wir wurden nicht ein= mal angelogen worden sein. Vorgestern Nachts — stelle dir den Schreck vor — fiel plötzlich eine politische Bombe auf unsern stillen mondbeschiene= nen Stadtplatz und platze mit einem Geschrille und Geprülle, als huldigten die Katzen aller Zonen dem Könige der Schmeichelei und Falschheit. In der That, eine Katzenmusik war es — wem und warum sie dargebracht wurde — das wird dich wenig inte= ressiren. Daß es kein Vertrauensvotum war, dürfte dir ein= leuchten. Zu bedauern sind nur die schrecklichen Folgen, welche diese Demonstration hatte. Die Stammgäsie des Rathskellers wollten das Städtchen — mit Ausnahme ihrer eigenen Häuser — in die Luft sprengen. Schimpfen und Gezänke war am an= dern Tage an allen Strassenecken, ein alter Mann hielt aus sei= nem Fenster eine Rede an einen ruhig vorbei wandelnden Bür= ger, die aus lauter Schimpfworten bestanden haben soll. Einen Manne bedauern wir vor Allen, der durch dieses Ereigniß der Verstand verloren zu haben scheint. Neulich ging er des Nachts in die Gasthäuser und auf die Wachtstuben und machte — wie zu einem Gastmahle — seine höflichste Einladung zu einer Ka= zenmusik vor seinem eigenen Hause. Keinerlei Symptome gin= gen seinem Krankheits=Ausbruche voraus, als ein grundloses Geschrei, daß er neulich auf einem öffentlichen Platze erhob, und eine — wohl schon läuger andauernde — Unlust zur Arbeit. So werden bei uns Männer zu Kindern, und die Last der Zeit fällt auf die Schultern der jungeren Generation. Möge sie die Kraft nicht verlieren, ihre schweren Aufgaben mit Ausdauer zu lösen, der Dank und die Anerkennung — selbst von Seite ihrer Feinde — wird ihr nicht entgehen. Noch haben wir so viel frischen Muth im Vorrathe, uns in so ernster Zeit mit wohl gemeinten Schwänken zu erheitern — wie dir dieser Brief be= weis't. Lebe wohl Dein Flott. Mit einem Anzeiger Nr. 22. Verantwortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredakteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandbök und Haas in Steyr.

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