Zwanglose Blätter, Nr. 34, vom 12. Juli 1848

vergebens den Kopf, welche slavische Mundart zu Ehre einer Universalsprache erhoben werden soll. Innsbruck. Im Nachstehenden liefere ich Ihnen den neulich er= wähnten Erlaß der k. k. Polizeidirektion für Tirol und Vo= ralberg, Betreffs der Tiroler Studentenkompagnie: Nach= dem sich die von Wien zum Behufe der Landesvertheidigung hieher gekommene Tiroler=Studentenkompagnie aufgelöst, und der mögliche Fall eintritt, daß Einzelne davon, statt sich in die Heimath zu begeben im Lande herumreisen, und bei dieser Gelegenheit in ihrer Exaltation, und bei der der Jugend leichteren Empfänglichkeit zu propagandistischen Umtrieben schädlich auf den Geist unserer ruhig und fried= lich gesinnten Provinz einwirken könnten, so werden in Folge hohen Landes=Präsidialerlasses vom 4. I. M. Z. 2669 sämmtliche Aufsichtsbehörden hiermit angelegentlichst ersucht, auf alle Umtriebe dieser Art, und Emissäre über= haupt das geschärfteste Augenmerk zu richten und gegen solche Individuen, welche durch ihre Handlungsweise zu gegründeten Bedenken in obiger Beziehung Anlaß geben nach aller Strenge des Gesetzes vorzugehen. Von allen, in dieser Hinsicht vorkommenden Wahr= nehmungen wolle ehemöglichst Mittheilungen anher ge= macht werden. Innsbruck, 5. Juni 1848. Der k. k. wirkl. Regierungsrath und Polzeidirektor Nordberg. Urwähler=Stimmen. (Eingesendet.) In der gegenwärtigen Zeit soll Niemand schweigen, Jeder reden, nicht um zu reden, sondern um der Wahrheit das Wort zu reden. Nicht sobald hat ein Ereigniß in unserer Stadt eine so allgemeine Entrüstung hervorgerufen, als die am 21. v. M. mit 23 gegen 21 Stimmen erfolgten Wahl des Hrn. Emil Vacano zum konstituirenden ersten Reichstag für die Stadt Steyr. Fragen wir uns zunächst um die Ursache dieser Erscheinung, so liegt uns die Antwort auf der Hand. Die Wahl des Herrn Vacano war nicht der Ausdruck der Bevölkerung Steyrs, sie war nicht der Ausdruck der selbst= ständigen Ueberzeugung der Wahlmänner, sondern sie war das Resultat einer listigen Berechnung von Seite der Min= derheit, welche in diesem Fall durch Gewinnung der Wahl= männer=Stimmen die viel größere Mehrheit überflügelte, und so den Anlaß zu der allgemeinen Aufregung gab de= ren Folgen sie zu verantworten hat. Der Reichstag ist ein konstituirender, d. h. eine Ver= ammlung von Abgeordneten, welche die Reichsverfassung, und nichts Anderes zu verfassen, zu berathen und zu be= schließen haben. Von dieser Reichsverfassung hängt daher unser künftiges Wohl oder Weh ab, es ist die wichtigste Handlung seit dem Bestande des österreichischen Staates. Zu einem solchen, nie mehr wiederkehrenden Akte ist daher ein Abgeordneter erforderlich, der nicht nur das Ver= trauen von 23 Wahlmännern, sondern auch das Vertrauen unserer Stadtbewohner besitzen soll, und besitzen muß. Un= ser Abgeordneter aber wurde gewählt, ohne das Vertrauen der Stadtbewohner zu besitzen, er ist unser Deputirter nicht als Mann des Vertrauens, sondern er ist zum Abge= ordneten gewählt als Freund, Vetter, und Schwager, er ist gewählt durch den Einfluß einiger ihm nahe ste= hender Wahlmänner, die sofort durch diese Wahl das von den Urwählern in sie gesetzte Vertrauen mißbraucht haben, und den Vorwurf der Partheilichkeit auf keine Weise von sich ablehnen können. Die Wahl des Herrn Vacano ist daher ein Mißgriff, dessen Folgen zunächst der „Urhe= ber“ zu verantworten hat. Die Wahl des Herrn Vacano ist aber auch in an= derer Beziehung — folglich ein doppelter Mißgriff, wir mei= nen nämlich hinsichtlich seiner Stellung als k. k. Beamter. Liegt denn der Druck der Zeit schon so ferne von uns, daß wir schon vergessen haben sollten, wie das durch die Met= ternich'sche Zwingherrschaft den Völkern Östreichs so viel= fältig bereitete Unheil durch die Bureaucratie immer noch vergrößert wurde? Haben wir schon vergessen, mit welch ungeheurer Geringschätzung von dieser Seite her wir stets behandelt wurden? Die Meinung, daß ein constitutioneller Staatsbeam= ter mehr Unabhängigkrit und Spielraum habe, als dieses bei Patrimonial=Beamten der Fall sein könne, wie uns dieses eine „Anfrage“ in der Linzerzeitung glauben machen will, ist weiter nichts, als eine lächerliche Phrase, die nur im Gehirn eines politischen Schwachkopfes, oder im alterschwachen Kopfe eines immer „Freundlichen“ Platz grei= fen kann, der da noch die kranke Meinung hat, uns da= mit etwas recht Gescheides gesagt zu haben. Zuerst fragen wir Alle, wessen Standes sie sind, „wo sind denn bis zur Stunde constitutionelle Staatsbe= amte zu finden?“ Wir suchen schon lange nach ihnen im weiten Österreich, und können keine finden; eben deßhalb nicht, weil wir noch immer keine Constitution haben! Oder gibt es etwa constitutionelle Saatsbeamte ohne Constitu= tion, d. i. ohne Reichsgrundgesetz? Nein! dagegen aber sind wir im Besitze einer Armee von k. k. Beamten, die bis zur Annahme der Constitution von Seite des Reichstages keine andere Verpflichtung haben, als welche ihnen durch den dem Kaiser als gewesenen unumschränkten Herrscher gelei= teten Eid auferlegt ist, von welchem sie bis zur Stunde noch nicht enthoben worden sind. Und einen solchen Beamten haben uns unsre Wahl= männer zum Abgeordneten gewählt, in gänzlicher Verkennung einer eigenen Stellung und des für uns Alle so wichtigen Gegenstandes. Nicht nur erhielten wir dadurch einen Abgeordneten ohne Vertrauen, sondern derselbe selbst hat sich durch An= nahme der auf ihn gefallenen Wahl in die Alternative ge= setzt, entweder seinem Kaiser oder uns nicht zu genügen. Von diesem Gesichtspunkte scheinen alle Wahlmänner der übrigen Wahlbezirke des Staates bei ihren Abgeordne= ten Wahlen ausgegangen zu sein, Wir sagen es offen wir haben keinen Augenblick gezweifelt, Herr Vacano werde in Folge der an ihn erlassenen Protestation, auf die Wahl verzichten, indessen statt die Stimme einer übergroßen Mehr=

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