Zwanglose Blätter, Nr. 27, vom 18. Juni 1848

Reichsversammlung aufzutreten gedenken, sich bei dem er= wähnten Wahlkomité zu melden. Das Comité wird die Liste sämmtlicher Wahlkandidaten veröffentlichen, der Aus= schuß aber wird nur diejenigen empfehlen und in ihrer Be= werbung durch seinen moralischen Einfluß kräftigst unter stützen, deren Gesinnungstüchtigkeit und politische Befähi= gung ihm genügend bekannt sind. Als unerläßliche Bedingung seiner Unterstützung for= dert der Ausschuß von den Candidaten: 1. Einen unbefleckten ehrenhaften, festen Charakter. 2. Durch Wort und That bewährte, entschieden frei= sinnige Grundsätze. 3. Hinlängliche, auf wissenschaftlichem Wege oder im praktischen Leben erworbene politische Bildung, um die For= derungen der Gegenwart und die nothwendigen Bedingun= gen einer volksrechtlichen Verfassung richtig zu ermessen. Als eine wahrhaft volksrechtliche Verfassung vermag der Ausschuß aber nur diejenige anzuerkennen, kraft welcher dem ganzen Volke, das heißt allen Staatsangehörigen ohne Unterschied, allein das Recht zusteht, sich alle seine Gesetze, unter Sanction des die Volks=Souverainität repräsentiren= den Monarchen, durch direkt und ohne Census gewählte Vertreter zu geben. 4. Unverbrüchliches Festhalten an dem Grundsatze, daß die Existenz des österreichischen Kaiserstaates unbedingt abhängig sei von dem innigen Anschluße an das große deutsche Mutterland, zu gegenseitiger Gewährleistung der volksrechtlichen Verfassungen aller deutschen Einzelstaaten und zu einheitlicher Vertretung ibrer Gesammtinteressen ge= genüber dem Auslande; endlich 5. Anerkennung der vollkommenen staatlichen Gleichbe= rechtigung aller Nationalitäten des österreichischen Kaiser= staates. Wien im Juni 1848. Vom Ausschusse der Bürger National= garde und Studenten für Ordnung und Sicherheit und Wahrung der Rechte des Volkes. Briefwechsel. Wien am 15. Juni 1848. Gestern um 4 Uhr Nachmittag zogen die hier anwesenden Gratzer Studenten aus der Stadt zur Eisenbahn um ihre Rück= reise anzutreten. Ein Grenadier trug ihre Nationalfahne voran und Grenadiere mit gezogenen Säbeln, Studenten und Natio= nalgarden gaben ihnen des Abschiedes Geleite. Ein Plakat vom 13. d. M. datirt kam mir, da mich die Prager Ereignisse zu sehr in Anspruch nahmen, erst heute zu Gesichte. Es lautet: Vor einigen Tagen hat sich eine große Anzahl czechischer Studenten und Swornostmänner ohne irgend einem offen aus= gesprochenen Zweck in Wien eingefunden. Da diese Individuen die ihnen allenthalben gewordene Gastfreundschaft schmählich verkannt, und sich ein, die Wiener Bewohner und ihr Nationa= litätsgefühl durch freche Beschimpfungen verletzendes Benehmen erlaubt haben, welches nicht länger mehr geduldet werden kann, so trifft der Ausschuß für Ordnung und Sicherheit unter Ei= nem die Verfügung, jene bedenklichen Individuen zur unverweil= ten Entfernung aufzufordern, wobei es sich jedoch von selbst ver= steht, daß die gleichzeitig hier verweilenden höchst achtbaren De= putationen von Bürgern und Vereinen, welche uns zu begrüßen aus Böhmen gekommen sind, und ohnedieß unter dem Schutz der öffentlichen Meinung stehen, durch diese Maßregel in keine Weise berührt werden. Die letzte Deputation des Magistrates und Bürgeraus= schusses an den Kaiser erstattete gestern obigem Ausschusse Bericht über den Erfolg ihrer Sendung. Die Herren Minister Dobbl= hoff und Wessenberg hatten sie sehr freundlich empfangen und äußerten, daß sie über die wahre Sachlage in Wien genau unterrichtet wären und daß sie mit Wien stehen und fallen werden. Se. Majestät der Kaiser, welcher sie äußerst huldvoll empfing erwiderte auf ihre Bitte um Seine Rückkehr nach Wien, daß er in einigen Tagen Tirol ver= lassen und sich nach Oesterreich begeben, in die Residenz aber Seines leidenden Gesundheitszustandes wegen in kurzer Zeit zu rückkehren werde. — Da wir die Gewißheit durch sein kaiserli= ches Wort haben, daß Er zur Eröffnung des Reichstages sicher hieher kömmt, so werden wir uns wahrscheinlich bis dahin in Geduld fügen müssen. Die Einschreibungen der Wähler zur Bildung der Ge= schwornen Gerichte in Preßsachen gehen hier überall vor sich. Für den konstituirenden Reichstag hat der Ausschuß der Bürger, Nationalgarde und Studenten ein Central=Wahl=Komité gebildet, welches eine Liste von Wahl=Candidaten (welche sich selbst mel= den sollen) verfassen und veröffentlichen wird. Der Ausschuß wird aber nur solche Mitglieder empfehlen, deren Gesinnung und Befähigung ihm bekannt ist. Welche Anforderungen aber diese Wahlkomité an die zu empfehlenden Candidaten stellt, brauche ich Ihnen nicht erst mittheilen zu müssen, indem Sie denselben durch ihren Charakter, Bildung und Gesinnung vollkommen ent= sprechen. Heute stellten die Arbeiter, darunter einige unter Andro= hungen an den Ausschuß das Begehren, daß Ihnen an der Feier= und Regentagen der gleiche Lohn wie an Werktagen aus= bezahlt werden müßte, es begaben sich sogleich Techniker zu ihrer Pazifizirung auf die Arbeitsplätze, und es fiel auch bis jetzt (4 Uhr Nachmittags) nicht die geringste Ruhestörung vor. Dieses Verlangen der Arbeiter wurde durch die Umtriebe der abgeschaff= ten Prager Studenten angeregt. — Von Prag ist nichts bekannt, ausser was in der Wiener Zeitung enthalten ist. Bessere Nachrichten aus Italien. Die außerordentliche Beilage zur Wiener Zeitung vom 15. Juni 1848 bringt folgende erfreulicher lautende Nachrichten aus Italien. Der F. M. L. Baron Welden hat aus Conegliano vom 12. Juni mittelst Courir so eben dem Kriegs=Ministerium die Copie jener Nachrichten ein gesendet, welche nur mit Blei geschrieben, von F. M. L. Heß diktirt, an ihn gelangt sind, und wörtlich also lauten: „Vicenza wurde den 10. d. M. von der k. k. Armee angegriffen, mit 80 Bomben beworfen, alle Höhen genom= men und die päpstlichen Truppen zum Abzuge über den Po vermöge der abgeschlossenen Capitulation, gezwungen. F. M. Graf Radetzky war zugegen, und geht heute (12.) nach Verona." „Das 2te Armeekorps (2 Brigaden von 10—12000

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