Zwanglose Blätter, Nr. 26, vom 15. Juni 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. Steyr am 15. Juni 1848. 26. Alle sind gleichmässig zur Freiheit bestimmt — Zur Freiheit, welche in roheren Zuständen dem Einzelnen, in dem Staatenleben bei den Genuß politischer Institutionen der Gesammtheit als Berechtigung zukommt. Alexander von Humboldt. Was ist die Aufgabe des konstituirenden Reichstages? (Zur Beachtung der Wähler und der Gewählten. Die Verfassung, die uns Oesterreichern am 25. April d. J. gegeben wurde und die der Kaiser durch sein Patent vom 16. Mai aufhob, welches er mit Erlaß von 3. Juni von Innsbruk aus seinem ganzen Inhalte nach bestätigte, war eine oktroyirte Verfassung, doch der Kaiser für sich allein hatte seinem Volke so viele Freiheiten zugesprochen und dem Adel, den großen geistlichen und weltlichen Grund= besitzern, sich selbst und seiner Familie so viel Rechte zuge= sichert, als ihm eben nützlich und billig schien. Diese Ver= fassung wurde mit Berücksichtigung der laut gewordenen Volksstimme aufgehoben und ein sicherer Correspondent der Augsburger Allgemeinen, der statt seines Namens ein schlichtes Ch vor seinem Aufsatz stellt, sagt es wäre vom Volke sehr unpraktisch gewesen, dieses zu verlangen, denn die Franzosen, die Engländer und die Amerikaner würden in einem gleichen Falle nicht so gehandelt haben. Sie würden ohne Rücksicht, wie sie das Gute bekommen hatten das Gute behalten haben. Der Herr Ch. irrt sich aber gewaltig. Wenn er die Geschichte kennen würde, so müßte er wissen, daß den Amerikanern ihre Verfassung von Nie= mand gegeben wurde. Ich rede hier von der Verfassung der Nordamerikanischen Freistaaten vom 7. September 1787 deren Eingangsworte die Wahrheit meiner Behauptung beweisen.*) Um aber nicht ein Beispiel von einer Republik zu nehmen, deren Einführung für unser Vaterland eine un= absehbare Reihe von unheilvollen Zuständen und Ereignis= sen unabweislich nach sich ziehen, den Kaiserstaat in die staatlich unnatürlichsten Theile zerreissen und Bürger gegen Bürger zum Kampfe rufen müßte, weise ich auf Frankreich *) Diese lautet. Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, in der Absicht eine vollkommnere Union zu bilden, Recht und Gerechtigkeit einzusetzen, Ruhe im Innern zu vergewissern, für gemeinsame Vertheidigung Fürsorge zu treffen, allgemeine Wohlfart zu befördern und den Segen der Freiheit uns und unseren Nachkommen zu sichern, verordnen und errichten hier= mit diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika. und England hin, deren monarchische Verfassungen als Grundverträge zwischen König und Volk jederzeit zu Stande gebracht worden sind. Hr. Ch. meint auch die Verfassung vom 25. April sei etwas Gutes gewesen. Wenn sie auch einzelne glückliche Stellen hatte, im Ganzen war sie es ge= wiß nicht. Schon die Zusammensetzung der ersten Kam= mer, die nothwendig eine Adels= und Prälatenkammer ge= worden wäre und zunächst wenig Bürgschaften für die gei= stige und materielle Freiheit des Bürgerstandes, für die Abschaffung des Zehentes, der Robote und dgl. gegen billige Ablösungen geboten hätte, müßte dem Volk die Noth= wendigkeit aufdringen, diese Verfassung abzubringen. Ab= gesehen aber von diesen Einzelheiten mußte diese Verfassung wenn Oesterreich nicht blos dem Namen nach, sondern in Wahrheit ein konstitutioneller Staat sein, somit das Volk nicht unter der Willkür des Herrschers oder jener die sich der Herrschergewalt angemaßt haben stehen, sondern mit dem Herrscher zugleich unter einem für beide Theile gleich ver= bindlichen Gesetze stehen sollte, fallen. Denn seiner Natur nach muß das Verfassungswerk ein Akt des wechselseitigen Gebens und Nehmens, mithin nicht eine einseitige Ver= sprechung sein, eine Verleihung, die jeden Augenblick wie= der widerrufen werden kann. Verfassungsbestim= mungen sind nicht wandelbare Bestimmungen die der einseitigen und beliebigen Verfügung oder Zurücknahme der Regierung anheimge= geben sind. So sprechen sich die größten Staatsrechtslehren der deutschen Nation aus. Verfassungsbestimmungen sollen die festen, unveränderlichen, aller einseitigen Willkür entzo= genen Grundlagen des ganzen Gesellschafts=Verhältnisses im Staate, des Rechtes aller Provinzen, aller Nationen, aller Volksklassen, wie sie sich immer nach Besitz, Bildung, Beschäftigungs= und Erwerbswesen unter einander abstu= fen mögen, aller moralischen und einzelnen Personen im Gesammtreich sein, für das sie im Vertragswege errichtet worden sind. Dann befindet sich der Staat in keinen Rechtszustand, wenn er von der Willkühr eines einzelnen abhängig ist. Allen wahren Rechtszustand setzt eine gegen= seitige Beschränkung voraus, ein gegenseitiges Anerkennen und Zugestehen von Rechtsansprüchen und Rechtspflichten,

mithin eine Vertragsmäßigkeit. Ein solcher vertrags= mäßiger Rechtszustand in den sich Fürst und Volk besinden, ist allein im Stande die Pri= vatrechte des Einzelnen zu befestigen und zu verbürgen. Viele wenden freilich ein, man hätte die oktroyirte Verfassung vom 25. April bestehen lassen sollen und die selbe stillschweigend annehmen, da es den Kammern nach §. 50 ohnehin zugestanden wäre, daran Abänderungen zu machen. Diesen meinen Gegnern setze ich folgende Erörte= rung entgegen: Für die Entwicklung der geistigen und ma= teriellen Freiheit des Bürger= und Bauernstandes und der Intelligenz, welche die schöne Blüte dieser beiden Stände ist, war gewiß die erste Kammer in ihrer beantragten Zu= ammensetzung das Gefährlichste. Ohne eine gewisse Be= schränkung wenigstens der materiellen Güter der weltlichen und geistlichen Aristokratie kann die Freiheit der erwähnten Stände nicht zur vollkommensten Reife gelangen. Wenn also die zweite Kammer, die aus diesen Ständen bestand, ei= nen Beschluß zu Gunsten des Bürger= und Bauernstandes faßte, so dürfte nur die erste Kammer sich dagegen erklären und nach §. 45 war der Beschluß der zweiten Kammer un= gültig. Wäre nun aber auch über die erste Kammer der heilige Geist gekommen und hätten beide Kammern einstim= mig sich angeschickt zu Gunsten der Freiheit des Volkes Aenderungen in der Verfassung zu beschließen, hätte nicht der Herrscher die ohne Eingehung irgend einer vertrags= mäßigen Verpflichtung aus Gnade verliehene Ver= fassung, aus Ungnade wieder einziehen können? Wenn auch nicht der alte Zustand, der alte Kampf wäre ganz gewiß dadurch heraufbeschworen worden. Der Kampf, der wir dann mit der Reaktion zu schlagen gehabt hätten, würde gewiß kein leichter gewesen sein. Die Erfolge, wel= che sie in diesen Tagen voll frischer Erbitterung zu errin= gen im Stande war, kennen wir genau, und die Fort= schritte, die sie, wenn ihre Macht nicht gänzlich gebrochen wäre, in ruhigen Tagen, wenn das Blut des Volkes sich abgekühlt hat, langsam und im Stillen zu machen im Stande wäre, sind unberechenbar. Darum konnten wir eine ok= troyrte Verfassung nicht brauchen; wir mußten einen kon= stitutrenden Reichstag haben und wir haben ihn bekommen Dem Kaiser und dem Volke sei dafür gedankt. Was ist nun die Aufgabe eines konstituirenden Reichs= tages und mithin auch desjenigen der auf den 26. d. M. nach Wien einberufen ist und zu dem die Wahlen vor der Thüre sind. Dieser konstituirende Reichstag hat 2 Aufgaben. Erstens muß er durch freie gemeinschaftliche Bera= thung und Stimmenmehrheit seiner Mitglieder ein Staats= grundgesetz verfassen. Zweitens muß er dieses dem Kaiser vorlegen und mit ihm, im Namen des Volkes einen Vertrag abschließen wodurch dasselbe zur Gültigkeit erhoben, über Kaiser und Volk gestellt und für beide gleich gemacht wird. Ein Staatsgrundgesetz oder was eben so viel ist eine Verfassung, eine Constitution ist das höchste Gesetz, worauf alle übrigen Gesetze des Staates beruhen, woraus alle übrigen Gesetze des Staates hervorgehen sollen. Da nun ein vernünftiges Grundgesetz in einem konstitutionellen Staate die möglichste Entwicklung der Freiheit des Einzel= nen einerseits, womöglich andererseits aber die festesten Schranken gegen jede unmoralische und unkonstitutionell Willkühr aufstellen soll, dabei aber bei großer Kürze, Faß= lichkeit und erschöpfende Bestimmmtheit aller Interessen je der Nation im Staate, jeder Classe der Staatsbürger ge= rechte Rechnung tragen muß, so entsteht die Frage: Ist die Aufgabe des konstituirenden Reichstags eine so leichte, daß sie schon jeder ehrliche Mann mit gesundem Menschen= verstande und einer seinem Nahrungsstande angemessenen Bildung zu lösen im Stande ist? Oder bedarf es da= zu nicht einer höhern, umfassenderen staats= rechtlichen Bildung, bedarf es da nicht posi= tiver Kenntnisse in einem mehr als gewöhnli= chen Maaße, bedarf es in der raschen Glut der parlamentarischen Verhandlung nicht einer schnellen, allzeitfertigen Fassungs= und Darstellungsgabe, neben Kaltblütigkeit und Unerschütterlichkeit die Macht der Rede, durchleuchtet und beherrscht von einem kla= ren Geiste?! Für den österreichischen Reichstag tritt noch eine neue nicht geringe Schwierigkeit dazu, durch die verschiedenen Bildungsstufen auf denen die verschiedenen Nationen des Kaiserthums stehen. Wie bei einzelnen Menschen, so finden sich auch bei ganzen Nationen Altersstufen. Jenes Volk lebt in der Kindheit, das noch vom himmlischen Gesetze, jenes im Jünglingsalter, das vom Gesetze des Glaubens, jenes im Mannesalter, das von dem Gesetze der prüfenden Vernunft beherrscht wird. Der Gesetzgeber soll allen verständlich und allen gerecht sein. Das ist eine ebenso große als schwere Aufgabe. Was muß die Verfassung dem Kaiser wenigstens ge= währen? Unverletzbarkeit seiner geheiligten Person, die voll= ziehende Gewalt, und unabweisbaren Antheil an der ge= setzgebenden Gewalt, die ihm gemeinschaftlich mit dem Reichstage gebührt, jedenfalls nur dann, wenn es sich um eine Aenderung der Verfassung handelt. Denn, wenn es auch ohne Beeinträchtigung der kaiserlichen Wesenheit denk= bar und im einzelnen Falle, wie die Verfassung des König= reichs Norwegen solche bestimmt, sogar passend ist, wenn eigentliche Regierungsgesetze ohne Einwilligung des Herr= schers blos durch die Stimme des Reichstages Gültigkeit erlangen (und Norwegen ist das ruhigste und sicherste Land der Welt) so darf doch dieses bei einer Verfassungsände= rung nie sein, denn, wenn der Reichstag für sich allein die Verfassung beliebig ändern könnte, so wäre der Name des Kaisers eine Lüge. Oder ist der ein Kaiser, der verfas= sungsmäßig eine Gewalt anerkannte und sich ihr unter= ordnete, die ihm morgen seine kaiserlichen Funktionen durch gültige Gesetze verbieten könnte?

Was muß die Versassung dem Volke wenigstens ge= währen? 1. Eine durch freie Wahl aller Klassen der Staats= bürger zu bildende Repräsentation des Volkes. 2) Diese Repräsentation d. i. der Reichstag muß das Recht haben: a. alle Gattungen von Staatsabgaben oder Staats= anleihen zu bewilligen oder zu verweigern. b. allgemeine Landesgesetze aller Art in Vorschlag zu bringen, und die vom Kaiser und seinen Ministern in Vorschlag gebrachten zu bewilligen oder zu verweigern; c. das Recht öffentliche Rechenschaft über der Ver= wendung der Steuern zu den Staatszwecken zu fordern. (durch diese drei Rechte ist dem Volke die Mitwirkung bei allen Regierungsgeschäften in Krieg und Frieden gesichert) d. das Recht der Beschwerdeführung gegen jeden Staatsdiener ohne Unterschied bei Mißbräuchen jeder Art. Verantwortliche Minister 3) Als allgemeine Staatsbürgerrechte müssen bestehen: a. allgemeine Wehr= (Militär) Pflicht, b. Preßfreiheit, nur beschränkt durch die allgemeinen Strafgesetze. c. unabhängige Justiz. Unabsetzbarkeit der Richter, außer durch strafgesetzliches Urtheil. d. freies Petitions= und Associations (Vereins) Recht. e. Aufrechthaltung der Nationalität. Hat der konstituirende Reichstag die Verfassung zu Stande gebracht und ist dieselbe vertragsmäßig durch Uebereinstimmung des Kaisers mit den Rechtszuständen zur Gültigkeit als höchstes Gesetz im Staate erhoben, so hat der konstituirende Reichstag als solcher sein Ende er= reicht. Es kommt dann eben auf die junge Verfassung ob er sich in einen verfassungsmäßig gesetzgebenden Reichs= tag verändert und die Berathung der nächsten speziellen Bedürfnisse des Staates in Anspruch nimmt, oder ob er sich auflösen und ein neuer zu diesem Zwecke einberufen werden muß Hiemit hoffe ich die Aufgabe des konstituirenden Reichstages in ihren allgemeinen Umrissen dargestellt zu haben und ich wünsche, daß auch den Wählern hiedurch die ihnen so höchst wichtige Aufgabe klar geworden sei. Al. Jul. Schindler. Schleswig=Holstein und sein Verhältniß zu Deutschland (Fortsetzung.) Die deutsche Nationalversammlung muß die schles= wig=holsteinische Frage im ganzen Umfange an sich neh= men. Ist Friede möglich? Kaum. Ein Friede, der durch ungenügende Bestimmungen die Ehre Deutschlands gefähr= det, kann nicht geschlossen werden, — er würde auch nicht von Dauer sein, es würde der Kampf bald aufs Neue beginnen. Krieg ist für alle Industriellen, Kaufleute und Seefahrer Deutschlands, zumal in den nördlichen Ländern von Nachtheil, das ist sicher, aber bei Abwägung der Vor= theile und Nachtheile eines Krieges muß man nicht bloß auf dem Augenblick, sondern auf die Zukunft sehen, da darf man nicht Einzelnes, sondern muß das Ganze vor Augen haben. In diesem Kriege wird zum erstenmal seit Jahrhun= derten ein deutsches Heer unter einer Farbe, einem Namen dem Feinde gegenüber stehen und wie jetzt von den Masten der schleswigholsteinischen Handelsflotte die schwarz= roth-Gold Flagge weht, so wird sie bald von hundert deut= chen Schiffen wehen. In Hamburg, Stettin, Kiel, Lü= beck wird bereits an den ersten deutschen Kanonenbooten gezimmert. Die dänischen Blätter spotten darüber; aber das Lachen soll ihnen bald vergehen. Wie durch einen Zauberschlag werden Deutschlands Küsten wehrhaft sein und diesen Zauberschlag haben wir den Dänen zu danken, sie haben unser Bewußtsein erweckt, — Deutschland wird zum erstenmale zeigen, daß es entschlossen ist, einig nach Außen zu handeln, — und je länger der erste Krieg Deutschlands mit einem übermüthig herausfordernden Feinde dauert, desto mehr wird Deutschland in der Einigung sei= ner Landmacht, in Vervollkommung seiner Seewehr erstar= ken, desto mehr sich die Herrschaft über die Ostsee sichern. — Die Staaten des Auslandes werden erfahren, daß, wenn sie sich an einen von uns vergreifen, sie mit der Ge= ammtheit zu thun bekommen. — Eine solche Zukunft muß wohl auf die materiellen Interessen der Gegenwart ver= gessen lassen. Deutschland trägt nicht Schuld an diesem Kriege. Dänemark hat ihn keck und übermüthig herauf beschworen, es wird auch die Folgen tragen: sein Handel ist vernichtet, denn es werden ihm die deutschen Häfen gesperrt, — seiner schwachen Börse ist der deutsche bisher der einzige Kredit entzogen, eine Union mit Schleswig=Holstein und Lau= enburg ist nicht mehr möglich, — Jütland lebt von der Ausfuhr seiner Pferde und seines Rindviehes, eine starke Zollgränze der Herzogthümer brächte ihm den Tod es muß den dänischen Eilanden den Scheidebrief zuschicken und sich mit Schleswig=Holstein verbinden, — was bleibt dann bey Dänemark? zwei Inseln und einige Eilande mit 700 tau= send Menschen (Fortsetzung folgt.) Der Slavenkrieg. Dahin ist es gekommen. Was man seit einer Reihe von Jahren befürchtete, scheint jetzt in immer größerem Umfang ein= zutreten, und man täusche sich nicht, die Sache datirt sich kei= neswegs von gestern. Wir erinnern nur im Vorbeigehen an die Thätigkeit des famosen Cyprien Robert, der sichtlich das Seinige dazu beitrug, von Frankreich aus die Sache anzuregen. Es ist diese Erhebung weder rein slawischen Ursprungs, noch vorzugs= weise russische Arbeit, sie ist das vereinigte Product sehr verschie= dener Kräfte, wobei Franzosen und ausgewanderte Polen, gewiß nicht ohne Zulassung Rußlands, gemeinsam thätig waren. Der literarische Panslawismus ist ein tüchtiger Bundesgenosse gewe= sen, und man hat unter seiner Decke den Haß gegen alles Deutsche angeblasen. Schreiber dieß hatte vor einigen Jahren aus etli= chen böhmischen Journalen, namentlich den Kwety, eine ganz artige Sammlung der schroffsten Ausfälle gegen alles Deutsche zusammengelesen, und die Veröffentlichung derselben, — welche beabsichtiget war, um auf den Geist, wie er sich noch in der vollen Bluthe der österreichischen Censur kund gab, aufmerksam zu ma= chen, — wurde nur auf Bitten eines bekannten Slawisien un= terlassen, hauptsächlich aus dem humanen Grunde, daß man nlicht allzu hart eine Partei treffen müsse, die selbsi sichtlich unter strengem und zum Theil sehr ungerechtem Druck lebte. Keinem indeß, der slawische Journale las, namentlich die böhmischen konnte diese methodische Aufhetzung gegen alles Deutsche entge= hen, und wenn sie in den letzten zwei Jahren etwas nachließ,

so lag der Grund aller Wahrscheinlichkeit nach in den wohlberech= neten Weisungen einiger Leute, welche es nicht für gerathen hielten, in dem bisherigen Tone fortzufahren. Wir kennen die Bravaden der slavischen Journale sehr wohl und wissen seit lange, daß das 19te Jahrhundert das Zeit= alter der Slawen ist, nachdem die romanischen und germani= schen Völker sich überlebt; 1 indeß möchten die Herren doch die Geschichte nicht sonderlich studirt haben, und fruh oder spät zur Erkenntniß kommen, daß allerdings durch die Schwäche des deutschen Reichs seit anderthalb Jahrhunderten die slawischen Völker wiederum, namentlich in Rußland, emporgekommen, daß aber das deutsche Volk während dieser langen Periode in einem Uebergangszustand aus der alten mittelalterlichen Welt in die Neuzeit war, wobei es nur schwach seyn konnte. Deutschlands Gluck oder Ungluck — je nachdem man es nimmt — liegt darin, daß es seiner Lage in der Mitte Europa's zufolge der Schluß= stein des europäischen Gebäudes ist, und immer handelnd oder leidend den Ausschlag gibt. Rehmen wir die kurze Periode Fried= richs des Großen aus, so hat Deutschland seit 200 Jahren nur leidend den Ausschlag gegeben, aber jetzt pocht das Schicksal hart an die Thore, daß Deuschland sich aufrüttle, den zweihun= dertjährigen Schlaf aus den Wimpern reibe, und thätig auf den Weltschauplatz trete. Dabey handelt es sich nicht bloß um den Frieden Europa's — dieß wäre am Ende eine untergeordnete Rücksicht — sondern um die ganze Zukunft des germanischen Geschlechts, und diese Erkenntniß ist in unserm Deutschland, dessen Bildung doch ohne Zweifel die slavische in ihrer Gesammt= heit überragt, bei weitem mehr in die Erkenntniß der Masse ge= drungen, und diese Masse ist concentrirter als es die Westslawen sind. „Kenntniß ist Macht,“ den Beweis dieses Spruchs ha= ben wir in der letzten Zeit so vielfach gesehen, daß auch die Befangendsten an seiner Richtigkeit nicht mehr zweifeln können, und diese Kenntniß ist in der deutschen Welt ohne allen Ver= gleich größer als in der slawischen; zudem besitzen wir im Grund stocke unserer Bevölkerung eine nachhaltige militärische Kraft, mit der sich weder Franzosen noch Russen messen können. Da= rauf beruhen unsere Hoffnungen, so düster auch jetzt der Hori= zont aussehen mag. Die Zehentfrage. (Schluß.) Der Belastete, Zehentholde, der Zinsgeber wäre dem= nach verpflichtet, nach obigem Maßstabe die jährliche Rente zu bezahlen, und genießt dagegen den Vortheil des Zehents, so wie den der ungehinderten Bewirthschaftung seiner Felder. Ich habe aber voraus bemerkt, daß durch die freie Cultur das allgemeine Erträgniß vergrößert das Nationalvermögen gehoben, dadurch die Besteuerungs= fähigkeit vermehrt werde. Der Staat kann diese ver= mehrte Einnahme zu Gunsten der Zehentholden zum Op= fer bringen, oder sie zur Amortisirung der Zehentrenten verwenden. Mein Antrag besteht nur darin, daß der Zehentgeber diese Rente nur 24 Jahre bezah= len, und sodann von dieser Giebigkeit ganz befreit sein solle. Zieht er aber vor, sich jetzt schon frei zu machen, so ist der sechzehnfache Betrag der jährlichen Rente und in den fol= genden Jahren die verhältnißmäßige verrin= gerte Summe als Ablösungsbetrag für ewige Zeiten zu erlegen. Bei diesem Operate ist der Staat als Mittelsperson angenommen. Nun sind aber die jetzigen unglücklichen Credits=Verhältniße nicht geeignet, einen Paristand der Obligationen bei der besprochenen Ablösung anzunehmen, die dießfalls einzuleitenden Verhandlungen vielleicht zu weitläufig oder zu lange hinausgeschoben. Man soll aber das einmal erkannte Gute auch sogleich bethä= thigen, und somit geht mein Vorschlag dahin, daß die Provinz an die Stelle des Staates trette, und sich die allsbaldige Ausgleichung dieser Angelegenheit zur Auf= gabe mache. Zu diesem Behufe müßte eine Landes=Casse geschaffen werden, von welcher die für die Zehent= herren treffenden Ablösungen in Schuldscheinen ausge= geben würden. Solche wären mit 5 % zu verzinsen. Der Zehentherr als Rentier empfängt also seine jähr= liche gesicherte Rente, wird mithin nicht beeinträchtigt. Zur Amortisirung mag ein eigener Fond gebildet werden, was sich erst ausarbeiten läßt, wenn man die genauen Ausweise über den ganzen Betrag der Ablösungssumme kennt, ein Gegenstand, der selbst nach ein= oder mehr= jähriger Gebahrung in Ausführung gebracht werden kann. Für den Zehentholden ist der Vorschlag insoferne günstig, als er erstens eine Zeit bestimmt hat, binnen welcher er von der Last dieser Leistung gänzlich befreit wird, wenn auch dieser Termin eine geraume Anzahl von Jahren in sich schließt. Er hat ferner den Vortheil, daß er die Ablösung nach seinen Geld=Verhältnissen selbst veranlassen kann. Die jetzigen guten Zeitumstände für den Landwirth werden wahrscheinlich viele Baarab= lösungen zur Folge haben, und somit wäre für die Provinz die Aussicht vorhanden, daß in dieser geldarmen Zeit zu sehr günstigen Bedingungen Capitalien herbeige= schafft würden, von welchen die Zinsen für die Zehent= Obligationen nicht nur leicht befriedigt, sondern ein ge= wiß nicht unbedeutender Betrag nutzbringend angelegt werden könnte. — Die Gemeinden sind am besten im Stande, die Zehentrenten von den Pflichtigen einzuholen, sie können dafür verantwortlich gemacht werden. Von den Gemeinden werden sie durch die Commissariate an die Lan= deskasse abgeführt. Denselben Weg machen auch die Ab= lösungs=Anträge. Lange Verhandlungen und Berathungen sind bei uns fast stereotip geworden; trotzdem daß man täglich die Er= fahrungen macht, daß der Zweck durch das Hinausschie= ben sehr viel leidet, bindet man sich doch stets an die Formen mit einer gränzenlosen Beharrlichkeit. Damit der Gegenstand nicht roste unter solchen zöpfischen oder rabu= listischen Vorgehen schlage ich vor: Die Zehentbehe= bung in natura solle von diesem Augenblicke aufhören, derjenige Betrag, welcher aus der vorge= zeigten Berechnungsart oder einer zweckmäßigeren hervor= gehen wird, solle erst nach der Einigung der Partheien über diesen Gegenstand berichtigt werden. Es wäre dieß ein moralischer Zwang zur Beschleunigung, so wie man ihn im Conclave bey der Papstwahl anwendet. Dieß sind die Grundzüge einer Ablösungsweise der Zehente. Ich habe darüber mehrere günstige Beurtheilun= gen erfahren, sowohl von Männern, welche diesen Ge= genstand zu lösen zu ihrer Aufgabe gemacht haben, als auch von Betheiligten und Unbetheiligten und ward da= durch zur Veröffentlichung veranlaßt. Selbst Zehentbe= sitzer und Zehentgeber, ersteres in größerem Verhältniße, aber immer noch zu unbedeutend, als daß man mir nicht sagen sollte; ja der verliert nichts, die Zehente können nicht eingehen! — erwarte ich manche Ent= gegnungen. Solche Ausrufungen sind keine Antworten. Sollte aber diese meine Schrift bessere Vorschläge, richti= gere Auffassungen von anderen Seiten hervorrufen und solche zur Kenntniß Aller bringen, so werden alle möglichen Verdächtigungen nicht die Freude aufwägen, die ich dar= über empfände, etwas Gutes erzweckt zu haben. Neumarkt, den 26. April 1848. Anton Wurmb. Verantwortlicher Redaetur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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