Zwanglose Blätter, Nr. 26, vom 15. Juni 1848

so lag der Grund aller Wahrscheinlichkeit nach in den wohlberech= neten Weisungen einiger Leute, welche es nicht für gerathen hielten, in dem bisherigen Tone fortzufahren. Wir kennen die Bravaden der slavischen Journale sehr wohl und wissen seit lange, daß das 19te Jahrhundert das Zeit= alter der Slawen ist, nachdem die romanischen und germani= schen Völker sich überlebt; 1 indeß möchten die Herren doch die Geschichte nicht sonderlich studirt haben, und fruh oder spät zur Erkenntniß kommen, daß allerdings durch die Schwäche des deutschen Reichs seit anderthalb Jahrhunderten die slawischen Völker wiederum, namentlich in Rußland, emporgekommen, daß aber das deutsche Volk während dieser langen Periode in einem Uebergangszustand aus der alten mittelalterlichen Welt in die Neuzeit war, wobei es nur schwach seyn konnte. Deutschlands Gluck oder Ungluck — je nachdem man es nimmt — liegt darin, daß es seiner Lage in der Mitte Europa's zufolge der Schluß= stein des europäischen Gebäudes ist, und immer handelnd oder leidend den Ausschlag gibt. Rehmen wir die kurze Periode Fried= richs des Großen aus, so hat Deutschland seit 200 Jahren nur leidend den Ausschlag gegeben, aber jetzt pocht das Schicksal hart an die Thore, daß Deuschland sich aufrüttle, den zweihun= dertjährigen Schlaf aus den Wimpern reibe, und thätig auf den Weltschauplatz trete. Dabey handelt es sich nicht bloß um den Frieden Europa's — dieß wäre am Ende eine untergeordnete Rücksicht — sondern um die ganze Zukunft des germanischen Geschlechts, und diese Erkenntniß ist in unserm Deutschland, dessen Bildung doch ohne Zweifel die slavische in ihrer Gesammt= heit überragt, bei weitem mehr in die Erkenntniß der Masse ge= drungen, und diese Masse ist concentrirter als es die Westslawen sind. „Kenntniß ist Macht,“ den Beweis dieses Spruchs ha= ben wir in der letzten Zeit so vielfach gesehen, daß auch die Befangendsten an seiner Richtigkeit nicht mehr zweifeln können, und diese Kenntniß ist in der deutschen Welt ohne allen Ver= gleich größer als in der slawischen; zudem besitzen wir im Grund stocke unserer Bevölkerung eine nachhaltige militärische Kraft, mit der sich weder Franzosen noch Russen messen können. Da= rauf beruhen unsere Hoffnungen, so düster auch jetzt der Hori= zont aussehen mag. Die Zehentfrage. (Schluß.) Der Belastete, Zehentholde, der Zinsgeber wäre dem= nach verpflichtet, nach obigem Maßstabe die jährliche Rente zu bezahlen, und genießt dagegen den Vortheil des Zehents, so wie den der ungehinderten Bewirthschaftung seiner Felder. Ich habe aber voraus bemerkt, daß durch die freie Cultur das allgemeine Erträgniß vergrößert das Nationalvermögen gehoben, dadurch die Besteuerungs= fähigkeit vermehrt werde. Der Staat kann diese ver= mehrte Einnahme zu Gunsten der Zehentholden zum Op= fer bringen, oder sie zur Amortisirung der Zehentrenten verwenden. Mein Antrag besteht nur darin, daß der Zehentgeber diese Rente nur 24 Jahre bezah= len, und sodann von dieser Giebigkeit ganz befreit sein solle. Zieht er aber vor, sich jetzt schon frei zu machen, so ist der sechzehnfache Betrag der jährlichen Rente und in den fol= genden Jahren die verhältnißmäßige verrin= gerte Summe als Ablösungsbetrag für ewige Zeiten zu erlegen. Bei diesem Operate ist der Staat als Mittelsperson angenommen. Nun sind aber die jetzigen unglücklichen Credits=Verhältniße nicht geeignet, einen Paristand der Obligationen bei der besprochenen Ablösung anzunehmen, die dießfalls einzuleitenden Verhandlungen vielleicht zu weitläufig oder zu lange hinausgeschoben. Man soll aber das einmal erkannte Gute auch sogleich bethä= thigen, und somit geht mein Vorschlag dahin, daß die Provinz an die Stelle des Staates trette, und sich die allsbaldige Ausgleichung dieser Angelegenheit zur Auf= gabe mache. Zu diesem Behufe müßte eine Landes=Casse geschaffen werden, von welcher die für die Zehent= herren treffenden Ablösungen in Schuldscheinen ausge= geben würden. Solche wären mit 5 % zu verzinsen. Der Zehentherr als Rentier empfängt also seine jähr= liche gesicherte Rente, wird mithin nicht beeinträchtigt. Zur Amortisirung mag ein eigener Fond gebildet werden, was sich erst ausarbeiten läßt, wenn man die genauen Ausweise über den ganzen Betrag der Ablösungssumme kennt, ein Gegenstand, der selbst nach ein= oder mehr= jähriger Gebahrung in Ausführung gebracht werden kann. Für den Zehentholden ist der Vorschlag insoferne günstig, als er erstens eine Zeit bestimmt hat, binnen welcher er von der Last dieser Leistung gänzlich befreit wird, wenn auch dieser Termin eine geraume Anzahl von Jahren in sich schließt. Er hat ferner den Vortheil, daß er die Ablösung nach seinen Geld=Verhältnissen selbst veranlassen kann. Die jetzigen guten Zeitumstände für den Landwirth werden wahrscheinlich viele Baarab= lösungen zur Folge haben, und somit wäre für die Provinz die Aussicht vorhanden, daß in dieser geldarmen Zeit zu sehr günstigen Bedingungen Capitalien herbeige= schafft würden, von welchen die Zinsen für die Zehent= Obligationen nicht nur leicht befriedigt, sondern ein ge= wiß nicht unbedeutender Betrag nutzbringend angelegt werden könnte. — Die Gemeinden sind am besten im Stande, die Zehentrenten von den Pflichtigen einzuholen, sie können dafür verantwortlich gemacht werden. Von den Gemeinden werden sie durch die Commissariate an die Lan= deskasse abgeführt. Denselben Weg machen auch die Ab= lösungs=Anträge. Lange Verhandlungen und Berathungen sind bei uns fast stereotip geworden; trotzdem daß man täglich die Er= fahrungen macht, daß der Zweck durch das Hinausschie= ben sehr viel leidet, bindet man sich doch stets an die Formen mit einer gränzenlosen Beharrlichkeit. Damit der Gegenstand nicht roste unter solchen zöpfischen oder rabu= listischen Vorgehen schlage ich vor: Die Zehentbehe= bung in natura solle von diesem Augenblicke aufhören, derjenige Betrag, welcher aus der vorge= zeigten Berechnungsart oder einer zweckmäßigeren hervor= gehen wird, solle erst nach der Einigung der Partheien über diesen Gegenstand berichtigt werden. Es wäre dieß ein moralischer Zwang zur Beschleunigung, so wie man ihn im Conclave bey der Papstwahl anwendet. Dieß sind die Grundzüge einer Ablösungsweise der Zehente. Ich habe darüber mehrere günstige Beurtheilun= gen erfahren, sowohl von Männern, welche diesen Ge= genstand zu lösen zu ihrer Aufgabe gemacht haben, als auch von Betheiligten und Unbetheiligten und ward da= durch zur Veröffentlichung veranlaßt. Selbst Zehentbe= sitzer und Zehentgeber, ersteres in größerem Verhältniße, aber immer noch zu unbedeutend, als daß man mir nicht sagen sollte; ja der verliert nichts, die Zehente können nicht eingehen! — erwarte ich manche Ent= gegnungen. Solche Ausrufungen sind keine Antworten. Sollte aber diese meine Schrift bessere Vorschläge, richti= gere Auffassungen von anderen Seiten hervorrufen und solche zur Kenntniß Aller bringen, so werden alle möglichen Verdächtigungen nicht die Freude aufwägen, die ich dar= über empfände, etwas Gutes erzweckt zu haben. Neumarkt, den 26. April 1848. Anton Wurmb. Verantwortlicher Redaetur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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