Zwanglose Blätter, Nr. 24, vom 8. Juni 1848

Zwanglose Blätter für Oberösterreich. Nro. 24. Steyr am 8. Juni 1848. Stieglitz ein Philister Was habt ihr denn? So schweigt doch still! Und laßt so fruh am Morgen, Wenn unsereins noch schlafen will Den lieben Herrgott sorgen Waldmärchen von Rollet. Die Stimmen der Nationen! Ueber den stürmenden Wogen der Begebenheiten, die sich in wilder, planloser Hast überstürzten und die Welt in einen Zustand gebracht haben, wo die Vergangenheit nutz= los und die Zukunft unberechenbar erscheint, in einen Zu= stand, in dem sich nichts natürlich entwickelt als das wach= sende Korn auf dem Felde und die grüne Frucht an den verblühten Bäumen, erschallen wie grollende Donner die Stimmen der Nationen. — ——— Heut ist Simon und Juda Da rast der See und will sein Opfer haben. Verlangende Arme breitet das Slaventhum von der Weichsel bis in die Thäler der Drau, der Save und der Culpa aus, und hinter ihm bereitet sich zu einer noch weit um= fassenderen Umarmung der Czaar in seinem Marmorschlosse an der Newa vor, aber er kann mit dem Ordnen seiner Macht an kein befriedigendes Ende gelangen. Denn wem er Nachts Regimenter und Brigaden denkt und all die statt= lichen Uniformen an seinem Herzen vorübermarschiren, kommt ganz hinten ein Mann ohne Schritt und Haltung nachge= keucht. Der hüllt sich und seine breite Art in einen rothen Mantel und wenn der Czaar ihn fragt: „Bei welchem Corps dienst du als Zimmermann?“ erwiedert der Unlieb= same: „Ich bin keineswegs ein Zimmermann, ich diene dem Volkswillen und bin jetzt nach Neapel kommandirt!“ Die Stimme der Slaven ist klar und bestimmt. In Böhmen widersetzt sie sich dem Anschlusse an das deutsche Reich, obwohl dieses Land seine Religion, seine Wissen= schaften, seine Sitten ganz allein dem deutschen Bildungs= elemente verdankt. Der Slavismus ringt nach der Bil= dung von Reichen, die ganz von Slaven bevölkert, oder in denen das deutsche Element ganz vom Slavischen erdrückt und beherrscht ist. Darum bildet sich in Prag eine prov. Regierung gegenüber dem Kaiser, gegenüber dem von ihm ernannten Ministerium in Wien, darum künden Slavonien, Kroatien, Dalmatien und das Banat, deren Bewohner noch übermüthiger oder doch weniger verschlagener als die Cze= chen in Böhmen sind, dem Kaiser den Gehorsam auf, wol= len ein südslavisches Königreich bilden mit dem Freihafen Fiume und seiner Zeit auch Triest. In Polen ruft die slavische Stimme: „Tod den Deutschen“ jenem Deutschen, der den Polen lehrte seine Acker pflügen, seine Häuser bau= en, aus der Pfütze der Schweine sich erheben und reinli= cheren Fusses die Schwelle menschlicher Wohnungen betre= ten — Tod jenem Deutschen, der zuerst den Schild des Rechtes zwischen das Haupt des Bauers und die übermü= thige Knute des Edelmannes hielt. Wir wissen wohl, daß die Masse des Volkes zu solch undankbaren, selbstschädli= chen Beginnen begeistert wurde durch das Geld und die glacirten Schmeichelworte einer uralt=unverbesserlichen Ari= stokratie, die nach erfochtenem Siege, umgeben von dem Nimbus der Vaterlandsretter, reichliche Interessen der auf= geopferten Kapitalien von dem ermüdeten Volke einzuhe= ben hofft. Wofür sich aber ein Volk, sei es aus was im= mer für einem Grunde begeistern läßt, dafür muß es auch einstehen, bis es nicht durch entschiedene übermächtige Schritte gegen seine Verführer seine Gesammtheit, oder wenigstens seine überwiegende Mehrzahl von den Vorwürfen gemein= samer Sache mit jenen vollständig gereiniget hat. Die Stimme der Italienischen Nation ruft: „Tod den Deutschen.“ Sie schickt Kreuzschaaren gegen unsere Heere, wie gegen Heiden, sie schlachtet unsere Kranken, Greise und Kinder, sie bedroht unsere Häfen, raubt un= sere Schiffe. An Eroberungen diesseits der Alpen denkt der heutige Italiener freilich nicht mehr. Er handelt auch klü= ger, wenn er trachtet die Freiheit in seinem Vaterlande zu erhalten, denn die Pläne Carlo Albertos sind der Freiheit des Volkes feindlich, wie das Blut in seinen königlichen Adern, das Blut von Savoven Carigenen, von dem die Geschichte aus den jüngsten Tagen ein Zeugniß aufzube= wahren hat. Aber mit dem Blutdurst einer Hyäne wüthet Ferdinand II in Neapel gegen sein Volk, dem er mit der Miene milder Großmuth eine freisinnige Constitution ver= lieh. Wer von uns erinnert sich nicht mit Vergnügen an die Tage der neapolitanischen Freiheit, deren Licht uns in drückenden Wintertagen so sanft erfreute. Jenes königl. Händedrücken, Beloben des Volkes, Versichern des schön= sten Bewußtseins! Diesem liberalen Rausche folgte freilich bald ein absoluter Katzenjammer. Zu Castellamare saß der falsche Bourbon und weinte um seinen gelähmten Muth, um die Kraft seiner blutdürstigen Hände. Als die Volks=

vertretende Kammer saß und von ihren Rechten Gebrauch zu machen sich anschickte, da warf er — im verderblichsten Rausche seines Lebens — fremde Söldlinge und die gesin= nungslose Hefe des Volkes auf seine Bürger, die auf dem Pflaster der prachtvollen Toledostrasse verbluteten. Aber mit ihnen verblutete nicht Italiens Freiheit. Romeo zieht heran mit seinen Calabresen, die Federn der den Fürsten so verhaßten Calabresenhüte schwanken bald unter den Fen= stern des Königs von Neapel und es kann eine Stunde kommen, wo der falsche Bourbon mit Freude einen Calab= resen auf seinen Kopf drückte — wenn er — noch einer hätte. Die Dänen rufen „Tod dem deutschen Handel an der Küste der Ostsee“ und Rußland, England und Schweden unterstützen das Kabinet von Kopenhagen mit Ränken, Protesten und Drohungen, und so sind die siegreichen Schlachten des General Wrangel in Schleswig fruchtlos geschlagen. Was das deutsche Schwert errang, das hat die Feder der vereinten russischen Kabinete wieder aufgege= ben, ein schmachvoller Waffenstillstand heißt unsere deutschen Truppen mit leeren Händen über die Schlei zurückkehren Die Siege der Preußen gefielen nicht ihrem filoso= fischen Könige der in den von den gelben Fluten der Ha= vel umrauschten Einsamkeiten seinen Potsdamischen Para= diese ausgeklügelt haben mag, daß der kaiserliche Hr. Schwa= ger in Petersburg doch ein mächtiger Freund sei im Falle der Noth gegen das impertinente Volk „die lieben Ber= liner.“ Die Engländer schreien „Wer kauft unsere Schnupf= tücher und anderen Waaren“ Sie haben nicht Zeit, unge= achtet der alten treuen Bundesgenossenschaft Oesterreichs, mit all ihren Schiffen die reich bemannt und bewaffnet im adriatischen Meere segeln, es zu verhindern, daß neapolita= nische Truppen in Venedig landen und die neapolitanisch= sardinische Flotte auf der Rhede der deutschen Hafenstadt Triest erscheint. Die Franzosen wollen brüderlichen Bund mit Deutsch= land, zugleich aber Befreiung Italiens und Wiederherstel= lung Polens. Können diese zwei letzten Punkte den deut= chen Reichen Preußen und Oesterreich wie brüderliche Zu= muthungen erscheinen? So steht es um die deutsche Nation! Und wie läßt sie ihre Stimme vernehmen? — Sie kann das rechte Wort nicht finden und ihren Rednern verwehrt oder verleidet sie die Rednerbühne. Unsere Zeit. Italien. In Neapel war für einige Zeit Ruhe eingetreten. Der Abfall Siciliens, der Ernst des Kampfes in der Lom= bardei und die nicht erwartete Lauheit in den Provinzen, welche keine Freunde der Republik zu sein scheinen, hatten etwas abkühlend auf die neapolitanische Revolutionslust eingewirkt; — es war Ruhe eingetreten; — und Ferdi= nand II. saß einsam in seinem großen Schloße am Meere schwer im Arm den Kopf, denkend über sein Schicksal, Zähne knirrschend über die vielen Demüthigungen, welche er erfahren mußte. Hunderte von Feuerschlünden der Stadt zugekehrt, Tausende von Bajonneten, das Heer, die treuen Schweizer, die englischen Kriegsschiffe im Hafen gaben dem Könige beider Sicilien Schutz gegen sein Volk, — aber alles dieses gab ihm nicht die Liebe des Volkes, schützte ihn nicht vor Demüthigungen; . . . . ohne Flinten, ohne Schwerter drängten sich die Menschenmassen vor das Schloß; es rebellirte nicht mit Waffen, es begehrte mit der friedli= chen demokratischen Cigarre im Munde: der König soll es empfangen, solle es hören, solle antworten, — und wenn dann der König erschien und hörte, — was verlangte dann das Volk? Heute dieß, morgen jenes — andere Mi= nister, — keine Pairskammer, — Kriegserklärung gegen Oesterreich — Absendung von Freiwilligen nach der Lom= bardei, — gleich wieder Nichtabsendung der Freiwilligen ondern Absendung der disciplinirten Truppen, —— und der König gewährte Alles, oder fast Alles; . . . . so war für den Augenblik Ruhe in Neapel, der Vesuv stille geworden, — aber die Lava glühte unter der seichten Schichte Asche fort und schwere Gewitterwolken hielten den Kegel umlagert. Es mußte wieder bald zum Ausbruch kommen, und es kam dazu, am 15. Mai, . . . . an dem Tage der Bewegungen zu Wien, Paris, Frankfurt, Krakau . . . . . doch der Barrikadenkrieg zu Neapel hatte einen verschiede= nen Erfolg mit denen von hier und dort, zum Nachtheil der italienischen Nationalsache; diese hat durch den Sieg der königlichen Truppen — einen empfindlichen Schlag erhalten. Truppen — ja noch mehr, fremde Söld= linge haben die Bürgerwehr der drittgrößten Stadt Euro= pas besiegt, dieß ist eine fürchterliche Schlappe, dem Na= tionalgefühl beigebracht. Die Folgen werden auf das Haupt dessen zurückfallen, für dessen Sicherheit die Truppen und Schweizersöldlinge gefochten haben, — ja, er geht noch weiter, um auch ferner sicher zu sein, er ruft sämmtliche Trup= pen aus der Lombardei zurück. Aber es wird ihm nichts nützen. Tod diesem Ferdinand! so schallt es durch ganz Italien, — er hat die dreifarbige Fahne Italiens herun= tergerissen und die weiße bourbonische aufpflanzen lassen, — er ruft die Truppen gegen sein Volk zu Hilfe, . . . . mit allem diesen bereitet er um so schneller das Gericht, das ihn ereilen muß. Es war, wie gesagt Ruhe in Neapel eingetreten, — es war aber nur eine scheinbare, und mit dieser die Neapo= litaner nicht zufrieden, so lange nicht, als Ferdinand noch seine Truppen, seine Schweizer und Deutschen um sich hatte, — es mußte zu einem sicheren Ende kommen. Man ver= langte die Pairs=Kammer von der Constitution getrennt, — man forderte die Entfernung der Fremden, — die Ab= sendung der Truppen, . . . . man glaubte dieß von den Barrikaden herab fordern zu können; — aber Ferdinand ließ diese stürmen und demoliren, — seine Truppen siegten, die Bewohner von Neapel unterlagen, doch nicht das Volk seines weiten Reiches . . . . Schaaren von Calabresen, Sicilianern, die Bewohner aller Provinzen ziehen heran, um ihn vom Thron zu stoßen, — die Neapolitaner werden

nicht die Republik proklamiren, aber daß ein Piemontese daran andere Hoffnungen für eine andere Einheit Italiens knüpft, ist begreiflich. Was nützt es nun Ferdinand, die Neapolitaner durch seine Truppen, durch fremde Söldlinge überwunden zu ha= ben? hat er sich dadurch die Liebe des Volkes errungen? hat er sich dadurch den Thron gesichert? — — — — Fragen, die sich von selbst beantworten, — Fragen, die dem Könige beider Sicilien nicht allein gelten. F. W. A. Zur Geschichte des Tages. Die Allgemeine österreichische Zeitung schreibt: Eine uns zugekommene Privatnachricht aus Frankfurt vom 28. Mai d. J. meldet uns Folgendes: Aus ganz guter Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß Montecucoli, der Regierungs=Präsident, an der Spitze der Cama= rilla steht, die den Hof entführt und den ganzen Plan schon lange vorbereitet hatte. Lazansky u. s. f. sind Genossen Aus anderer guter Quelle wird uns mitgetheilt, daß sehr thätige, vielleicht die thätigsten Mitglieder der Camarilla Frau= en waren, Frauen, die vor Andern berufen gewesen wären, jede Störung der Ruhe und des Glückes der Völker, die dem Scep= ter Oesterreichs gehorchen, zu vermeiden; Frauen, die in den Märztagen die Lehre sich hätten merken sollen, daß das Volk mit einem immergleichen Lächeln, mit einem holdseligen Theater= besuch zu wohlthätigen Zwecken, mit der Errichtung und Pro= tegirung einer Kleinkinderbewahranstalt nicht alle seine so= cialen Bedürfnisse gedeckt findet! Erzherzog Ludwig und Graf Kolowrat befinden sich — von allen Staatsgeschäften entfernt. — in Ischl. Das Cillier Wochenblatt, das allen billigen Anforderun= gen eines Provinzialblattes entspricht, bringt nachstehende Erzäh= lung, die einen Aufschluß darüber liefert, unter welchem Zeichen die Slaven siegen wollen. Unsrere ersten warnenden Worte gegen die Uebergriffe des Slavismus haben von mehreren Seiten die selben Verdächtigungen erfahren, als damals unser Drängen nach einem aufrichtigen Auschluß an Deutschland. Die Geschichte, die seither wie die Weitzenhalme auf unseren Feldern täglich sichtbar wächst, hat uns gerechtfertigt. Sie wird noch ferner unsere Richterin sein Die erwähnte Erzählung lautet so: Die den Völkern Oe= sterreichs Heil und Segen bringende Constitution hätte durch falsche und böswillige Auslegung bald die schönen Gauen des Cillier Kreises in ein unabsehbares Unglück gebracht. Der Um= stand, daß in Croatien bereits die Roboth und andere sonstige Leistungen der Unterthanen gegen die Grundherrn gänzlich auf= gehoben sind, während die Art der Entschädigung auf steierischer Seite noch in Frage schwebt, hat bei den Gränzbewohnern eine Unruhe herbeigeführt, welche durch Aufreizungen und Aufmun= terungen sich immer mehr gesteigert harte. Diesen aufgeregten Gemüthszustand hat der kroatische Stuhlrichter Bonamißa be= nützt, indem er bei einer Volksversammlung der anwesenden steie= rischen Unterthanen das Versprechen gab, die Vereinigung der an Kroatien gränzenden Kreise Steiermarks, in welchen die sla= vische Sprache gesprochen wird, mit dem Königreiche Kroatien zu bewirken, wornach dieselben von allen (?) direkten und indi= rekten Abgaben befreit, sich der vollkommenen Freiheit erfreuen würden! Auf diesen Aufruf sind Emissäre in die angränzenden polit. Bezirke Steiermarks abgesendet worden, welche die Unter= thanen zum Beitritte aufforderten. Die Sache war soweit ge= diehen, daß eine große Volksversammlung vorbereitet war, welche am 22. d. M. in dem kroatischen Gränzdorfe Berdovetz hätte Statt finden sollen. Unter Bonamißas Anführung hätte die Volksmenge die Zwischenzollinie durchbrechen, die bei Dobova aufgestellte Zollschranke sammt dem Gefällen=Amts=Gebäude nach Vertreibung der Beamten zerstören, und in der Kirche des Dor= fes Dobova eine Fahnenweihe feiern sollen, wornach dann der Zug weiter in das Land fortgesetzt worden wäre. Daß es bei einer so regellosen Demonstration nicht ohne Excesse abgelaufen wäre, ist leicht begreiflich, und wer kann das Ende eines solchen Volksaufsiandes ohne Schander absehen? Doch die Wohlgesinn= ten haben dieses verbrecherische Vorhaben rechtzeitig angezeigt, und es hat sich zur Abwehrung desselben am 22. d. M. bei Do= bowa eine Truppe von 120 Mann Finanzwache, und 60 Sol= daten eingefunden, welche unter Anführung des Oberkommissärs Höpler glücklich die Rebellen verscheucht hat. Daß dieses ver= brecherische Vorhaben schon weit verbreitet war, geht aus dem Umstande hervor, daß an dem bezeichneten Tage ohngeachtet des in Strömen fließenden Regens, das Landvolk aus den Bezirken Rann, Reichenberg, Lichtenwald, Pischätz, Hörberg, Wisell und sogar Drachenburg herbeigekommen war, und es wäre sicherlich viel Blut gefloßen, wenn der Versuch zu diesem Attentate wirk= lich gelungen wäre. Briefwechsel. Wien, am 2. Juni 1848 Gestern begab ich mich in den Sicherheits=Ausschuß, des sen Mitglieder aus sämmtlichen Compagnien der akad. Legion, der Bürger= und National=Garde ihre Sitzungen im Musikver= ein=Saale hatten, wo auf die Gallerien der Eintritt Jedermann gestattet ist. Dort erfuhr ich mit Bestimmtheit, daß die Pra= ger in Anbetracht unseres ohnmächtigen Ministeriums eine prov. Regierung (unter den Mitgliedern Palatzki) konstituirt und zwei Deputirte an den Kaiser nach Innsbruck um die Bestätigung ihrer Regierungsmitglieder abgeschickt hätten. Ein Antrag des Ministeriums die Untersuchung jener Inkulpirten, welche den 26. Mai mit seinen Schrecken hervorriefen niederzuschlagen und zu amnestiren, wurde nach vielen pro= und contra Reden bis Abends vertagt. In der Sammlung Abends wurde nun beschlossen, daß die Untersuchung fortgepflogen werde, daß die Angeklagten jedoch vor ihren gesetzmäßigen Richter*) gestellt, die Untersuchung aber öffentlich und mündlich abgeführt werden solle. Früher schon wurde Graf Hoyos als unschuldig erklärt, und seit heute wurde aus der Wohnung Hoyos die Wache abgezogen, weil er sein Ehrenwort sich jeder Zeit zu stellen gegeben hat. Gf. Bräu= ner, Baron Pereira (auch einer der Angeklagten) und Prof. Endlicher sind flüchtig. Drei Bauern aus Ried sind hieher gereist um sich von den Zustand unserer Stadt zu überzeugen. Er wird von Geistli= chen und Aristokraten im ganzen Innviertel als ein gräulicher den Umsturz aller gesetzmäßigen Ordnung bedrohender, kurzweg *) welcher für solche Fälle der Reichstag sein muß.

als ein höchst rebellischer bezeichnet, hier schwimme Alles im Blute, und es sei daher nöthig, daß sie in Masse aufstehen und mit dem Militär vereint, gegen uns operiren. Sie sagten aus daß sie 2, einen Grafen und einen Baron festgenommen, weil sie durch ihre übertriebenen und aufhetzenden Reden bei ihner Verdacht erregt, und daß sie sich gleich gedacht hätten, man wolle uns die Errungenschaften von März schmälern. Sie fanden sich durch das, was sie sahen, vollkommen beruhigt Die Brüner Nationalgarde hat eine zahlreiche Deputation hieher geschickt um uns für unser Verhalten am 26. Mai zu danken. Obwohl die Ferien eingetreten sind, so bleiben die fremden Studenten doch hier und die Mittellosen werden von den hiesi= gen Bürgern verpflegt. Daß wir zwei Batterien vom Ministerium erhielten, dürfte wohl bekannt sein. Gegen Somaruga, welcher als Deputirter nach Frankfurt von Eger aus gewählt wurde, legt die hiesige Nationalgarde Protest ein und wird unter Einem seine Abberufung von Frank= furt verlangt, weil ein solcher als kein würdiger Vertreter der deutschen Nation angesehen werden könne, welcher die Wiener National=Garde (laut Wiener Zeitung vom —) mit Ausnahme des Stuben= und Kärntnerviertels, des Hochverraths beschuldigt. Wien, 3. Juni 1848 Laut gesiriger Wiener Zeitung war für heute eine Wer= bung auf den Glacis angesagt, zu diesem Zwecke wurden statt den üblichen Werbezelten auf der Josefstädter= und Wasser=Gla= cis hölzerne Hütten erbaut, nach derer Vollendung die Werbung ungefähr um 10 Uhr Vormittags ihren Anfang nehmen sollte. Die Werber fanden sich ein, allein das Volk widersetzte sich und sagte jenen Männern, daß sich überhaupt Keiner fruher an= werben lassen durfe, bevor das Militär auf die Konstitution be= eidet sei. — Die Werber zogen nach solchen Demonsirationen ganz friedlich ab. Von diesem Vornehmen des Volkes war die Regierung unterrichtet, denn die National=Garden waren auf Pannasch's Befehl in ihren Bezirken unter den Waffen versammelt, allein als die Nachricht in die Bezirke kam, war Alles schon abgethan und das Volk ist nun wieder ganz ruhig. Bei der vor 3 Monathe an Privaten unternommenen Wer= bung, war der Andrang zu derselben so stark, daß vielleicht un= sere Stadt 4 komplette Regimenter hätte ins Feld schicken kön= nen, allein es fehlte damals (vielleicht auch jetzt noch) an Mon= tur und Armatur, so daß der Werbung auf Befehl des dama= ligen Hofkriegsrathes Einhalt gethan werden mußte. Wie haben sich seitdem die Ansichten bei demselben Volke geändert? Gefällt es sich in seiner Stärke? — Ich sage die Ursache liegt darinn, daß damals als plötzlich aller Verkehr stockte, gar keine Aussicht für den nothdürftigsten Unterhalt vorhanden war, während jetzt Jeder, der nur eine Schaufel in die Hand nehmen kann, sich 24 Kr. C. M. täglich zu verdienen gewiß ist. Jetzt ist er ein frei= er Mensch, als Soldat ist er ein Sklave. Mitfolgend ein Beleg hiezu, der auch Manches beweist, was jenen unlieb zu vernehmen ist, die den Soldaten so gerne zum willenlosen Werk= zeuge ihre Freiheitsfeindlichen Pläne machten. Die Grenadiere vom Getreidemarkt, oder Feierli= cher Protest gegen die Stockprügel. In der Getreidemarktkaserne sollten am 30. Mai zwei Grenadiere des dort wohnenden italienischen Grenadier=Batail= lons mit dem Stocke abgestraft werden. Mehrere Korporale, tiefinnerst empört gegen diese alle Menschenwürde widerstrebende Strafart, weigerten sich ihre Hände fortan durch Berührung des einmal abgelegten Stockes zu entehren. In Folge dessen ent= stand eine Gährung unter den Soldaten, die die Entwaffnung des ganzen Bataillons herbeiführte. Wir wenden uns hiemit an den gesunden Sinn der Ge= sammtbevölkerung Wiens, und fordern sie auf, im Namen der Soldatenehre, der Menschenwurde, der Freiheit eines jeden Staats= bürgers gegen die fortane Anwendung der Stock= prügel in der Armee ihren feierlichen Protest einzulegen. Thäten wir es, die wir dem Heere angehören, man würde es Meuterei nennen; thut Ihr es für uns, edle Kämpfer der Frei= heit, so kann die Aufhebung dieses ehrlosesten aller Mittel, das nicht einmal geeignet ist, die Disciplin aufrecht zu erhalten, nicht ausbleiben. O Ihr wißt es nicht, wie demüthigend, wie vernichtend diese Strafe für den Mann isi, der sein Blut und Leben jede Stunde fur Euch und den Kaiser hinzuströmen bereit ist. Es bleiben dem Gestraften nur zwei Wege. Er so wie seine Kame= raden, müssen sich alles Ehrgefühls entkleiden, wenn sie noch miteinander leben wollen, oder der Gestrafte muß ein doppelter Lump werden. Es gibt keinen dritten Ausweg! Die Archive der Erfahrung strotzen von Beweisen. Also! Edle Kämpfer der Freiheit! Studenten! Nationalgarden! Bürger! Euren augenblicklichen Pro= test gegen die fernere Anwendung der Stocksirafe; sonst müßt Ihr Euch schämen, den Soldaten, über dem der Stock schwebt, Euren Staatsmitbürger zu nennen, und der Soldat im Gefühle der eigenen Entwürdigung muß sich einen Heloten füh= len, und nicht einen Kämpfer eines freien, großen, gewaltigen Oesterreichs! Wir werden den Tag mit Jubel begrußen, an dem wir unserm Mitbürger die Erlösung von der unmenschlichsten aller Strafen verdanken. — Oder wollt Ihr es noch länger dulden, daß man uns, Eure Söhne, Eure Bruder, unvernünftigen Thieren gleich, mit Stöcken, Kindern gleich mit Ruthen behandle? Der Stock ist fort, aber die Prügel sind noch da! Macht auch die Prügel schwinden, und die Armee feiert mit Euch einen Bruderbund, der trotzen wird allen Stürmen der Reaktion, dessen Losungswort bleiben wird: Hoch die Consti= tution mit ihrem Monarchen! Hoch das Volk mit sei= ner Freiheit! Aus der Armee. Wien am 5. Juni 1848 Bei uns ist alles ruhig und was gestern wegen dem Kai= ser berichtet wurde, scheint ganz grundlos weil wir sonst schon of= sizielle Nachrichten haben müßten*). Aus guter Quelle kann ich mittheilen, daß in Prag **) alle Kotton=Fabriken gesperrt und vom Militär bewacht sind. Die Ursache liegt darin, daß die Druckergesellen die Erzeugung mittelst Maschinen, außer einfärbigen Rollomustern verhindern wollen, die Fabriksbesitzer aber auf Handdruckwaare keinen Ab= satz erzielen können und daher lieber feiern als ihr Geld an der fertigen Waare verlieren wollen. Beim Sicherheits=Ausschuß kam heute weiter nichts Er= hebliches vor, als eine Deputation von vier Bauern aus Oberösterreich, welche das Einverständniß ihrer Komitenten mit unseren Errungenschaf= ten von 15. Mai überbrachte. *) Es hieß nämlich, der Kaiser habe zu Gunsten des Erzherzog Franz Josef ab= gedankt. **) Welches nach anderen Berichten in Belagerungsstand erklärt sein soll. Mit einem Ergänzungsblatt Nr. 9. Veranwvortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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