Zwanglose Blätter, Nr. 24, vom 8. Juni 1848

als ein höchst rebellischer bezeichnet, hier schwimme Alles im Blute, und es sei daher nöthig, daß sie in Masse aufstehen und mit dem Militär vereint, gegen uns operiren. Sie sagten aus daß sie 2, einen Grafen und einen Baron festgenommen, weil sie durch ihre übertriebenen und aufhetzenden Reden bei ihner Verdacht erregt, und daß sie sich gleich gedacht hätten, man wolle uns die Errungenschaften von März schmälern. Sie fanden sich durch das, was sie sahen, vollkommen beruhigt Die Brüner Nationalgarde hat eine zahlreiche Deputation hieher geschickt um uns für unser Verhalten am 26. Mai zu danken. Obwohl die Ferien eingetreten sind, so bleiben die fremden Studenten doch hier und die Mittellosen werden von den hiesi= gen Bürgern verpflegt. Daß wir zwei Batterien vom Ministerium erhielten, dürfte wohl bekannt sein. Gegen Somaruga, welcher als Deputirter nach Frankfurt von Eger aus gewählt wurde, legt die hiesige Nationalgarde Protest ein und wird unter Einem seine Abberufung von Frank= furt verlangt, weil ein solcher als kein würdiger Vertreter der deutschen Nation angesehen werden könne, welcher die Wiener National=Garde (laut Wiener Zeitung vom —) mit Ausnahme des Stuben= und Kärntnerviertels, des Hochverraths beschuldigt. Wien, 3. Juni 1848 Laut gesiriger Wiener Zeitung war für heute eine Wer= bung auf den Glacis angesagt, zu diesem Zwecke wurden statt den üblichen Werbezelten auf der Josefstädter= und Wasser=Gla= cis hölzerne Hütten erbaut, nach derer Vollendung die Werbung ungefähr um 10 Uhr Vormittags ihren Anfang nehmen sollte. Die Werber fanden sich ein, allein das Volk widersetzte sich und sagte jenen Männern, daß sich überhaupt Keiner fruher an= werben lassen durfe, bevor das Militär auf die Konstitution be= eidet sei. — Die Werber zogen nach solchen Demonsirationen ganz friedlich ab. Von diesem Vornehmen des Volkes war die Regierung unterrichtet, denn die National=Garden waren auf Pannasch's Befehl in ihren Bezirken unter den Waffen versammelt, allein als die Nachricht in die Bezirke kam, war Alles schon abgethan und das Volk ist nun wieder ganz ruhig. Bei der vor 3 Monathe an Privaten unternommenen Wer= bung, war der Andrang zu derselben so stark, daß vielleicht un= sere Stadt 4 komplette Regimenter hätte ins Feld schicken kön= nen, allein es fehlte damals (vielleicht auch jetzt noch) an Mon= tur und Armatur, so daß der Werbung auf Befehl des dama= ligen Hofkriegsrathes Einhalt gethan werden mußte. Wie haben sich seitdem die Ansichten bei demselben Volke geändert? Gefällt es sich in seiner Stärke? — Ich sage die Ursache liegt darinn, daß damals als plötzlich aller Verkehr stockte, gar keine Aussicht für den nothdürftigsten Unterhalt vorhanden war, während jetzt Jeder, der nur eine Schaufel in die Hand nehmen kann, sich 24 Kr. C. M. täglich zu verdienen gewiß ist. Jetzt ist er ein frei= er Mensch, als Soldat ist er ein Sklave. Mitfolgend ein Beleg hiezu, der auch Manches beweist, was jenen unlieb zu vernehmen ist, die den Soldaten so gerne zum willenlosen Werk= zeuge ihre Freiheitsfeindlichen Pläne machten. Die Grenadiere vom Getreidemarkt, oder Feierli= cher Protest gegen die Stockprügel. In der Getreidemarktkaserne sollten am 30. Mai zwei Grenadiere des dort wohnenden italienischen Grenadier=Batail= lons mit dem Stocke abgestraft werden. Mehrere Korporale, tiefinnerst empört gegen diese alle Menschenwürde widerstrebende Strafart, weigerten sich ihre Hände fortan durch Berührung des einmal abgelegten Stockes zu entehren. In Folge dessen ent= stand eine Gährung unter den Soldaten, die die Entwaffnung des ganzen Bataillons herbeiführte. Wir wenden uns hiemit an den gesunden Sinn der Ge= sammtbevölkerung Wiens, und fordern sie auf, im Namen der Soldatenehre, der Menschenwurde, der Freiheit eines jeden Staats= bürgers gegen die fortane Anwendung der Stock= prügel in der Armee ihren feierlichen Protest einzulegen. Thäten wir es, die wir dem Heere angehören, man würde es Meuterei nennen; thut Ihr es für uns, edle Kämpfer der Frei= heit, so kann die Aufhebung dieses ehrlosesten aller Mittel, das nicht einmal geeignet ist, die Disciplin aufrecht zu erhalten, nicht ausbleiben. O Ihr wißt es nicht, wie demüthigend, wie vernichtend diese Strafe für den Mann isi, der sein Blut und Leben jede Stunde fur Euch und den Kaiser hinzuströmen bereit ist. Es bleiben dem Gestraften nur zwei Wege. Er so wie seine Kame= raden, müssen sich alles Ehrgefühls entkleiden, wenn sie noch miteinander leben wollen, oder der Gestrafte muß ein doppelter Lump werden. Es gibt keinen dritten Ausweg! Die Archive der Erfahrung strotzen von Beweisen. Also! Edle Kämpfer der Freiheit! Studenten! Nationalgarden! Bürger! Euren augenblicklichen Pro= test gegen die fernere Anwendung der Stocksirafe; sonst müßt Ihr Euch schämen, den Soldaten, über dem der Stock schwebt, Euren Staatsmitbürger zu nennen, und der Soldat im Gefühle der eigenen Entwürdigung muß sich einen Heloten füh= len, und nicht einen Kämpfer eines freien, großen, gewaltigen Oesterreichs! Wir werden den Tag mit Jubel begrußen, an dem wir unserm Mitbürger die Erlösung von der unmenschlichsten aller Strafen verdanken. — Oder wollt Ihr es noch länger dulden, daß man uns, Eure Söhne, Eure Bruder, unvernünftigen Thieren gleich, mit Stöcken, Kindern gleich mit Ruthen behandle? Der Stock ist fort, aber die Prügel sind noch da! Macht auch die Prügel schwinden, und die Armee feiert mit Euch einen Bruderbund, der trotzen wird allen Stürmen der Reaktion, dessen Losungswort bleiben wird: Hoch die Consti= tution mit ihrem Monarchen! Hoch das Volk mit sei= ner Freiheit! Aus der Armee. Wien am 5. Juni 1848 Bei uns ist alles ruhig und was gestern wegen dem Kai= ser berichtet wurde, scheint ganz grundlos weil wir sonst schon of= sizielle Nachrichten haben müßten*). Aus guter Quelle kann ich mittheilen, daß in Prag **) alle Kotton=Fabriken gesperrt und vom Militär bewacht sind. Die Ursache liegt darin, daß die Druckergesellen die Erzeugung mittelst Maschinen, außer einfärbigen Rollomustern verhindern wollen, die Fabriksbesitzer aber auf Handdruckwaare keinen Ab= satz erzielen können und daher lieber feiern als ihr Geld an der fertigen Waare verlieren wollen. Beim Sicherheits=Ausschuß kam heute weiter nichts Er= hebliches vor, als eine Deputation von vier Bauern aus Oberösterreich, welche das Einverständniß ihrer Komitenten mit unseren Errungenschaf= ten von 15. Mai überbrachte. *) Es hieß nämlich, der Kaiser habe zu Gunsten des Erzherzog Franz Josef ab= gedankt. **) Welches nach anderen Berichten in Belagerungsstand erklärt sein soll. Mit einem Ergänzungsblatt Nr. 9. Veranwvortlicher Redacteur Alex. Jul. Schindler; Mitredacteur F. W. Arming. Druck und Verlag von Sandböck und Haas in Steyr.

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