Zwanglose Blätter, Nr. 22, vom 1. Juni 1848

etwa jene Arbeiter, die die verrätherische Entwaffnung der jungen, wenn auch hie und da überbrausende Freiheits= wächter nicht zugaben, die der Bestechungen des längst be= kannten Pf. Wiesinger kein Gehör schenkten, die in der Bar= rikadenwoche Wiens das Eigenthum so heilig und Hände und Gewissen so rein und unblutig hielten, der roheste Theil der Bevölkerung Wiens sein sollten? O Stände und Bürgerausschuß zu Linz, legt eure dicken Zöpfe auf den Block — denn da, wie der übrige Inhalt eurer Adresse es weist, eure Freiheitsliebenden Herzen auf der rechten Stelle sitzen, so ist ein Zopf an eurem Nacken gewiß nicht an seinem rechtem Platze. Nun nehmt zum Schlusse unsern Dank für das viele Wahre und Gute was in eurer Adresse enthalten ist. Möge es der Kaiser beherzigen, möge es ihn veranlassen eine unverantwortlichen Rathgeber auf immer aus seiner Nähe zu entfernen. Dann wird das alte Vertrauen wieder kehren in alle gekränkten und irre gewordenen Herzen. So hoch steht keiner auf Erden, daß er nicht der Liebe und des Vertrauens seiner Mit= menschen bedürfte. Jedenfalls müssen wir euch zum Ruhme den Wunsch aussprechen, daß das Manifest aus Innsbruk an die Völker des Kaiserstaates wenigstens mit derselben Gesinnung und derselben Umsicht verfaßt worder wäre, wie euer Manifest. Neuestes aus Wien. Wir theilen hier die an uns gerichteten neuesten Briefe aus Wien mit. Betrachtungen über diese Ereignisse bieten wir in den nächsten Blättern (Wien am 27. Mai 1848. Auf der Wache bei der Favoriten Linie.) Kaum ist eine große Bewegung vorüber, so folgt schon eine zweite nach und das Ende ist nicht erseh=, der Ausgang unberechenbar. Gebe Gott, daß dieser große Rummel der letzte sei. Leider war an diesem wieder die Regierung Schuld und wir alle müssen diesen Miß= griff büßen. Ein Mauer=Anschlag von gestern unterzeichnet von Grafen Montecouculi, die Auflösung der akademischen Le= gion betreffende, bewirkte, daß Bürger= und Nationalgarde sich sogleich mit der akademischen Legion vereinigte. Ich muß jedoch vorausschicken, daß die Garden erst ausrückten, weil alles Militär bereits die Stadtthore besetzt hielt und auf der Gla= cis mit Kanonen, Kavallerie ec. aufgestellt war. Bald darauf wurden die Stadtthore gesperrt das Rothen=Thurm Thor aber augenblicklich vom Volk ge= sprengt. Zugleich als dies vorging, wurden mittelst Ki= sten, Fässer und Wägen und aufgerissenen Pflastersteinen ungeheure Barrikaden errichtet; meine Kompagnie rückte um 2 Uhr Nachmittags in die Burg und mein Posten war zwischen Dehne und dem Burgtheater um die Passage in die Burg zu verhindern. Von diesen Posten aus hatten wir durch 4 Stunden die Aussicht auf eine große Barri= kade beim Eingang am Kohlmarkt. Während unserer Wache wurde das Militär, das hinter uns stand, immerfort zum Abziehen aufgefordert, gleichzeitig wurde vor unseren Füs= sen eine Barrikade gestützt an Dehne und das große jetzt eingeschlagene Fenster vom Burgtheater mittelst lange Lä= den, aufgerissenen Pflastersteine errichtet. Die Architekten dabei waren geschickte Leute, die Verfertiger sind die in Masse in die Stadt gezogenen, mit Krampen und Schaufeln bewaffneten von den Studenten angeführten öf= entlichen Arbeiter (jene Erdarbeiter, welche zu öffentlichen Arbeiten verwendet werden). Bei den Barrikaden gegen den Stefansplatz verwendete man die Möbel des Erzbischofs. Genug, die Stadt ist so verbarrikadirt, daß das Militär nichts zu wirken im Stande ist. Um 10 Uhr Nachts bezogen die Nationalgarden die Burgwachen, nur die Hauptwache blieb noch vom Militär besetzt. Heute stehen bei allen Stadtthoren Nationalgarden. Das Sturmläuten um 1 Uhr in der Nacht angefan= gen in der Leopoldstadt, dann fortgesetzt in der Stadt und auf allen Gründen, war wirklich furchtbar. Die Ursache konnte ich auch heute nicht recht erfahren, bekannt war nur, daß 2 Regimenter erwartet wurden. Heute erfuhr ich hierüber, daß die Studenten von Preßburg gestern Nachts angelangt wären und daß man, da man nicht wußte was es sey, Sturm zu läuten anfing. Der Oberkommandant der Nationalgarde Gr. Hoyos wurde gestern Nachmittags um 5 Uhr als Geissel unter Bedeckung auf die Universität fortgeführt wo er ver= wahrt wird. Sie wollen noch mehrere Geißeln. Gegen Abend kamen gedruckte Zetteln in die Burg mit der Aufschrift, „Was wir wünschen“ darunter 1) Fortbestehen der akademischen Legion. 2) Gewährleistung der Errungenschaften vom 15. März. 3) Gänzliches Abziehen des Militärs bis auf jenes, welches zum Aufführen der Wachtposten nöthig. 4) Gleichstellung aller Nationalitäten. Gleichstellung aller Nationalitäten. 5) Inniger Anschluß an Deutschland. 6) Aufhebung der Klöster. 7) Die Rückkehr des Kaisers oder die Ernennung eines Stellvertreters. Noch fehlen 3 Wünsche, welche ich mir jedoch nicht gemerkt, weil ichs nur vorlesen hörte. Ein Punkt handelt von den Geißeln. Seit ich hier als Unteroffizier auf der Wache bin, sind sehr viele Reisende zur Südbahn und aus der Stadt kehrten so eben 279 Arbeiter der Gloggnitzer Eisenbahn= Maschinfabrik mit eisernen Stangen bewaffnet zu ihrer Ar= beit zurück. Wien am 28. Mai 1848 Heute verändert sich wieder die Gestalt von Wien, die Stadt wird freundlicher weil schon viele Barricaden ab= getragen und bei jenen, welche noch stehen bleiben, an den Seiten enge Passagen gemacht werden. Auch beim Burgthor ist ein Thor geöffnet und daher die Passage durch die Burg frei. — Der National=Gardedienst ist sehr be=

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