Zwanglose Blätter, Nr. 1, vom 18. März 1848

seine dadurch bedingte höchste Kraftanstrengung und Aufopferung im entscheidenstem Falle galt ihr da= gegen Nichts. Aber nicht nur der Zweck, auch das Maaß des Geforderten mußte dem österreichischen Staats= bürger entrüsten. Denn die von Jahr zu Jahr mit Steigerung vom Volke geforderten Leistungen stehen längst im Mißverhältnisse mit den materialen Kräften des Landes, dessen Hilfsquellen: Handel, Ge= werbe und Ackerbau von Seite der Regierung nicht die nöthige Unterstützung fanden. Ja den Ersteren verschaffte die stiefmütterliche und ohnmächtige auswärtige Politik Oesterreichs nur Beeinträchtigungen aller Art, und allen dreien entriß die Finanznoth der Regierung durch nur allzugewinnbringende Beschäf= tigung des Geldes auf dem Papiermarkte das Capital. So findet sich das Land erschöpft und statt daß dem materiellen Wohle der Nachkommen vorgearbeitet worden wäre, sind diese durch Generationen im Voraus mit Schulden belastet. Kunst und Wissenschaft fanden in Oesterreich mit Ausname der Musik, dem Nationalvergnügen und den Natur= und mathematischen Wissenschaften, denen die Industrie unter die Arme griff, bald Theil= namslosigkeit, bald Widerstand. — Denn ein Unterichtssistem, entworfen und befolgt unter dem ausschließenden Einflusse eines bevorzugten Standes, unterließ es absichtlich bis in die höchsten Studien hinauf, das Gefühl des Wahren und Schönen im Einzelnen bis zur Erkenntniß zu entwickeln, und der vernachlässigte Verstand vermag dem so Erzogenen nicht einmal den nüchternen Genuß am Regelrechten als Ersatz zu bieten. Daher der stark sinnliche Reitz am Gebotenen allein eine nahmhafte Theilnahme des Publikums in Oesterreich zu erzielen vermochte. Daß hiebei die Kunstfertigkeit grünen und die Kunst verdorren muß, versteht sich von selbst. Diese Bildungslosigkeit ist auch großen Theiles mit Schuld, daß Geschichte, Filosofie, Jurisprudenz, selbst Theologie in Oesterreich brach liegen. Wer sich in den beiden Letzteren sein Brod erwerben wollte, der reichte mit einem mäßigen Vorrathe positiven Wissens für seinen Zweck vollkommen aus; zur Filosofie fehlte Ernst und Charakter, zur Geschichte — National= gefühl, zu allen Preßfreiheit, der Messias, dem wir, wie der altgläubige Jude während des her= aufziehenden Gewitters hoffnungsvoll Thüren und Fenster öffneten. Doch — wir wollen ohne Frasen die Untersuchung des Vaterlandes fortsetzen. Wo ist der diri= girende Minister, der gleich sehr dem Herrscher wie dem Lande angehört? Statt seiner sehen wir eine gegen unser Vaterland — keineswegs gegen andere Reiche — rücksichtslose Persönlichkeit, die ihrem Systeme Alles zum Opfer brachte: das Wohlwollen des Monarchen, das Glück des Volkes; aber für die Folgezeit noch thatenreicher als dieses Unheil auf zwei alterschwachen Beinen war ein fremdartiges Interesse, das sich zwischen das Volk und den Herrscher gestellt hat: Das Interesse der Büreau= kratie! Die Büreaukratie — ein Verein vieler Tausender, aus denen ein Theil nur schreibt, damit der andere Theil zu schreiben habe! Jedes Gesetz, das erlassen wurde, war dahin berechnet, recht viele Federn zu beschäftigen, recht viele Schreiber zu ernähren. Eine unabsehbare Schaar — kein Bedürfniß, kein Verdienst, keine Neigung rechtfertigte ihre kostspielige Existenz. Eine Masse, die nur für sich bestand und daher auch nur durch sich bestehen konnte. Ihr verdanken Kunst und Wissenschaft, Gewerbe und Handel die Fessel, ihren Selbsterhaltungsbestrebungen verdanken wir die Anlehen der letzten Jahr= zehende mit ihren traurigen Folgen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2