Steyrer Wochenblatt, Juli 1945, Blatt 9

10 Rpf. 10 Rpf. Stenrer Wochenblatt Organ der antifaschistischen Bevölkerung von Steyr und Umgebung, rechts der Enns Erscheint wöchentich zeimal Donnerstag und Samstag 1945 Juli Blatt 9 Volksdemokratie! Unter dem Frühlingssturm des Jahres 1945, der aus Ost und West über Europa hinwegbrauste, zerbarst die faschistische Tyranney. Die Demokratie errang einen totalen triumpfalen Sieg. Fortschritt oder Barbarei, Licht oder Finsternis? Eindeutig hat die Geschichte zu Gunsten der Ersteren entschieden. Warum mußte die Welt ein zweitesmal zu einem Völkermorden ohnegleichen antretey, um diese Frage zu entscheiden? Das österreichische Volk hatte 1918 durch revolutionäre Tat sich eine Demokratie erobert. Feierten nicht damals die Ideen von 1789 „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ Wiedergeburt? Wurden nicht die Forderungen der Barikadenkämpfer 1848 „Allgemeines, geheimes, direktes Wahlrecht, Ver¬ sammlungsfreiheit, Pressefreiheit usw.“ voll und ganz verwirklicht? Trotz Hungersnot jubelte die Masse in den Straßen Wiens, umarmten und verbrüderten sie sich und schworen: „Nie wieder Krieg!“ 16 Jahre konnte ich diese Demokratie behaupten. Gleich bei der ersten Probe unterlag sie gegenüber den reaktionären, faschistischen Kräften. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 und der Ausweg aus derselben war der Prüfstein. Wir mußten einen furchtbaren Weg gehen. Der Verlust der Demokratie brachte uns zwangs¬ läufig den Verlust der Selbständigkeit unseres Landes. Die Demokratie litt an dem Mangel innerer Wahr¬ haftigkeit. Bereits 1918 hatten größere Teile des Bürgertums nicht so wie das französische Bürgertum von 1789 die Demokratie als ihre Angelegenheit betrachtet, sondern als eine ihr fremde, ja feindliche Staatsform. Sie nahmen sie nur deshalb hin, die Arbeitermassen zu beruhigen, um sie von einem Weiter¬ gehen zur sozialistischen Demokratie abzulenken. Sie machten Zugeständnisse, gaben „Zuckerl“ um Zeit für den Kampf gegen die Demokratie zu gewinnen. Sorg¬ fältig wurden in Wirtschaft und Verwaltung führende Stellen mit Antidemokraten besetzt (die sich allerdings vorübergehend als Demokraten gebärdeten). Demokratie, d. h. Volksherrschaft, muß im Interesse der breiten Volksmassen handeln, muß also sozial eingestellt sein, soll sie sich nicht dem Volke entfremden und einer handvoll Plutokraten dienen. Einmal in vier Jahren traten die Mandatare vor ihre Wähler und legten Rechenschaft über ihre Tätigkeit. Diese war in den letzten Monaten vor den Wahlen auf die Schaffung von Wahlschlagern abge¬ stellt. Die Lasten der kapitalistischen Krise wurden auf die Schultern der breiten Masse abgewälzt. Die Bildung eines objektiven Urteiles bei den einzelnen Wählern, insbesonders eine Einflußnahme der Wähler¬ schaft auf die Gestaltung der Politik war kaum möglich. Die Entfremdung des Volkes von der Demokratie machte es letzten Endes verhältnismäßig kleinen, im Dienste der Plutokraten stehenden Kräfte möglich, die Demokratie zu zertrümmern. Mit der Vernichtung der inneren Freiheit wurden wir ein wehrloses Opfer gegenüber der faschistischen imperialistischen Aggression von außen und wir verloren unsere Unabhängigkeit und Selb¬ ständigkeit, das Furchtbarste, was einem Volke widerfahren kann. Der einzige Hoffnungsstrahl der Demokraten in der damaligen Zeit, war die Begrün¬ dung einer Verfassungsordnung in der Sowjetunion im Sinne der Entfaltung der sozialistischen Demokratie. Der Versuch, durch faschistische Diktatur aus der Krise herauszukommen, hat uns nur noch weiter in die Sackgasse gebracht und letzten Endes zu neuem Weltbrand, vor dessen entsetzlichen Ergebnissen wir heute stehen, geführt. Zerstörte Städte, vernichtete Wohnungen, Fabriken in Trümmer, gestörter Trans¬ port, unzählige Tote, hunderttausende von Krüppeln, zerstörte Existenzen, gesperrte Schulen! Wohin man blickt, überall die tiefen Spuren der Katastrophe dieses Krieges. Aus dieser Lage so rasch wie möglich heraus¬ zukommen, ist die Aufgabe, vor der unser Volk jetzt steht. Wollen die drei demokratischen Parteien dem Volke dienen, müssen sie alles dieser einen Aufgabe unterordnen. Diese Aufgabe muß nach neuer Art, mit Mitteln der Voltsdemokratie, gelöst werden Wir, das österreichische Volk, sind uns heute mehr denn je bewußt, daß diese Aufgaben nur im Bunde zwischen Arbeiter und Bauern zu lösen sind. Möge uns die Volksführung diesmal helfen, den im Staatswappen durch Sichel und Hammer symboli¬ sierten Bund zwischen Arbeiter und Bauern zu erhalten, zu vertiefen und zu stärken. Wir sehen erstmalig eine neue Regierungs¬ methode. Jedem Minister sind drei Unterstaatssekretäre, je ein Vertreter der Partei, beigegeben. Es gibt keine Oppositionspartei! Heißt dies, daß nunmehr alles, was die Regierung beschließt, kritiklos hingenommen werden muß? Im Gegenteil, harte Kritik und Selbst¬ kritik muß geübt werden. Schöpferische Kritik, nicht leeres Geschimpfe, sondern Aufzeigen von Fehlern, Schwächen, Mängeln und Vorschläge zu ihrer über¬ windung! Nicht auf Befehle von oben warten, sondern elbsttätige Initiative von unten her entfalten. Sieben Jahre Nazityrannei hat unser Volk aufs Schwerste getroffen und erschüttert. Dörfer und Städte waren voneinander isoliert, jeder Markt war auf sich selbst angewiesen. Wartete die Bevölkerung in dieser Situation auf Weisungen der Regierung? Nein! Überall fanden sich beherzte Männer, die zuerst die verhaßten Nazi=Bürgermeister verjagten, die Gemeindegeschäfte übernahmen und dann sofort mit der Arbeit einsetzten. Die Bildung der Gemeinde= und Stadträte ohne zentrale Beeinflußung oder Veranlassung ist ein Zeichen kräftigsten, österreichischen Lebenswillens, der, wie ersichtlich, bei freier Selbstentscheidung sich in demokratischen Formen äußert. Sorgen wir dafür, daß sich diese Anfänge der Demokratie fortentwickeln zu einer dauerhaften Volksdemokratie! — Petrak—

Seite 2 Steyrer Wochenblatt Der Schrecken von Munichholz hinter Schloß und Riegel. Eine Sensation in diesen Tagen war die Aus¬ lieferung des Wohnungsverwalters und Hauptgefolg¬ schaftsführers der HJ. Josef Kreindl durch die Amerikaner an die Staatspolizei Steyr=Ost. Den ganzen Tag sprach man in Steyr=Ost und besonders in Münichholz von Kreindl. Man kann da¬ raus ersehen, wie unbeliebt dieser Mensch bei der Bevölkerung von Steyr und Umgebung war und welch große Befriedigung seine Verhaftung ausgelöst hat. Daß dies so manchem Nazi=Führer besonders auf der amerikanischen Seite viel Sorgen bereiten wird, kann uns nur freuen, denn allmählich wird ihnen auch dort der Boden zu heiß Verfolgen wir einmal das Leben dieses Mannes: der die Hitlerjugend immer wieder zum Widerstand angefeuert, und der unzählige Jungen zum freiwilli¬ gen Einsatz gegen die Alliierten angeworben hatte. In Linz geboren, besuchte er dort die Volks¬ und Bürgerschule mit Zeugnissen, aus denen hervor geht, daß Kreindl alles andere als ein guter Schüler war. Anschließend arbeitete er an verschiedenen Stellen und Büros, flog jedoch wegen seiner Unfähigkeit und rechen Benehmens immer wieder hinaus. Er trat dann der sozialistischen Jugend bei, wurde von dort ausgeschlossen und versuchte es nun in der kommu¬ nistischen Jugend. Aber auch hier konnte Kreindl kei nen Halt finden und wurde ebenfalls wieder entfernt Und nun kommt der Wendepunkt in seinem Leben Er lernte den Nationalsozialismus kennen. Da Kreindl nun die nazistische Idee kannte, konnte er natürlich, da er arbeitslos und sich nun als Herrenmensch fühlte, unmöglich mehr in Oesterreich leben. Er wanderte dann auch ins Reich aus, und trat der Legion bei. Und hier sieht man, daß jeder Mensch, mag er nock o ein großer Tachinierer sein, auf irgend einem Ge¬ biet Fähigkeiten entwickelt. Bei Kreindl war dies natürlich auch der Fall. Er brachte es in der Legion in der ganz besonders der Kampf und Kampfsport gepflegt wurde, sogar zum Legionsobertruppführer. Dies war ja die Schule, die Kreindl brauchte, um einer verbrecherischen Veranlagung, eine systematische Ausbildung zukommen zu lassen. Aus Dienstleistungs¬ Festversammlung in Münichholz. Vergangenen Sonntag hatte Münichholz einen Freudentag. Alt und jung versammelte sich um die Fest¬ rede des Sektionsleiters der KPO=Münichholz, Genosse Karigl, zu hören. Erschienen waren prominente Gäste unserer Stadt, darunter auch der Stadtkom mandant mit seinem Stab, Bezirkshauptmann Dr Liebl, Pfarrer Meindl, ein Vertreter der Bezirks¬ und Stadtleitung und andere mehr. Unser Stadtoberhaupt, Bürgermeister Kahlig, eröffnete mit einer kurzen Ansprache über den Zweck unseres Hierseins, die Versammlung. Der Bürger¬ meister begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste und prach u. a., daß es eine dringende Notwendigkeit ei, endlich diese Nazi=Straßennamen in Münichholz auszuradieren, um dafür Namen antifaschistischer Freiheitskämpfer zu setzen. Anschließend verlas er die neuen Straßen. Sektionsleiter Karigl gab eine kurze Biographie der Märthyrer, nach denen die Straßen ihre neuen zeugnissen geht hervor, daß Kreindl ein wirklich ge¬ estigter, fanatischer Nationalsozialist ist und daß er ich wegen hervorragender „politischer Tätigkeit“ des öfteren ausgezeichnet hatte Freundschaften mit Männern hatte Kreindl sehr wenige. Ganz besonders aber und dies in ziemlich großem Ausmaße, hatte er einen ziemlich weiten Bekanntenkreis unter Frauen. Er hat auch bei dieser Gelegenheit Sorge getragen, daß sich seine Krankheit in weite Kreise verbreitete. Kreindl war ein Propa gandist! Auf der einen Seite propagandierte er die nazistische Idee und auf der anderen einen unlieb¬ amen Erreger. Er trug weiterhin Sorge, daß die deutsche Edelrasse, zu der er sich zweifellos rechnete, nicht ausstirbt. Er besitzt ja eine Anzahl von außer¬ ehelichen Kindern Und nun sprechen wir einmal mit Hitlerjungen die von Kreindl in den HJ.=Einheiten zum Einsatz gegen die Alliierten gezwungen wurden. Sie sagen, daß Kreindl immer wieder die Vernichtung und rücksichtslose Ausrottung des Kommunismus kom mentierte, daß er in Bad Ischl bereits nach dem Zusammenbruch, als er sich schon in Zivil befand, die Hitlerjungen jedoch noch in der Volkssturm¬ uniform waren, aufgefordert hat, noch weiterzu¬ kämpfen und auf jeden Amerikaner, der sich dort zeigt, zu schießen. Auch brüstete er sich damit, daß er in Münichholz versucht habe, die Zentral¬ wasserleitung zu vergiften, was ihm jedoch leider mißlang. Jedenfalls hatte man, nach Mit¬ teilung der Staatspolizei, von ehemaligen Hitlerjungen den Eindruck, daß sie, wenn sie die Möglichkeit hätten, Kreindl in Stücke zerreißen würden. Bei seiner Heimreise von Bad Ischl nach Steyr tra Kreindl in Hinterstoder die Karawane des Gauleiter Eigruber. Daß dieser hohe Herr dort nicht mehr die Nerven besaß, sich mit Kreindl zu unterhalten, ist durchaus möglich. Jedenfalls hatte Kreindl in Steyr nicht erwartet, verhaftet zu werden. Die antifaschistische Bevölkerung fordert die chnellste Aburteilung dieses Verbrechers durch das Volksgericht. Unser gesundes Rechtsgefühl fordert die restlose Ausmerzung dieser Jugendverderber und Volksfeinde. —PicNamen erhielten und hob besonders die Verdienste des Pfarrers Wörndl hervor Als Kämpfer für Freiheit und Fortschritt gab Pfarrer Wörndl sein Leben für sein geliebtes Oester¬ reich. In ein Kozentrationslager gebracht, wurde er solange auf gemeinste Art geprügelt, bis er zu allem, was man ihm vorhielt, ja sagte. Besonders den Armen, gleich welcher Konfession, war Pfarrer Wörndl ein wahrer Helfer in jeder Not. Am 26. Juni 1944 machten die faschistischen Bluthunde seinem Leben ein Ende. Seine letzten Worte waren: „Ich sterbe für Gott und mein Volk Herta Schweiger, ein Fabrikmädel, sehr beliebt und begabt, war schon in frühester Jugend in der Arbeiterbewegung, stets hilfsbereit und eine eifrige Förderin der Roten Hilfe. Auch sie wurde von Gestapo=Banditen geschlagen, bis sie blutüber¬ strömt zusammenbrach. Doch sie hielt treu an ihrer Idee fest und lieferte keinen Antifaschisten den Nazi¬ henkern aus. Nach sieben Monaten starb sie für die Freiheit Oesterreichs.

Steyrer Wochenblatt Seite 3 Gemeinsamer Kampf, gemeinsames Ziel! Am Dienstag fand in Steyr eine Besprechung der Vertreter der sozialistischen und kommunistischen Partei statt. Die Besprechung war getragen, von dem Willen und dem Geiste, den Kampf der Arbeiter klasse um die Einheit und um den Fortschritt, fün die soziale Demokratie in aufrichtiger Zusammen¬ arbeit zu führen. In der Aussprache überzeugten sich die Vertreter beider Parteien von der Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes, im Interesse der Arbeiter¬ klasse und zum Gelingen des Wiederaufbaues eines reien und demokratischen Lebens. Es wurden die Grundlagen dieser Zusammenarbeit besprochen, die in den nächsten Tagen schon feste und sichtbare Formen annehmen werden Lokalnachrichten Zum Zahlen von Steuern und Abgaben find folgende Banknoten und Notgeld ungültig 1. Reichskreditkassenscheine zu RM 50.—, 20.—, 5.—, 2. —, 1.— und 50 Pfennig. 2. Notgeld, das ist das sogenannte Eigrubergeld aus gewöhnlichem Papier, auf dem linken weißen Kopfrandstreifen ist die Strafandrohung gedruckt, die Noten sind zu RM 100.— 50.— und 10.— im Umlaufe. 3. Militärgeld, von der Besatzungsbehörde in Oesterreich ausgegeben. Das Fürsorgeamt teilt mit, daß durch den Beschluß des Gemeinderates vom 20. Juli 1945 das Unterstützungsweser in unserem Gemeindegebiet vorläufig bis zur endgültigen Regelung durch die Regierung festgelegt wurde. Da einerseits die verschiedenen Versicherungsanstalten noch nicht intakt sind, anderseits auch der Zahlungs¬ verkehr aus der Post nicht funktioniert, betreut die Gemeinde alle Renten= und Unterstützungsempfänger vorschußweise. Eine vorschußweise Unterstützung kann aber nur derjenige erhalten, welcher auf Grund eines Alters, Krankheit oder aus anderen familiären Gründen (Frauen mit schulpflichtigen Kindern) nicht elbst für den Lebensunterhalt aufkommen kann. Alle Arbeitsfähigen werden schnellstens einer Beschäftigung zugeführt und erhalten keine Fürsorgeunterstützung Ansprüche auf die früher bezogenen Renten bleiben auch weiterhin aufrecht und werden mit der bevor¬ tehenden allgemeinen Regelung durch die verschiedenen Versicherungsanstalten nach= und weiterbezahlt. Theater und Kunst Das Schauspiel „Gespenster“ hat gezeigt, daß in schwerer und nach schwerster Zeit, nicht nur das Lachen und die Zerstreuung verlangt wird. Nein vielleicht gerade in einer solchen Epoche wird in uns das Verlangen nach Großem, nach Schönem und Erhebenden in uns wach. Wir wollen das Kleinliche des Alltags vergessen und über uns hinauswachsen. Wollen Kraft schöpfen fürs Leben aus den Werken der Menschen, die die Natur mit einer besonderen Begabung bedacht hat. Wollen Kraft schöpfen aus den Werken der Heroen der Dicht= und Komposiitions¬ kunst. Um das aber zu können, müssen und sollen wir diese Werke kennen und verstehen lernen. Uns Für uns Arbeiter ist diese Nachricht eine erfreuliche! Denn wir wollen diese Einigkeit, wir wollen lernen aus der Vergangenheit in der uns die Uneinigkeit in die schrecklichste Katastrophe aller Zeiten führte. Wir haben uns in den K=Z=Lagern in den Zuchthauszellen, wo unsere Genossen Furcht¬ bares erleiden mußten, diese Einheit für die Zukunft verschworen. Unser Ziel ist ein gemeinsames. Unsere Not ist eine gemeinsame und darum muß auch unser Kampf ein gemeinsamer sein, zur Überwindung den Folgen dieses Krieges, zur Vernichtung und Aus¬ rottung des Faschismus sowie für die soziale Demo¬ kratie, in der die Rechte des Arbeiters fest verankert und der Fortschritt garantiert ist diese Werke und die Menschen die sie schufen kenner zu lernen, ist Aufgabe des Theaters. Aus diesem Grunde finden ab nun an unserem Theater ständig sogenannte „Kulturabende“ statt. Große Dichter und große Komponisten der ernsten und heiteren Kunst, werden in abwechslungsreicher Folge durch erläuternde Ausführungen nach und nach in die Schöpfungen unserer Großen eingeführt. Der erste dieser Abende findet am Donnerstag, den 26. Juli statt und soll und darf es kein Kunst und Kulturfreund versäumer diesen Abend zu besuchen. Am Programm steht an diesem Abend: Schiller, Goethe, Mozart, Bach u. v. m. Religion und Kulturkampf! Oft wird die Frage aufgeworfen, ob Religior Kulturkampf bedeutet. Wir Kommunisten müssen es entschieden vern einen; Religion ist für uns kein Kulturkampf, im strengsten Gegensatz zum Naziregime Die Hitler=Propaganda nahm sofort nach der Macht¬ ergreifung 1933 den Kampf gegen die Religion auf, weil sie darin einen ihrer Gegner sah. Religion ist ür jeden Kommunisten eine private Angelegenheit. Wir betonen: Jedem das Seine! Die Weltanschauung, Auseinandersetzung in Religionsfragen, darf niemals mehr die Einheit der Arbeiterklasse, die Einheit des Volkes zerstören. Die Nazi=Propaganda hat stets versucht, den Bolschewismus in den schwärzesten Farben hinzustellen und es ist ihnen zum Großtei gelungen, das österreichische Volk zu vergiften. Aus Kirchen wurden Kuhställe, Tanzsäle, Kinos, Lager¬ häuser etc., die Sakristei ein Bordell, die Geistlichen zu Tausenden ermordet oder verschleppt. Alles billige Lügen, die der österreichische Arbeiter nie kontrollierer konnte — Dagegen sprechen folgende Tatsachen: Ist eit der russischen Besetzung auch nur einem Geistlichen etwas geschehen? — Ist einem Geistlichen die Aus¬ übung seines Amtes verboten worden? — Wo ist das Verbot, die Kirche zu betreten — Wer wurde in einem Gebet gestört, gehindert oder belästigt? Keinem wurde ein Leid angetan, denn Religion ist und bleibt eine rein weltanschauliche Auseinandersetzung Ubertragene Ball¬ Masken-Kostüme Kleider zum Umarbeiten, ebenfalls ein Klavier zu kaufen gesucht Angebote an das „Neue Theater“.

Wochenblatt Steyrer Seite 4 Die friedensmäßige Entwicklung unseres wirtschaftlichen Lebens beginnt. Die Bürgermeister Steyr=Ost tagten. (Schluß.) Der Bürgermeister von Reichraming erhebt die Forderung, daß in den Landgemeinden das Telefon eingerichtet wird um bei eventuellen Störungs¬ versuchen sofort die Stadtkommandantur verständigen zu können. Herr Jahn gibt die Versicherung, daß dies unmittelbar geschehen wird Zum Schluß der Debatte über die Ernte¬ einbringung versichern alle Anwesenden, daß die Voraussetzungen dazu gegeben sind. Der Mangel an Zugtieren muß teilweise dadurch behoben werden, daß die Pferde einander geliehen werden. Zur Debatte über die Wiederbelebung von Handel und Gewerbe ergriff der Sekretär der Bezirkshauptmannschaft, Herr Petrak, das Wort Eine der wesentlichsten Aufgaben ist die Wieder¬ belebung von Handel und Gewerbe. Wir dürfen nicht warten, bis sich automatisch diese zu regen beginnen. Es geht nicht an, daß z. B. wie in Weyer bei zwei Geschäften die Menschen Schlange anstehen und sich gegenseitig beschimpfen, oder wie ein anderes Beispiel zeigt: In Sand wurden große Mengen von verlagerten Stoffen sestgestellt und als vermeintliches Heeresgut beschlagnahmt. Alle Güter, ie von der deutschen Wehrmacht angesammelt wurden, verfallen natürlich nach Kriegsrecht der Roten Armee. Ueberall, wo gelagerte Güter aufgefunden werden und diese nicht angemeldet waren, verfallen der Be¬ chlagnahme. Wir werden gegen die Besitzer solchen Lager, sofern diese auf der Bezirkshauptmannschaft nicht gemeldet wurden, mit drakonischen Maßnahmen vorgehen. Wir müssen die Gewerbetreibenden zu¬ ammenrufen und mit ihnen beraten, wie wir unter den gegenwärtigen Bedingungen trotzdem den Wirt¬ schaftsbetrieb aufnehmen können. Es geht um der kleinsten Bedarf. Die Bevölkerung braucht dringend Streichhölzer, Seife usw. Wir können nicht eher mit der Beteilung beginnen, bevor wir nicht den Bestand an Waren, die noch in den einzelnen Ge¬ chäften stecken, kennen. Wir in der Provinz dürfen keinen Schritt zurückbleiben, wir müssen so rasch wie möglich das Wirtschaftsleben ankurbeln. Wenn ein Geschäftsmann Lebensmittel bewußt zurückhält, so gehört er wegen volksfeindlicher Einstellung in das Anhaltelager. Die Bürgermeister tragen die Ver¬ antwortung für die gerechte Verteilung der vor handenen Lebensmittel Der Stadtkommandant, der die Debatte auf¬ merksam verfolgte, weist darauf hin, daß es verboten ist, an Rotarmisten rationierte Waren zu verkaufen. Auch wenn der Käufer versucht, mit Ueberpreisen zu bezahlen Sekretär Petrak zeigt ferner auf, daß dort, wo der Geschäftsinhaber, weil er Nazi war, ges lüchtet ist, von der Gemeinde ein öffentlicher Ver¬ walter eingesetzt und das Geschäft sofort wieder eröffnet werden muß. Auch unsere Geschäfte, die heute noch von ehemaligen Nazis, besonders von Illegalen, weitergeführt werden, müssen die Gemeinde¬ vertreter beraten, ob es für die Oeffentlichkeit tragbar ist, daß diese ihre Geschäfte noch weiterführen dürfen. Auf die verschiedenen Klagen der Landgemeinde¬ vertreter wegen mangelnder Zuteilung an Kaffee, Redaktion und Verlag: Dambergga Zucker usw., antwortete Herr Mayrhofer als Vertreter des Wirtschaftsamtes Steyr, indem er die derzeitige Lage der Versorgung schilderte. Wir sitzen heute nicht vor einem vollen Topf, an dem wir den täglichen Bedarf einteilen und abstreichen können der Topf ist leer und muß täglich gefüllt werden. Von dem, was täglich hinein kommt, können wir entnehmen und verteilen. Die Karte allein kann keine Garantie für den Bezug der Waren sein. Wir haben keine Vorratswirtschaft, Steyr ist ein ausge¬ prochenes Zuschußgebiet. Aus unseren eigenen Er¬ zeugnissen können wir notfalls unsere Landgemeinden befriedigen, aber keineswegs die Stadtbevölkerung miternähren. Wir brauchen auf jeden Fall für die jenigen, welche in Arbeit stehen oder als Schwer¬ arbeiter zu betrachten sind, eine Zuschußkarte, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten Als nächster Referent berichtete der Bezirks¬ chulrat Herr Trauner über die bereits geleistete Aufbauarbeit im Schulwesen. Das Schuljahr 1945/46 beginnt am 1. September. 900 Kinder in 23 Schulen mit 76 Klassen sind bereits erfaßt. Um das Fehlen der geeigneten Lehrkräfte auszugleichen, werden in Steyr für Absolventen der Mittelschule Kurse durch geführt. In Arbeitsgemeinschaften werden neue Lehr¬ pläne ausgearbeitet. In Schülergemeinschaften soll sich die Jugend erziehen und der Elternvereinigung der Einblick und die Kontrolle der Schule gegeben werden. Kein Nazi darf jemals in der Jugend¬ erziehung tätig sein, denn sie waren in erster Linie die Träger der faschistischen Propaganda. Diese Ausführungen fanden begeisterten Beifall durch die Anwesenden Zum Thema Schule und Erziehung entwickelte auch der Sekretär des Bezirkes, Herr Petrak, einige neue Gedanken, welche die volle Zustimmung der Anwesenden fanden. Er wies auf das Beispiel hin, welches uns die Sowjetunion und die nordischer Staaten auf dem Gebiete des Schulwesens gaben. Auch die Schule muß demokratisiert werden Herr Dr. Enzelmüller erläutert in tem¬ veramentvollen Worten den anwesenden Bürger¬ meistern, das Gesetz über die Naziregistrierung und weist besonders auf die Bestimmung hin, wonach jeder, der sich von der Registrierung drückt, mit ein bis fünf Jahren Kerker bestraft wird. Auch die¬ jenigen, welche während der Registrierung im Ort abwesend waren, müssen diese bei ihrer Rückkehr sofort nachholen. Es dürfen dabei nur die amtlichen Fragebögen benützt werden, andere sind ungültig Außerdem muß jeder „Pg.“ im Besitz einer Be cheinigung sein, daß er sich registrieren ließ. Als Illegale sind auch diejenigen zu betrachten, welch die Nazipartei während ihrer Verbotszeit durch namhafte Geldbeträge unterstützt hatten. In der Schlußdebatte über die Demokratisierun der Gemeinde und Stadtverwaltung schlugen ver¬ chiedene Vertreter vor, öffentliche Gemeinderats¬ itzungen durchzuführen, an denen die Bevölkerung teilnimmt und so Einsicht in die Arbeit ihrer Ver¬ treter bekommt. Die Bevölkerung soll dabei prak¬ tische Vorschläge machen, wie die Arbeit in den Verwaltungen besser gemacht werden kann Der Vorsitzende der Tagung, Herr Dr. Liebl, schloß die Konferenz, in dem er der Ueberzeugung Ausdruck gab, daß diese Tagung die Notwendigkeit zeigte, immer im engsten Kontakt zu bleiben, um den Wiederaufbau unseres Lebens zu beschleunigen. isse 1. — Druck: Emil Prietzel, Steyr.

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