Steyrer Wochenblatt, Juni 1945, Blatt 2

Seite 4 Steyrer Wochenblatt urteilen. Unsere Facharbeiter wurden zwangsweise rekrutiert und nach Rußland verschleppt. — Auf der Straße kann sich überhaupt niemand mehr bewegen, denn alles wird ja zusammengefangt und ebenfalls nach Rußland verschleppt. — Die Radioapparate, die, wie wir wissen, von der Stadtkommandantur aus militärischen Sicherheitsgründen vorläufig sicherge¬ stellt wurden, sind natürlich nach den Gerüchtema¬ chern, auch schon nach Rußland verschickt worden.— Auf der Eisenbahn können wir in Zukunft nicht mehr fahren, denn die Rotarmisten hätten die Schienen Aus den Landgemeinden Wie uns das Arbeitsamt Steyr mitteilt, ist eine groß angelegte Sofortaktion zum Einsatz von Arbeitskräften auf dem Lande im Gange. Es werden die Bauern aufgefordert, sofort aus ihrem Gemeinde¬ amt die notwendigen Arbeitskräfte zu melden. Das Arbeitsamt wird umgehend die erforderlichen Leute vermitteln. Am Sonntag den 10. Juni, wurden in Kürnberg und Behamberg Bauernbesprechungen durchgeführt, die bei der anwesenden Bauernschaft reges Interesse fanden. In beiden Besprechungen, die getragen waren von dem Wunsche, einen engen Kontakt zwischen allen antifaschistischen Kräften von Stadt und Land herzu¬ stellen, sprachen ein Wirtschaftsvertreter von Steyr, Herr Stadlbauer, der Landrat Herr Jahn und ein Vertreter der Komm. Partei Gen. Hofmann. Gen. Hofmann umriß in seinen Ausführungen die verbrecherische Politik des Nazismus und deren Folgen für das österreichische Volk. Er forderte den rückhalts¬ losen Einsatz aller ehrlichen Oesterreicher, gleich wel¬ cher Partei sie angehören mögen, zum Kampf gegen die politischen Überbleibsel des Faschismus auf. Nur die aktivistische Mitarbeit aller Gutgesinnten wird uns die Schwierigkeiten überwinden helfen, den Weg rei machen zu einem wirklich freien, unabhängigen demokratischen Oesterreich. Der Wirtschaftsvertreter Herr Stadlbauer und Herr Landrat Jahn, besprachen mit den Bauern verschiedene Wirtschaftsprobleme unter anderem die Lieferung von Milchprodukten, Schlachtvieh und Holz für die Stadtbevölkerung. Die Landwirte wurden ersucht, soweit es ihnen möglich ist, ihren Teil beizutragen, die Ernährungs¬ krise in der wir uns befinden, so rasch wie möglich zu beseitigen. Auch die Bevölkerung, rechts der Enns, werde die Bauern, soweit es in ihrer Macht liegt, mit Rat und Tat unterstützen. Bereitstellung von Arbeitskräften und Zugvieh (es wurde den Bauern bereits eine größere Anzahl von Pferden übergeben), sind derzeit die vordringlichsten Aufgaben um die heurige Ernte und den kommenden Anbau sicherzu¬ stellen. Die Anwesenden gaben einmütig ihre Bereit¬ schaft kund, alles zu tun, der Lieferungspflicht nach¬ zukommen, mithelfen zu wollen, die Not zu lindern, die uns der Faschismus hinterlassen hat. Ihr Bekennt¬ nis klang in dem Wunsche aus, die Stadtverwaltung möge dafür sorgen, daß Ruhe und Ordnung auf dem Dorfe wieder einkehren und den Hamsterern, die die Bauern terrorisieren und zu erpressen versuchen, ein Ende gesetzt wird. Nur dann wird es für uns Alle ein nützliches arbeiten möglich sein. Beide Bespre¬ samt und sonders herausgerissen und mitgenommen. — Andere erzählen dagegen wieder, daß man zwar fahren könne auf der Eisenbahn, aber die Züge seien so vollgepfropft mit beschlagnahmten Möbeln, die eben¬ falls nach Rußland abgehen, daß man einfach keinen Platz in den Zügen bekommen kann. — Auch auf unserer Seite befinden sich so manche Quacksalber, die entweder aus Bosheit oder Dummheit diese Ge¬ rüchte weiterverbreiten und dabei nicht bedenken, daß diese Schwätzereien das Verhältnis der Bevölkerung zur Roten Armee ungünstig beeinflußen könnten. chungen waren geleitet von dem Willen, das Band zwischen Stadt und Land enger zu knüpfen, denn dann muß es gelingen, ein Oesterreich aufzubauen, das dem Wohle Aller dient, ein freies, demokratisches Oesterreich. Volksversammlung in Maria Neustift! In der vom prov. Gemeinderat veranstalteten Volksversammlung am Sonntag, den 3. Juni 1945, die sehr gut besucht war, sprach nach einer kurzen Begrüßungsansprache des prov. Bürgermeisters Herm. Huber der Altbürgermeister Herr Auer, zu den Versammelten. Seine Worte klangen in dem Wunsche aus, die Bevölkerung möge den Ernst der Zeit ver¬ tehen, die schwere Ernährungskrise berücksichtigen und ihrer Lieferungspflicht pünktlich nachkommen. Der Ortskommandant der Roten Armee, sowie sein Ad¬ jutant, überbrachten die herzlichsten Grüße der Roten Armee an die Männer und Frauen von Neustift und unterstrichen in ihren Ausführungen: die Rote Armee habe in ihren schweren Kämpfen gegen die hitlerische Kriegsmaschinerie, die die gänzliche Vernichtung der¬ selben herbeiführte, nicht nur für die Sowjet=Union, sondern auch für Oesterreich große Opfer gebracht und hoffe auf ein freundschaftliches Zusammenar¬ beiten mit allen Schichten der Bevölkerung. Der Herr Pfarrer, der ebenfalls das Wort ergriff, for¬ derte die Versammlung auf, im guten, kameradschaft¬ lichen, gegenseitigen Vertrauen, ungeachtet irgendwelcher politischer Meinungsverschiedenheiten, nicht unser Ziel aus dem Auge zu verlieren; ein freies, unabhängiges Oesterreich aufzubauen. Nun sprach der Freiheitskämpfer Bloderer von der K. P. O. zu den Versammelten. Er erinnerte zu Beginn seiner Rede an die schweren Opfer, die die österreichischen Freiheitskämpfer im Kampfe gegen die Hitlertyrannei bringen mußten und ersuchte die Anwesenden zum Gedenken der Ermordeten, sich von den Sitzen zu erheben. In seinen längeren Ausfüh¬ rungen geißelte Bloderer die brutale Unterdrückungs¬ politik des Nazismus und zeigte deren Folgen für die Völker Europas auf. In treffenden Worten skizzierte er, welche Folgerungen das österreichische Volk aus der Vergangenheit zu ziehen habe, um die durch den Faschismus vernichtete Wirtschaft neu aufzubauen. Nur die tatkräftigste Mitarbeit aller antifaschistischen Oestereicher, wird und muß es uns ermöglichen, ein freies, und unabhängiges, demokratisches Oesterreich aufzubauen. Die Versammelten folgten den Ausfüh¬ rungen des Herrn Bloderer mit Aufmerksamkeit und gaben ihre Bereitschaft kund, mitzuhelfen am Aufbau¬ werk, das dem Frieden und dem Wohle des öster¬ reichischen Volkes dienen soll. Redaktion und Verlag: Pachergasse 3.— Druck: Emil -Prietzel, Steyr.

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