Steyrer Wochenblatt, Juni 1945, Blatt 2

10 R 10 Rpf. Steyrer Wochenblatt Organ der antifaschistischen Bevölkerung von Stehr und Umgebung, rechts der Enns 1945 Juni Blatt 2 Die Sicherung der Volksernährung! Diese Frage ist wohl die dringendste, die uns alle beschäftigt. Diese Frage und ihre Beantwortung verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Wie ein Un¬ geheuer lastet sie auf uns, denn es ist klar, daß nach einem nahezu sechsjährigen Krieg im Verlaufe dessen die Naziherrschaft, wie alle europäischen Länder so auch Oesterreich bis zum Weißbluten auspreßte, keine Lebensmittel mehr vorhanden sind. Das war ja die Absicht der Naziführer, nachdem sie gesehen haben, daß ihr wahnwitziges Vorhaben nicht in Er¬ füllung ging, die Welt, einschließlich ihres eigenen Volkes, in die völlige Vernichtung zu treiben. So stehen wir heute vor dem völligen Nichts. Nicht nur Oesterreich, ganz Europa ist von dem Hungergespenst bedroht. In einer Reihe von Staaten wurden Sofort¬ maßnahmen eingeleitet, um der Hungersnot zu steuern. Sowjet=Rußland, das selbst von der Kriegs¬ furie so furchtbar heimgesucht wurde, dessen Ernten von den wogenden Kornfeldern der Ukraine noch im letzten Jahre nach Deutschland verschleppt, teils von den zurückflutenden Truppen zerstört wurden, dieses Rußland hat bereits mit einer groß angelegten Hilfs¬ aktion für Wien begonnen. Vor kurzem meldete der Moskauer Rundfunk, daß die diesjährige Ernte in der Ukraine größer sein wird als im letzten Jahre vor dem Kriege! Aber eine entscheidende Rolle spielt das Transportwesen. Durch diesen beispiellosen Ver¬ nichtungsfeldzug wurde der größte Teil des rollenden Eisenbahnmaterials, Waggons, Lokomotiven, Schienen¬ wege, Brücken usw. zerstört, Handelsflotten auf den Meeresgrund versenkt. Kein Benzin, kaum Holzgas¬ wagen sind für den zivilen Bedarf vorhanden. So stehen wir vor der nüchternen Tatsache, daß trotz dem besten Willen der Sowjet=Union zur Versöhnung und Hilfeleistung, wir Oesterreicher uns auf längere Zeit selbst helfen müssen, wenn wir der drohenden Hungersnot entgehen wollen. Wir stehen in einer Situation wie der Kompagnon des Hasard¬ spielers von Monte=Carlo. Er hat alles auf eine Karte gesetzt und das Spiel verloren. Mit leeren Händen und ausgeplünderten Taschen steht er vor uns. Nur eines ist ihm geblieben Der Mut, entweder Selbstmord zu begehen oder der Mut zum Leben. Der Mut von vorne anzufangen mit Spitzhacke und Spaten. Und wir wollen leben. Wir wollen die Hemdärmel hochkrempeln und zupacken wo es fehlt, gleich welchen Berufes, Standes oder früheren Stellung. Unsere Bauern, die allein in den nächsten Mo¬ naten für unsere Ernährung aufkommen, können sie nur dann sichern, wenn wir aus der Stadt hinausgehen zu ihnen und mit voller Kraft helfen, die Ernte ein¬ zubringen. Unsere Bauern haben wenig Zugvieh und nur die notwendigsten Geräte zur Verfügung. Auch sie leiden unter den Nachwehen und Folgen dieses unglückseligen Krieges. Aber sie gehen unverdrossen ihrer Arbeit nach, vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Wir aus der Stadt wollen ihnen be¬ weisen, daß wir diesen Weg zusammengehen — ja gehen müssen, wollen wir als Oesterreicher nicht zu¬ grunde gehen. Wir wollen unserem Volk und der Welt beweisen, daß wir entschlossen sind, uns heraus¬ zuarbeiten aus Not und Elend, aus dem Sumpf, in den uns die nazistischen Gewaltverbrecher versinken lassen wollten. Die Volkssolidarität: Ein Wort an Alle! Unsere liebe Vaterstadt ist wie durch ein Wun¬ der von den großen Zerstörungen, von denen die meisten aller Städte heimgesucht wurden, verschont geblieben. Viele aber, unserer Besten und Bravsten kommen nicht wieder in ihr geliebtes Städtchen. Sie sind Opfer dieses nutzlosen Krieges geworden. Das Leid, das viele von uns getroffen hat, scheint oft ins Untragbare zu steigen und nur mit starkem Herzen werden wir auch darüber hinwegkommen. Oesterreich steht am Ende dieses Abschnittes seiner Geschichte und am Anfang einer neuen Periode. Eine Arbeit, die keine leichte sein wird, steht uns bevor. Ein Kampf, in dem es um den Bestand des österreichischen Volkes gehen wird. Ein Kampf, der keine Siegeslorbeeren einbringen wird, sondern der nur der Erhaltung unseres Volkes, also ein Kampf ums nackte Leben sein wird. Diejenigen, die in erster Linie der Fürsorge und Hilfe der Allgemeinheit bedürfen, sind die vom Krieg unmittelbar Betroffenen. Tausende Kinder sind ohne Väter, Frauen ohne Männer, Mütter ohne Söhne. Das große Heer der Kriegsversehrten, die durch den Bombenkrieg Betroffenen, die Männer und Frauen, die durch Zuchthaus und KZ einen Leidensweg für ihre antifaschistische Gesinnung gehen mußten. Sie alle sind Zeugen, wie schwer dieser Krieg unser Volk getroffen hat. Diesen Armen gilt es nun zu helfen. Neben der staatlichen Hilfe, muß eine Organisation der Solidarität des ganzen Volkes entstehen. Alle Oesterreicher und im besonderen alle Steyrer, ohne Unterschied der politischen Gesinnung und Konfession, sind aufgerufen, bei dieser Arbeit mitzuhelfen. Wir wollen die Leiden, soweit es möglich ist, lindern und allen Betroffenen helfen. Wenn in der nächsten Zeit der Ruf ergeht, als Mitarbeiter oder durch einen kleinen Monatsbeitrag die Not unserer Armen zu verringern, so darf sich niemand ausschließen. Jeder, ob Mann oder Frau, alle helfen mit, dieses Werk der Selbsthilfe erstehen zu lassen. Die Organisation unter dem Namen „Volkssolidarität“, wird die Trä¬ gerin dieses Hilfswerkes sein. Jeder Mitarbeiter, jeder Beitrag, in welcher Form er auch sein mag, wird mit Freude ausgenommen. Alle stehen zusammen, alle helfen und es muß gelingen. Mas der Theaterkanziel: Frlag, den 25. Juni. Premiere: „Der sidele Baner“. Wiederholungen: Samstag 23., Sonntag 24., Mittwoch 27., und Donnerstag, den 28. Juni. — Freitag, den 29. Juni, Premiere: „Liebelei“, von Schnitzler. Karten an den Vorverkaufsstellen und im Theater, Jägergasse. —

Seite 2 Steyrer Wochenblatt Aus der Jugendbewegung. Die Jugend spricht! Bei dem ersten Jugendkongreß in Wien am 16. Mai 1945 wurde beschlossen, eine einheitliche Or¬ ganisation aufzubauen, die heißt: Freie österreichische Jugend, in der die Jugend nicht parteipolitisch, ge¬ spalten oder getrennt in Gruppen, sondern in einer großen Gemeinschaft, in einer Einheit zusammengefaßt, österreichisch und antifaschistisch erzogen wird. Bei uns in Steyr, rechts der Enns, ist als Vertreter der Jugend Edi Hanischläger mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Rudi Eibenhölzl, Hermann Oberreiter, Gretl und Herta Hauser, das Fundament dieser schweren und großen Aufgabe. Zur Erfassung der Jugend haben wir zwei Dienststellen errichtet, und zwar: Für Steyr, Bahnhofstr. Nr. 8, für Münichholz: Ley¬ straße Nr. 1, wo Toni Eichler und Geschwister Polinsky für die Jugend von uns eingesetzt sind. Wir werden diese Jugend erfassen und mit ihnen durch Wanderungen, Heimabende, Filmvor¬ trägen, durch Sport und Spiel, durch Vorträge und Aufklärungen dieses nazistische Gift, das ihnen jahrelang eingeimpft wurde, wieder herausbringen. Wir wissen, es wird nicht von heute auf mor¬ gen gehen, aber wir wissen, unsere Buben und Mädel werden wieder unsere schöne Heimat kennen und lieben lernen und wieder österreichische Buben und Mädel werden, in einer großen freien Jugend Oesterreichs. Wir erwarten, daß sich zu dieser großen Auf¬ gabe bald Freundinnen und Freunde anschließen werden, um uns in dieser Arbeit zu unterstützen. In dieser freien Jugend erfassen wir die Buben und Mädel von acht bis 18 Jahren. Mütter und Väter, schickt uns Eure Kinder und helft mit, in dieser schönen, großen Gemein¬ schaft diese Jugend, die so viel Hartes hinter und in sich hat, wieder zu offenen, freien österreichischen Buben und Mädeln zu machen. Auch die Jugend regt sich wieder! "Am Donnerstag abend setzten sich einige Burschen und Mädels zusammen, um die Gründung der „Freien österreichischen lugend“ zu besprechen. Ed. Hanischläger, als Vertreter der „Roten Falken“ führte den Dorsitz. Mit dem Ruf „Jung frei“ und der feierlichen Verpflichtung, alle Kraft einzusetzen, um die Jugend für den Aufbau einer freien und antifaschistischen Jugendbewegung zu gewinnen, schloß die Versammlung. Wiederaufnahme des Postbetriebes. Beim Bahnpostamte, Steyr 2, wird ab sofort der Postbetrieb in beschränktem Umfange wieder aufgenommen. Zugelassen sind: 1. Gewöhnliche Briefe bis zu 20 Gramm und Postkarten für Empfänger im Orte, ferner für Niederösterreich und Steiermark. In die Briefkasten dürfen keine Sendungen eingelegt werden, sie sind beim Briefschalter des Bahn¬ postamtes, Steyr 2, abzugeben. Die Gebühren sind bar zu zahlen. 2. Einzahlung auf Zahlkarten, jedoch nur auf Konto des Postsparkassenamtes in Wien. Die Zahlkartengebühr ist in barem zu entrich¬ ten, daher sind auf den Zahlkarten keine Marken aufzukleben. Bei Einzahlung von Steuern und auf das eigene Konto ist keine Zahlkarten¬ gebühr zu entrichten. Die Postschalter sind von 8 bis 18 Uhr ge¬ öffnet. Lokalnachrichten Bürgermeister Hans Kahlig an der Arbeit! Durch die Ereignisse bei der Beendigung des Krieges ist unsere schöne Eisenstadt in zwei Teile zerrissen worden. Infolge der verschiedenartigen Be¬ satzungen war es im Stadtteil (rechts der Enns) not¬ wendig geworden, eine eigene Gemeindeverwaltung einzurichten. Im Einvernehmen mit dem Kommando der Roten Armee, wurde der Büchsenmacher Hans Kahlig zum Bürgermeister bestellt. Er selbst war erst wenige Tage aus den Kerkern des verflossenen Systems entlassen worden und hätte sich von den Folgen, der teilweise verbüßten, zehnjährigen Zucht¬ hausstrafe erholen sollen, zu der er wegen seiner anti¬ faschistischen Tätigkeit gegen das Hitler=Regime ver¬ urteilt wurde. Am 6. Juni fand die konstituierende Sitzung des Gemeinderates statt. Gleich eingangs erwähnte der Bürgermeister, daß nur die besonderen Verhält¬ nisse die Errichtung einer selbständigen Gemeindever¬ waltung in Steyr (rechts der Enns) notwendig machen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß es bald wieder zum Zusammenschluß aller Gebiete unserer alten Stadt kommen werde und er sehe mit diesem Zeitpunkt seine Mission als im wesentlichen erledigt an. Der Bürgermeister gab dann einen kurzen Be¬ richt über die bisher geleistete Arbeit und verwies darauf, daß er den Aufbau der Verwaltung aus dem Nichts und vorerst ohne Geldmittel bewältigen mußte. Die bestellten Gemeinderäte gelobten dem Bürger¬ meister, daß sie ihr Amt nur zum Wohle unserer Stadt ausüben werden. Das bisherige Gemeindestatut ist unbrauchbar geworden. Um den Gemeinderat arbeitsfähig zu ma¬ chen, wurde über Antrag ein vorläufiges Statut an¬ genommen. Es spiegelt voll den demokratiichen Geist wider. Als Vize=Bürgermeister wurden die Gemeinde¬ räte Alois Huemer und Josef Wöhrer ge¬ wählt. Ihre Tätigkeit wird außer der Vertretung des Bürgermeisters im Gemeinderat im wesentlichen die Kontrolle der gesamten Gemeindeverwaltung sein. Für das derzeit wichtigste Stadtamt, der Leitung des Ernährungs= und Wirtschaftsamtes wurde als Stadtrat Ferdinand Mayrhofer gewählt. Er wird seine Tätigkeit hauptamtlich ausführen. Für die Vertretung des Bürgermeisters in allgemeinen Angelegenheiten als Rechtsbeirat, wurde Dr. Karl Enzelmüller gewählt. Die beiden Letztgenann¬ ten werden zusammen mit dem Bürgermeister die Zuschüsse des Gemeinderates durchführen. Für die Bewältigung der wichtigsten Aufgabengebiete der Gemeindeverwaltung wurden Ausschüsse aufgestellt. Den Fürsorge=Ausschuß wird Peter Kramlinger, den Ausschuß für Arbeitsfragen Franz Mottl, den Wohnungsausschuß Karl Hübsch, den Finanz¬ und Gewerbeausschuß Vinzenz Ribnitzky füh¬

Steyrer Wochenblatt Seite 3 ren. Der Bürgermeister berichtete über die Polizeifrage und einiger dringender Angelegenheiten der Verwal¬ tung. Dr. Enzelmüller gab den Stand der Arbeiten in den einzelnen Abteilungen der Verwaltungen und Gemeindeeinrichtungen bekannt. Über die Ernährungs¬ lage gab Stadtrat Mayrhofer einen umfassenden Bericht, leider konnte er für die uns so wichtige Magenfrage nur wenig Erfreuliches berichten. Wir haben nur mehr für wenige Wochen nennenswerte Vorräte und wenn uns der Anschluß an die benach¬ barten Gemeinden in Niederösterreich in wirtschaft¬ licher Hinsicht nicht in kürzester Frist gelingt, wird die Ernährungslage kritisch. Die Versammelten Mit¬ arbeiter gelobten, alles daranzusetzen, um die Lage zu meistern. Das Krankenhaus und Wöchnerinnenheim in Münichholz! Die Frage der Unterbringung unserer Kranken ist gelöst. Am 16. Mai d. J. wurde im leerstehenden Mädchenheim des Bischofswaldesin Münichholz, unter tatkräftigster Mitarbeit des derzeitigen Verwalters Herrn Franz Hilber ein Kranken= und Wöch¬ nerinnenheim eingerichtet. Die Behandlung der Kranken obliegt bekannten Fachärzten. Dem leitenden Arzt Herrn Dr. Junk, unterstellte sich ein Frauenfacharzt Herr Dr. Sigmond, der auch die Behandlung von Geschlechtskrankheiten durchführt, ferner Herr Dr. Hauber für Zahnbehandlung. Das Personal besteht aus geschulten Kräften, die freundlich und unermüdlich ihre volle Pflicht erfüllen. Der Ober¬ chwester Reitmayer mit fünf Schwestern obliegt die Betreuung der Kranken und Wöchnerinnen. Die täg¬ lichen Ambulanzbehandlungen betragen durchschnittlich 80 bis 100 Personen und werden Vormittag von 8 bis 9 Uhr, Nachmittag von 16 bis 17 Uhr, durchgeführt. Die Besuchszeit für Kranke: Vormittag von 10 bis 12 Uhr, Nachmittag von 15 bis 16 Uhr. Besuchszeit für Wöchnerinnen ist ausnahmslos nur von 14 bis 16 Uhr. Lieber Theaterfreund! Nach fast zehn Monaten unfreiwilliger Pause, kann ich Dir die Mitteilung machen, daß das neue Steyrer Theater, rechts der Enns, seinen Vorhang öffnet. Wenn auch im Moment Overette, Schau¬ und Lustspiel in einem neuen Heim zur Aufführung gelangen, hoffen wir, daß Du uns oft und gerne besuchen wirst. Wir werden wie früher versuchen, Dir die Sorgen, Mühen und Argernisse des Alltags ver¬ gessen zu machen. Sei versichert, mehr denn je, werden wir jetzt, wo wir wieder unseren schönen Beruf aus¬ üben dürfen, unseren Ehrgeiz daran setzen, Dich lieber Freund zufriedenzustellen. Wir haben nur eine Bitte an Dich, bleib Deinem Theater auch in seinem neuen Heim, das was Du immer warst unser liebes treues Publikum. — Genaues über Beginn, Programm und Mitwirkende, sowie Vorverkauf, erfährst Du in den nächsten Tagen. Auf recht baldiges Wiedersehen im Theater der neu eingerichteten Turnhalle, Jägergasse. Bis dahin grüßen Dich herzlichst alle Künstlerinnen und Künstler! NS. Sage auch Deinen Kindern, daß wir auch für sie schöne Sachen in Vorbereitung haben. Bahnhof=Café Petzwinkler! Leise klingen einschmeichelnde Tanzweisen von irgendwo auf. Wir bleiben stehen und sehen uns einander an. Du, das Tanzcafé ist wieder eröffnet¬ was ist dort los? Im Tangoschritt bewegen sich die Paare. Unsere Steyrer sitzen an den Tischen zusam¬ men mit Rotarmisten, trinken Kaffee oder Limonade und versuchen mit ihren kärglichen Sprachkenntnissen, durch Gesten und Deuten, ein herzlicheres Einver¬ nehmen herzustellen. Wir freuen uns, daß es der Initiative des Besitzers Herrn Petzwinkler ge¬ lungen ist, seinen Betrieb wieder zu eröffnen, der beitragen soll, unserem tanzfreudigen Publikum, rechts der Enns, ihr Vergnügen zu schenken. 5 Kirchliches. Auf Rücksprache mit dem Stadtkommandanten der Roten Armee und dem Herrn Bürgermeister, stellte der Gemeinderat Steyr, (rechts der Enns) den katholischen Seelsorger Josef Meindl, für die Be¬ treuung der katholischen Gemeinde, einen geeigneten Raum in der neuen Schule Münichholz, zur Abhal¬ tung des Sonntagsgottesdienstes, zur Verfügung. Der Gottesdienst wird nun wieder regelmäßig eingeführt. Der Seelsorger von Münichholz ist gegenwärtig der einzige katholische Priester innerhalb des Stadtge¬ bietes Steyr, (rechts der Enns). Er wohnt in Münnich¬ holz, Sternstraße 58, wo sich auch die ständige Haus¬ kapelle mit dem Allerheiligsten befindet und der tägliche Gottesdienst 7 Uhr morgens abgehalten wird. Taufen, Trauungen können dort angemeldet werden. Die wegen der Brückensperre aufgeworfene Friedhofsfrage für unser Stadtgebiet soll demnächst von der welt¬ lichen Verwaltungsbehörde gelöst werden. Im Zuge einer Wiedergutmachungsaktion, wurde in Linz das Priesterseminar mit sofortiger Wirksamkeit wieder zugeführt. Das Gemeindeamt Steyr, rechts der Enns. Die Wirtschaftsstelle weist auf eine Bekanntma¬ chung hin, betreffs der Neuaufnahme von Hauslisten. Eine neue Molkerei in Steyr im Entstehen! Durch die Tatsache, daß wir in Steyr, rechts der Enns, keine Molkerei besitzen, wurde die Frage der Fettversorgung eine dringende. Die neuen verant¬ wortlichen Männer machten sich sofort mit freiwilligen Arbeitskräften an die Lösung dieser Frage. Ein altes bombenbeschädigtes Gebäude (ehemaliges Bierlager in der Pachergasse) wurde in Ermanglung eines besseren, für diese Zwecke ausersehen. Es fehlte alles, selbst die primitivsten Behelfe. Kein Werkzeug, keine Ein¬ richtungsgegenstände, auch keine Transportmittel. Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es dank der ideellen Voraussetzungen, den Betrieb in kürzester Frist der Vollendung nahe zu bringen, so daß dem Verlangen unserer Hausfrauen und vor allem unserer Kinder in Bälde Rechnung getragen wird. Wiederum ist es der Arbeiter, welcher, so wie immer, die Fundamente zu allen Lebensbedingungen legt. Das Bürgertum ist wohl auch Nutznießer dieser Einrichtungen, hat aber bis jetzt, leider noch nichts dazu beigetragen, um wirtschaftliche oder soziale Grundlagen für den Wieder¬ aufbau zu schaffen. Wer lacht da nicht? In Steyr, links der Enns, werden die tollsten Sachen vom Lande Oesterreich, rechts der Enns er¬ zählt. Nazis und andere Dummköpfe, setzen die blödesten Gerüchte in die Welt, die sie natürlich aus erster Quelle erfahren haben wollen. Nun wir geben unseren Lesern einige Kostproben, sie mögen selbst

Seite 4 Steyrer Wochenblatt urteilen. Unsere Facharbeiter wurden zwangsweise rekrutiert und nach Rußland verschleppt. — Auf der Straße kann sich überhaupt niemand mehr bewegen, denn alles wird ja zusammengefangt und ebenfalls nach Rußland verschleppt. — Die Radioapparate, die, wie wir wissen, von der Stadtkommandantur aus militärischen Sicherheitsgründen vorläufig sicherge¬ stellt wurden, sind natürlich nach den Gerüchtema¬ chern, auch schon nach Rußland verschickt worden.— Auf der Eisenbahn können wir in Zukunft nicht mehr fahren, denn die Rotarmisten hätten die Schienen Aus den Landgemeinden Wie uns das Arbeitsamt Steyr mitteilt, ist eine groß angelegte Sofortaktion zum Einsatz von Arbeitskräften auf dem Lande im Gange. Es werden die Bauern aufgefordert, sofort aus ihrem Gemeinde¬ amt die notwendigen Arbeitskräfte zu melden. Das Arbeitsamt wird umgehend die erforderlichen Leute vermitteln. Am Sonntag den 10. Juni, wurden in Kürnberg und Behamberg Bauernbesprechungen durchgeführt, die bei der anwesenden Bauernschaft reges Interesse fanden. In beiden Besprechungen, die getragen waren von dem Wunsche, einen engen Kontakt zwischen allen antifaschistischen Kräften von Stadt und Land herzu¬ stellen, sprachen ein Wirtschaftsvertreter von Steyr, Herr Stadlbauer, der Landrat Herr Jahn und ein Vertreter der Komm. Partei Gen. Hofmann. Gen. Hofmann umriß in seinen Ausführungen die verbrecherische Politik des Nazismus und deren Folgen für das österreichische Volk. Er forderte den rückhalts¬ losen Einsatz aller ehrlichen Oesterreicher, gleich wel¬ cher Partei sie angehören mögen, zum Kampf gegen die politischen Überbleibsel des Faschismus auf. Nur die aktivistische Mitarbeit aller Gutgesinnten wird uns die Schwierigkeiten überwinden helfen, den Weg rei machen zu einem wirklich freien, unabhängigen demokratischen Oesterreich. Der Wirtschaftsvertreter Herr Stadlbauer und Herr Landrat Jahn, besprachen mit den Bauern verschiedene Wirtschaftsprobleme unter anderem die Lieferung von Milchprodukten, Schlachtvieh und Holz für die Stadtbevölkerung. Die Landwirte wurden ersucht, soweit es ihnen möglich ist, ihren Teil beizutragen, die Ernährungs¬ krise in der wir uns befinden, so rasch wie möglich zu beseitigen. Auch die Bevölkerung, rechts der Enns, werde die Bauern, soweit es in ihrer Macht liegt, mit Rat und Tat unterstützen. Bereitstellung von Arbeitskräften und Zugvieh (es wurde den Bauern bereits eine größere Anzahl von Pferden übergeben), sind derzeit die vordringlichsten Aufgaben um die heurige Ernte und den kommenden Anbau sicherzu¬ stellen. Die Anwesenden gaben einmütig ihre Bereit¬ schaft kund, alles zu tun, der Lieferungspflicht nach¬ zukommen, mithelfen zu wollen, die Not zu lindern, die uns der Faschismus hinterlassen hat. Ihr Bekennt¬ nis klang in dem Wunsche aus, die Stadtverwaltung möge dafür sorgen, daß Ruhe und Ordnung auf dem Dorfe wieder einkehren und den Hamsterern, die die Bauern terrorisieren und zu erpressen versuchen, ein Ende gesetzt wird. Nur dann wird es für uns Alle ein nützliches arbeiten möglich sein. Beide Bespre¬ samt und sonders herausgerissen und mitgenommen. — Andere erzählen dagegen wieder, daß man zwar fahren könne auf der Eisenbahn, aber die Züge seien so vollgepfropft mit beschlagnahmten Möbeln, die eben¬ falls nach Rußland abgehen, daß man einfach keinen Platz in den Zügen bekommen kann. — Auch auf unserer Seite befinden sich so manche Quacksalber, die entweder aus Bosheit oder Dummheit diese Ge¬ rüchte weiterverbreiten und dabei nicht bedenken, daß diese Schwätzereien das Verhältnis der Bevölkerung zur Roten Armee ungünstig beeinflußen könnten. chungen waren geleitet von dem Willen, das Band zwischen Stadt und Land enger zu knüpfen, denn dann muß es gelingen, ein Oesterreich aufzubauen, das dem Wohle Aller dient, ein freies, demokratisches Oesterreich. Volksversammlung in Maria Neustift! In der vom prov. Gemeinderat veranstalteten Volksversammlung am Sonntag, den 3. Juni 1945, die sehr gut besucht war, sprach nach einer kurzen Begrüßungsansprache des prov. Bürgermeisters Herm. Huber der Altbürgermeister Herr Auer, zu den Versammelten. Seine Worte klangen in dem Wunsche aus, die Bevölkerung möge den Ernst der Zeit ver¬ tehen, die schwere Ernährungskrise berücksichtigen und ihrer Lieferungspflicht pünktlich nachkommen. Der Ortskommandant der Roten Armee, sowie sein Ad¬ jutant, überbrachten die herzlichsten Grüße der Roten Armee an die Männer und Frauen von Neustift und unterstrichen in ihren Ausführungen: die Rote Armee habe in ihren schweren Kämpfen gegen die hitlerische Kriegsmaschinerie, die die gänzliche Vernichtung der¬ selben herbeiführte, nicht nur für die Sowjet=Union, sondern auch für Oesterreich große Opfer gebracht und hoffe auf ein freundschaftliches Zusammenar¬ beiten mit allen Schichten der Bevölkerung. Der Herr Pfarrer, der ebenfalls das Wort ergriff, for¬ derte die Versammlung auf, im guten, kameradschaft¬ lichen, gegenseitigen Vertrauen, ungeachtet irgendwelcher politischer Meinungsverschiedenheiten, nicht unser Ziel aus dem Auge zu verlieren; ein freies, unabhängiges Oesterreich aufzubauen. Nun sprach der Freiheitskämpfer Bloderer von der K. P. O. zu den Versammelten. Er erinnerte zu Beginn seiner Rede an die schweren Opfer, die die österreichischen Freiheitskämpfer im Kampfe gegen die Hitlertyrannei bringen mußten und ersuchte die Anwesenden zum Gedenken der Ermordeten, sich von den Sitzen zu erheben. In seinen längeren Ausfüh¬ rungen geißelte Bloderer die brutale Unterdrückungs¬ politik des Nazismus und zeigte deren Folgen für die Völker Europas auf. In treffenden Worten skizzierte er, welche Folgerungen das österreichische Volk aus der Vergangenheit zu ziehen habe, um die durch den Faschismus vernichtete Wirtschaft neu aufzubauen. Nur die tatkräftigste Mitarbeit aller antifaschistischen Oestereicher, wird und muß es uns ermöglichen, ein freies, und unabhängiges, demokratisches Oesterreich aufzubauen. Die Versammelten folgten den Ausfüh¬ rungen des Herrn Bloderer mit Aufmerksamkeit und gaben ihre Bereitschaft kund, mitzuhelfen am Aufbau¬ werk, das dem Frieden und dem Wohle des öster¬ reichischen Volkes dienen soll. Redaktion und Verlag: Pachergasse 3.— Druck: Emil -Prietzel, Steyr.

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