Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

95 1864 Dieses Jahr beginnt unter weniger günstigen Verhältnissen als das vorige, denn in Deutschland herrscht ein gewaltiges Zerwürfnis wegen Schleswig-Hol- stein gegen Dänemark, die polnische Revolution ist noch immer nicht ganz be- endigt und die Revolutionspartei erhebt sogar sehr kühn ihr Haupt in Galizien und den Donaufürstentümern, besonders aber in Italien, daher auch von einem allgemeinen belebenden Vertrauen keine Rede sein kann und bei der andau- ernden Geschäftslosigkeit und der neuerdings gewaltig erhöhten Steuern Land- wirtschaft, Industrie und Handel gleichmäßig ganz erschöpft darniederliegen. Die von dem hiesigen Advokaten und Vizebürgermeister Dr. Jakob Kom- paß schon durch mehrere Jahre unermüdet verfolgte Idee einer Verbindungs- eisenbahn der Süd- mit der Westbahn von Bruck an der Mur über Eisenerz und Steyr, welche sich in der Folge bis Budweis verlängern, dort an die böh- mischen Bahnen anschließen und dadurch den Charakter einer europäischen Hauptverkehrsstraße erhalten könnte, und natürlich auch für die k. k. haupt- gewerkschaftlichen Eisenwerke, den ganzen wichtigen Eisen-Industriebezirk in den Enns- und Steyrtälern, und besonders für das Wiederaufblühen unse- rer Stadt von den wohltätigsten Folgen sein würde, hat nun nach unseren von Dr. Kompaß höchsten und Allerhöchsten Orts gehabten Audienzen daselbst bereits auch die verdiente Anerkennung gefunden, sodass an der Allerhöchs- ten Konzession kaum mehr gezweifelt werden dürfte, wenn nur die bedeu- tenden Kosten zu den Vorarbeiten aufgebracht werden können und endlich auch eine Zinsengarantie in Aussicht gestellt werden könnte. Am 26. Jänner fand diesfalls eine gemeinderätliche Komiteeberatung statt, in welcher die Wichtigkeit der Sache endlich auch gemeinderätlich anerkannt und beschlos- sen wurde, das Kompaß'sche große Projekt auf alle Weise zu unterstützen und gleichzeitig aber auch um die Konzession zu den Vorarbeiten für eine Flü- gelbahn von Steyr nach Hochwall bei Haag einzuschreiten. Am 22. Februar wurde der am 4. Dezember gemeinderätlich beschlossene Bau der unteren Ennsbrücke von dem jungen Zimmermeister Ignaz Radlegger um den akkordierten Arbeitslohn von 3800 fl., dann die Demolierung des al- ten Torturmes und die Erbauung einer gewölbten Vorbrücke um 4996 fl. vom Stadtbaumeister Karl Gutbrunner, weiters die Abbrechung des an dem Turme angebaut gewesenen und teilweise vorgestandenen Teiles des Karl Stohl'schen Hauses Nr. 4 gegen eine Entschädigung von 1500 und 300 fl.

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