Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

142 Aber dieser wahre Frühlings-Jänner war der menschlichen Gesundheit nicht zuträglich. Blattern und Cholera überall in Europa und auch in Steyr tra- ten im Jänner die Blattern viel mehr, ja epidemisch, auf und ist im Jänner die große Zahl von 50 Personen, darunter viele an Blattern, gestorben. Endlich! wurde im Februar für den im Vorjahr gemeinderätlich beschlos- senen Bau eines großen Knaben Volks- und Bürgerschulgebäudes der Eckplatz auf dem Hallerfeld nächst der Promenade bestimmt und dazu 1502 ▢ ° um 9016 fl. erlauft, zu welchem Behufe aber auch das an dieser Straßenecke vor- springende Kammerhofer'sche Haus Nr. 162 samt Stadel zur Demolierung um 10.000 fl. erkauft werden musste. Die Baukosten des Schulhauses sind auf 180.000 fl. veranschlagt. Um diese großen finanziellen Schmerzen zu lindern, wurde ein vom Kaiser sanktioniertes Landesgesetz erwirkt, welches die Stadt- kommune ermächtigt, ein Darlehen von 20.000 fl. aufzunehmen. Am 2. Februar wurde der Eislaufplatz auf dem Werndlteich vom Eislauf- vereine eröffnet. Am 11. Februar war der neue Statthalter von Oberösterreich Baron von Wiedenfels zum ersten Mal in Steyr. Nachdem von dem im vorigen Jahr ganz neugewählten Gemeinderat heuer ein Drittel ausgelost worden war, fanden nun am 17., 19. und 21. März Neuwahlen statt, wobei sich aber die Mitglieder des kath. pol. Kasinos, als ohnehin aussichtslos, nicht beteiligten. Übrigens gehen die klerikalen und liberalen Hetzungen, besonders in den Zeitungen, fort und hat das bischöfliche „Linzer Volksblatt“ sogar die Resigna- tion des Bürgerkorps-Majors Ludwig Werndl veranlasst, und der hiesige, noch aus dem Presseprozess in den Sechzigerjahren berüchtigte, damals ultraradi- kale, jetzt aber klerikale Advokat Dr. Pierer reißt darin auch unsere Rudolfs- bahn und den Generaldirektor G. Aichinger in frechster Weise herunter. Am 9. März abends 10 Uhr wurde ein mit seinen zwei Söhnen aus dem Gasthaus nach Aichet heimkehrender Waffenfabriksarbeiter ohne alle Veran- lassung von zwei solchen Arbeitern und einer Dirne angefallen, arg misshan- delt und erstochen. Der eigentliche Täter G. Rohrer hat sich aber am nächsten Abend in der kreisgerichtlichen Fronfeste erhängt. Am 4. April trat nach 14-tägiger Trockenheit ein 4-tägiger starker Regen ein, welcher denWintersaaten sehr zustatten kam, sie stehen prächtig. Dieser Stand ist aber auch, dringend notwendig, weil die Teuerung von Woche zu Woche steigt und die Getreidepreise bereits eine solche Höhe erreicht haben

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