Stephan Willner - Annalen der Stadt Steyr 1839-1882

141 1873 Die allgemeinen Staatsverhältnisse stehen unter einem volkstümlichen, verfassungstreuen Ministerium (Fürst Adolf Auersperg) ganz gut, das chroni- sche Defizit ist endlich verschwunden und das Silberagio auf 7% herabgesun- ken. Auch in unserer Stadt ist, obwohl die Waffen- und Eisenwarenerzeugung gewaltig gesunken ist, doch infolge der Hierherkunft der zahlreichen Kanz- leien und Beamten der Eisenbahnbetriebsdirektion- und Kontrolle doch kein merkbarer Rückgang eingetreten; vielmehr sind Wohnungsnot und Lebens- mittelteuerung noch gesteigert, und die neuen Häuserbauten werden wohl zirka 60 neue Wohnungen, aber lauter sehr teure, schaffen. Anfangs Jänner kamen wieder zirka 20 Beamte von der Eisenbahnbe- triebszentrale aus Wien hierher und schlugen gleich ihre Kanzleien im neuge- bauten mittleren städtischen Hause auf. Auch konstituierte sich hier durch die Protektion des Notars Fr. Kiderle mit 32 Aktionären eine eigene Steyrerbank (Bank in Stadt Steyr ) 2 mit allen mögli- chen kommerziellen und industriellen Befugnissen und einem angeblichen Kapital von Millionen, nachdem ohnehin erst im Dezember hier unter Teil- nahme vieler hiesiger Bürger ein eigener Kreditverein, als Filiale der Allgemei- nen Depositenbank in Wien errichtet worden war und also künftig neben der Sparkassa noch drei Bankinstitute bestehen werden, aber ob selbe für die Dauer auch können? Im Jänner wurden am 2. und. 3. die Dachstühle auf den soeben erbauten Seitentrakten des Direktionsgebäudes am Bahnhof aufgesetzt und am 20. bis zum Liedertafelball am 28. wurde (in der Werndl'schen Restauration in Rei- chenschwall neben dem großen Tanzsaal im Freien ein großer gemauerter Speisesaal angebaut, der schon beim Nobelball dicht mit Gästen gefüllt war. 2 Direktor dieser Bank war Herr Max Feilchenfeld, jetzt Ende 1914 Präsident des Verwaltungsrates der Nieder- österreichischen Eskompte-Gesellschaft in Wien, einem der mächtigsten Bankinstitut Österreichs. Er war ein junger, tüchtiger und intelligenter Bankfachmann, übersiedelte nach Auslösung der Bank in Steyr nach Böhmen, wurde späterhin Direktor der Böhmischen Es- kompte-Bank in Prag und lebt nunmehr, wie früher erwähnt, in Wien. Er ist auch Vize-Präsident des Verwaltungsrates der Alpinen Montan-Gesellschaft und anderer Gesellschaften.

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