Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 37, Juni 1986

Tatsache, daß der Aufbau der neuen Gemeindeverwaltung »aus dem N ichts« und vorerst ohne Geldmittel erfolgte. Nach Angelobung der neu bestellten Gemeinderäte wu rde die Annahme eines vorläufig neuen Gemeindestatutes, das »demokratischen Geist widerspi e gelt«, besch lossen. 1 s) Die ersten Sorgen der neuen Stadtverwaltung galten der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmittel n . Hauptsächlich hatten dafür die umg renzenden landwi rtschaftl ichen Gebiete, wie die Gemeinde Behamberg , zu sorgen. Die extreme Situation in den ersten Friedenstagen geht aus den folgenden Zeilen hervor : »Es gab keine Milch, kein Fleisch, kein Brot u n d keine fahrbereiten Fahrzeuge . . Zuerst galt es, die Versorgung mit Lebensmittel, vor allem Milch für die Kinder, in Schwung zu bringen. Das war leichter gesagt als getan . Die wenigen M i l chkühe des Einzugsgebietes reichten n icht aus. Darüber hinaus waren die Bauern nicht bereit, kostbare Milch gegen Geldscheine zu geben , deren Wert keinesfalls gesichert war. Die M ilchkommandos hatten Tag und Nacht zu tun. Sie mußten Tabak schaffen, denn für Tabak gaben die Bauern M i lch her. Um zwei Uhr früh schon waren die M i lchholer bei den ersten Bauernhöfen. I n ganz SteyrOst gab es nicht einmal zehn intakte Lastautos, und die paar waren Holzvergaser. Viele Stunden lang mußte das Milchkommando Treibstoff besorgen, das heißt Holz schneiden und hacken. Trotz dieser ungeheuren Schwierigkeiten war es möglich, die Kleinkinder und Säuglinge sowie die stillenden Mütter zu versorgen.« 1 6) Es sollte noch Wochen dauern, bis es gelang, in Steyr-Ost eine Molkerei zu errichten . Ein glücklicher Zufall fügte es, daß in St. Valentin die Maschine eines Molkereibetriebes vorhanden war. Diese wurde nach Steyr-Ost gebracht und im schwer bombengeschädigten, notdü rftigst instandgesetzten Haus Pachergasse 9 ein Molkereibetrieb errichtet. 1 1) Das erste Brot, das ausgegeben werden konnte, war Haferbrot. Die Stadtfunktionäre hatten nämlich erfahren, daß unweit der Stadt siebzehn Waggon Hafer lagerten . I n mühsamer Arbeit wurde das Getreide in Müh len gebracht und gemahlen. Das Haferbrot schmeckte zwar trocken und war brüchig, aber es konnte immerhin die erste schwierige Zeit überbrückt werden. Die vielen Pferde, die die deutsche Weh rmacht zurücklassen mußte, bildeten die Grundlage für die ersten Fleischzuteilungen. 1B) Das Ernährungsamt Steyr-Ost gab in der zweiten Juliwoche bekannt, daß es die derzeitige Lage am Ernährungssektor gestatte, die wöchentliche Fleisch ration, die schon einmal um 50 g erhöht worden war, i n der folgenden Woche auf 300 g zu erhöhen. Bei Ausfall der Auslieferungen wü rde es allerdings notwendig sein, die Wochenrationen wieder zu kürzen. I n derselben Woche konnte auf Abschnitte der Ernäh rungskarte ein Kilogramm Frühkartoffeln und für die Kinder und Kranke ein Ei zugeteilt werden. Die Gemüseversorgung war im eigenen Bereich nu r zum Tei l möglich, doch lag beim Ernährungsamt eine Zusage des Bezi rkes Perg vor, daß dieser einen Tei l seiner Ü berschüsse nach Steyr-Ost abgeben wollte. 1 9) Eine der wesentlichsten Aufgaben bestand i n der Wiederbelebung von Handel und Gewerbe. Alle Güter, die von der deutschen Wehrmacht zurückgelassen wurden, wu rden beschlagnahmt, gegen Besitzer von illegalen Lagern mit drakonischen Maßnahmen vorgegangen. 20 ) 80

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