Veröffentlichungen des Kultturamtes, Heft 36, Dezember 1985

wetteifern konnte . Und das nicht nur in einer Kirche; auch in der benachbarten Heilig-Geist-Kirche 10 ) wurde bis zum Mittag Gottesdienst gehalten , zu welchem eine Menge Auswärtiger und Priester zusammen– strömte. Nachdem die feierliche Vesper abgehalten worden war, wurde der Schrein wieder verschlossen , mit dem Siegel des Propstes 11 ) ver– sehen und für eine zur öffentlichen Verehrung günstige Zeit wieder verwahrt. Hier ist vor allem noch erwähnenswert, daß sich ihm wenige Tage zuvor ein Mädchen von 12 Jahren, welches von einem mit Steinen beladenen Wagen in schwerem Fall zu Boden gedrückt wurde, durch ein Gelübde verpflichtete , sich alljährlich am Tag des hl. Märtyrers feierlich der Beicht und Kommunion zu unterziehen, wenn sie aus dieser Gefahr heil hervorg inge. Dieses Gelöbnis löste sie, die schon für tot gehalten worden war, am Tag der Übertragung heil und unversehrt zum ersten Male ein . Ein anderer, dem mitgeteilt worden war, daß er durch Betrug um zwei Rinder gebracht worden sei, sich aber von der Festlichkeit nicht entfernen wollte, um das unrechtmäßig Entführte wieder zurückzuholen , vertraute auf den Heiligen , und nicht vergeblich : am nächsten Tage erhielt er beide zurück , das eine noch lebend, für das zweite wurde der volle Preis bezahlt. " Soweit der Bericht des Annalisten. Vom Heiligen selbst , dessen Fest am 21. September begangen wi rd, weiß man nicht sehr viel. Seine Überreste wurden zusammen mit einem Glasbehälter seines Blutes in Rom im Cemeterium der heiligen Priscilla aufgefunden und vom Kardi– nal Ginetto ausgehoben. Dieser schenkte sie dann dem Assistenten der Gesellschaft Jesu in Deutschland, Florentius Montmorency, der gleich– zeitig die Erlaubnis erhielt, die Reliquien weiterzuschenken und gegebenenfalls der öffentlichen Verehrung auszusetzen 12 ) . Wie wir aus dem Bericht der L.itterae Annuae 1649 erfahren, waren diese Reliquien über den P. Provinzial der österreichischen Provinz im Zusammenhang mit der Weihe der neuen Kirche nach Steyr gekommen. Hier wurden sie später nach der feierlichen Ubertragung nach St. Michael im Floriani– Altar (vom Kircheneingang erster Altar rechts) aufbewahrt, wo sie sich heute noch befinden. Von dem im Bericht genannten Lied, welches dem Märtyrer zu Ehren in deutscher Sprache herausgegeben und von den Schülern der Trivialschulen gesungen wurde, war bisher ebensowenig eine Spur zu finden wie von dem Büchlein , das 1650 über die feierliche Übertragung herausgebracht wurde 13 ) . Im gleichen Jahr, höchstwahr– scheinlich am 21 . September, dem Jahrestag der Übertragung und dem Festtag des Heiligen , nahm die studierende Jugend das Leben des Heiligen zum Thema einer "Endjahrskomödie", bei der Maximilian , Graf Lamberg, die Prämien spendete 14 ) . Wie dem Bericht des Annalisten entnommen werden kann, war die Übertragung der Gebeine dieses Märtyrers ein Ereignis, das keineswegs auf den eng umgrenzten, nichtpfarrlichen Seelsorgbereich des Jesuiten– kollegs beschränkt blieb, sondern auf die ganz Stadt, ja sogar auch auf 123

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