Veröffentlichungen des Kultturamtes, Heft 36, Dezember 1985

das Land hinaus wirkte. Dazu trug sicherlich nicht zuletzt die sorgfältig geplante und mit großem Prunk durchgeführte Feier bei, die so recht dazu angetan war 1 den antithetischen Geist dieses Zeitalters zu doku– mentieren: Leben ist Tod, Tod ist Leben. "Wie das Leben nur der Weg zum Tode ist, so ist der Tod auch erst das wahre Leben" 15 ). Die Gebeine des hl. Märtyrers sind das sichtbare Zeichen der Vergänglichkeit dieser unserer Welt, dieses unseres Lebens . Sie sind aber auch Zeichen des Triumphes über den Tod, der ja nur Pforte zum wahren Leben in Gottes Herrlichkeit ist. Ein zweiter Wesenszug des Barocks tritt bei dieser Feier deutlich zutage, nämlich "daß der Kunstwille in durchaus eigenartiger Weise unter Führung der Architektur alle Künste zusammenfaßte, um ein als Einheit wirkendes Ganzes hervorzubringen" 1 6) . Und nach Cysarz 17 ) dienten gerade die Jesuiten dem barocken Bedürfnis des Schauens und Staunens besonders erfolgreich, jedoch sei diese Spektakelgestaltung im allgemeinen nur ein Stück barocker Bildkunst, in der das Wort nur entbehrliche Hilfsdienste versah. Wenn wir nun den Bericht unter diesen Gesichtspunkten be– trachten, so stellen wir fest, daß auch die Jesuiten in Steyr diesem Zeit– geist in jeder Richtung huldigten, indem sie jede Gelegenheit wahr– nahmen, der Schaulust und Sinnenfreude der Einwohner entgegen– zukommen, um schließlich als Frucht solchen Tuns größere Erfolge in der Seelsorge zu erzielen, denn noch war die Lehre Luthers in der Stadt, insbesondere aber in deren Umgebung, sehr lebendig . So ist diese Feier nur eine von vielen. Sie wird vom Annalisten ausführlicher beschrieben, weil sie einen außerordentlichen Anlaß hat 18 ). Ihr gesamter Ablauf ist außergewöhnlich dramatisch aufgebaut. Der Transport der Gebeine in die Stadtpfarrkirche am Vorabend und die feierliche Vesper bilden das Vorspiel, zu dem Musik und Gesang die Menschen anlockt und sie neugierig macht, was der nächste Tag wohl noch all~s bringen mag. Und die Feier hält, was das Vorspiel versprochen hat: noch größer die Menge der Zuschauer, die in der St. Michaels- und Heilig-Geist-Kirche nicht Platz finden, noch größer die Zahl der Agierenden, noch größer der Prunk und der Aufwand. Jedoch spielt bei diesem "Drama" das gesprochene Wort eine untergeordnete Rolle: Während der Prozession beten die Insassen der Bürgerspitäler den Rosenkranz, in der Kirche werden die Diplome aus Rom verlesen, welche die Echtheit der Gebeine bestätigen, und eine Predigt gehalten . Bedeut– samer ist der Gesang : Die Schulkinder singen in deutscher Sprache das dem Heiligen zu Ehren veröffentlichte Lied, eine Musikkapelle und ein Chor musiziert bzw. singt, und das ganze Fest wird mit einem feierlich gesungenen Hochamt abgeschlossen . Der Zug selbst bewegt sich in strenger Rangordnung . Mit den In– sassen der Bürgerspitäler beginnend, reihen sich daran die Knaben und Mädchen der Trivialschulen; dann kommen die Handwerker, nach ihnen das Gymnasium und die lateinische (Schüler-) Kongregation, gefolgt 124

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