Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 33, 1976

daß es in der Eisenstadt schon viele verlassene und daher baufällige Häuser gebe. Der Rat ordnete eine Begehung und Beschreibung dieser Objekte an.14) Um den katholischen Einfluß auf die Bevölkerung zu stärken, wurden die Schulen mit rechtgläubigen Lehrern besetzt. So wurde der als Annalist bedeutende Schulmeister Wolfgang Lindner aus Waidhofen an der Ybbs an die Steyrer Lateinschule berufen. Abt Johann Wilhelm I. von Garsten präsentierte ihn am 24. März 1603 dem Rate, der mit seiner Bestellung einverstanden sein mußte.15) Die Religionsstreitigkeiten wurden bald von neuer Kriegsgefahr überschattet. In Ungarn hatten gewaltsam begonnene Religionsreformen Widerstand hervorgerufen. Stefan Bocskai bemächtigte sich mit türkischer Hilfe Siebenbürgens und eines großen Teiles von Ungarn. Diese Bedrohung hatte ein Nachlassen der Aktivitäten der katholischen Seite zur Folge, war sie doch auch auf die Kriegshilfe der protestantisch gesinnten Stände angewiesen. Auch die Steyrer Bevölkerung merkte dies, und die Handwerkszünfte konnten zunächst ungeahndet die Teilnahme an den Fronleichnamsprozessionen schriftlich verweigern.16) Die Ratswahlen für das Jahr 1605 wurden von den Regierungskommissaren Abt Alexander von Kremsmünster und dem Anwalt der Landeshauptmannschaft Hans Ruprecht Hegenmüller beaufsichtigt. Der gewählte Bürgermeister Matthäus Jahn fungierte bis 1611.17) Nach dieser Wahl wurden drei protestantische „Genannte“ durch Katholiken ersetzt. Diese bewegte Zeit wurde durch zusätzliche Ereignisse noch unruhiger. Im Jahre 1605 bedrohte ein Hochwasser die Stadt Steyr. Viele „gartende“ Landsknechte machten die Vororte unsicher.18) Nach 1608 mußten die Stadtmauern und das Straßenpflaster ausgebessert werden. Im Jahre 1611 wurde mit dem Bau eines Getreidekastens, des heutigen „Innerbergerstadels“ begonnen. Streitigkeiten wegen der Jurisdiktion zwischen der Stadt und Herrschaft Steyr konnten 1608 endgültig aus der Welt geschafft werden.19) Der Niedergang der wirtschaftlichen Verhältnisse machte sich bemerkbar. Steyr hatte seinen Wohlstand bisher dem Eisen, dessen Verarbeitung und Verkaufes verdankt. Doch gerade auf diese Einnahmequelle wirkten sich die politischen Begebenheiten abträglich aus. Ab 1584 war Steyr der Sitz der österreichischen Eisenobmannschaft, die die oberste lokale Behörde für alle Belange des österreichischen Eisenwesens darstellte. Durch die Gegenreformation sank die Produktion. Die Verlagskosten konnten von der Eisenhandelsgesellschaft nicht mehr gedeckt werden, ein Umstand, der schließlich zum vollkommenen Zusammenbruch führte. Die schlechte Lage der Gesellschaft, woran auch die Stadt Steyr beteiligt war, veranlaßte diese, die Probleme oft in den Ratssitzungen zu behandeln.20) Von Matthias, der am 24. Juni 1612 seinem Bruder Rudolf II. folgte, erwarteten die Protestanten eine Verbesserung ihrer Situation. Doch 26

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