Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 26, Dezember 1965

Die Gesamtausgaben für die in der Zeit von 1540 bis 1544 durchgeführten Instandsetzungen und Neubauten beliefen sich auf 274 fl. 2 ß 25 b. Die Spitalrechnungen") sind nicht nur baugeschichtlich interessant, sie geben auch Aufschluß über die ehemaligen Arbeitslöhne. Der Taglohn betrug für Steinmetz- und Maurermeister 32, für Maurer 28, für Steinmetzgesellen 24 und für Tagwerker 4 bis 5 Pfennige.") Wahrscheinlich wurde im Zuge der Renovierung auch die anfänglich sakralen Zwecken dienende Eingangs- oder Vorhalle, die 1567 als „Speisgewelb" (Speisgewölbe) bezeichnet wird,") umgestaltet. Die reichen Kapitelle und Basen der drei das Gewölbe tragenden 190 cm hohen Marmorsäulen zeigen romanische Formen. Aus diesem Grunde wurden sie in der älteren Literatur auch der romanischen Kunstepoche zugeschrieben.") Heute sind die Kunsthistoriker der Ansicht, daß es sich um Nachbildungen aus der Zeit der Renaissance handelt.") Die Gestaltung dieser Säulen, die als vorzügliche Arbeiten der bodenständigen Renaissance-Romanik anzusprechen sind, erfolgte sicherlich zwischen 1520 und 1550. Daß die Halle einstmals als Speiseraum diente, bezeugt die um 1930 unter dem Verputz entdeckte Inschrift: „Wer christlich Werk will beweisen. Der thue die Armen willig speissen Wie Gott befilcht in seinem Wort Und lög hierein an diesem Ort Williglich nach Vermögenheit. Gott vergilt's in Ewigkeit!"") An die ehemalige Kirche mag noch das prächtige spätgotische Kruzifix an der östlichen Abschlußwand erinnern.60) Die große künstlerische Bedeutung dieses hervorragenden Werkes der Bildhauerei erkannte schon Adalbert Stifter. Eine spätere Würdigung stammt von Otfried Kästner. Er schrieb 1951: „Die lebensgroße Holz- figur des Steyrer Christus wurde erstmalig in der ,1000 Jahre-Christliche-Kunst'- Ausstellung in Linz zwischen den Schreinwächtern des Kefermarkter Meisters gezeigt. Er war einer der stärksten Eindrücke der Spitzenschau unserer Heimat, ja eine Entdeckung. Seine hohe Qualität wurde neben den Vergleichsstücken erst völlig klar. Die Schönheit seiner alten Fassung wurde gesteigert durch die allzu harte Oberflächenbehandlung anläßlich der Restaurierung durch den Freund A. SUfters, den Linzer Bildhauer Rint. Man sah erst in der unerbittlichen Helle der Ausstellungshalle, daß damals vor fast hundert Jahren mehr als nur die graue Farb- schichte des Ölanstriches gefallen sein mußte. Es wurde erst klar, welch ein Zauber in Unberührtheit der alten Fassung beim Steyrer liegt. Er ist der einzige, der blieb wie er zu Ende des 15. Jahrhunderts geschaffen wurde. Er läßt uns erahnen, wie damals die Stadtpfarrkirche von Steyr mit der Vielzahl ihrer Altäre, die beim ") Lchder fehlen die Rechnungen vor 1540 und auf lange Zeit nach 1544. ") Zum Vergleich sei der Fleischpreis angeführt: Nach dem Fleischsatz des Jahres 1539 kostete 1 Pfund ( = 56 dkg) Rindfleisch 5 Pfennige (Preuenhueber, a. a. O-. S. 260). Man erhielt daher für 1 Gulden (=240 d) 48 Pfund- oder 26,88 lg Rindfleisch. "> St. Ä., F. Bürgerspstal 1542—1592, K. M, L. 21, Nr. 95: Inventar des Bürger- svitals v. 4. 1. 1567. ") Vgl. H. Riewel, Das Bürgerspital in Stadt Steyr. Mitteilungen der k. k. Central- kommisfion f. Erforschung u. Erhaltung der Baudenkmäler (1868), Pag. VI bis VIII. ") Dehio. a. a. O., S. 331. ") G. Goldbacher. Das alte Bürgerspüal in Steyr. Heimatland (1985), Jg. 12, Machest, S. 76. 60) Siehe Seite 6, Anmerkung 2. 51

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