Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 20, April 1960

die o.-ö, Stände ihrem neuen Herren huldigen sollten, knüpften diese, in ihrer Mehrheit Protestanten, die Erbhuldigungsleistung an das Zugeständnis der Religionsfreiheit und Wiederherstellung ihrer Privilegien. Am 30. 6. 1608 berichtete Bürgermeister Jahn im Rate, daß Abgesandte der drei Stände (Herren, Ritterschaft und Städte) bei Erzherzog Matthias wegen freier Religionsausübung vorgesprochen hätten. Matthias habe zugesagt, daß er den Ständen nach seiner Rückkehr aus Mähren seine Entscheidung bekanntgeben werde. Die Abgesandten gaben jedoch zu verstehen, daß die Stände „entZwischen Ir Religions Exerzitium auch aufstellen" wollten und kehrten heim. Es wurde nun bei der Zusammenkunft in Linz einstimmig beschlossen, auch ohne erzherzogliche Bewilligung in allen Städten und Plätzen das „Religions Exerzith" wieder zu beginnen und evangelische Prediger anzustellen. Auch die Steyrer Ratsherren faßten nach dem Berichte des Bürgermeisters den Entschluß, am nächsten Tage, dem 31. 8., ,tn der Schulkirche (Dominikanerkirche) mit den evangelischen Religionsübungen wieder zu beginnen. Den Viertelmeistern wurde befohlen, den Bürgern ihres Bereiches von dieser Entschließung Mitteilung zu machen, ihnen aber ernstlich aufzutragen, katholisch gesinnte Bürger und den katholischen Stadtpfarrer unbe- lästigt zu lassen. Den bei der Sitzung anwesenden katholischen Ratsherren und dem Stadtschreiber Praunfalk wurde freigestellt „abzutretten". Dieser erklärte, daß er „gar gern und guetwillig ... abtretten" wolle und verließ die Sitzung.^ „... des andern Tages nachher (wurden) Zween Predicanten in der Kloster Khirchen aufgestellt..." und von Bürgermeister Jahn und anderen Ratsherren vor- und nachmittags zur Predigt in die Kirche geleitet und wieder abgeholt4^ Auch das evangelische Gymnasium wurde wieder eröffnet und Egydius Wei- xelberger aus Regensburg zum Rektor bestellt.^ Matthias versuchte vorerst diese Entwicklung der Glaubensdinge in seinem territorialen Bereiche zu hemmen. Nach vielen Verhandlungen kam es schließlich am 19. 3. 1609 zur Unterzeichnung der sogenannten „Capitulations-Resolution", in der den ober- und niederösterreichischen Ständen in unbestimmten und vieldeutigen Ausdrücken die freie Religionsausübung zugestanden wurde. Als Abgesandter Steyrs Unterzeichnete den Vertrag Stadtrichter Paul Trauner. So wurden die protestantischen Stände Österreichs zu einer politischen Macht, die einen vollständigen Sieg über die landesherrliche Gewalt errungen Hatte, Der Erbhuldigung stand aus den Reihen der Stände nichts mehr im Wege. Matthias teilte ihnen in einem „Verkündtschreiben" mit, daß er zur Entgegennahme der Huldigung nach Linz kommen werde. Die Stände beschlossen einstimmig, dem Könige nach altem Herkommen bis an die Landesgrenze entgegen zu ziehen. Am 15. 5. warteten 1280 Reiter, 4000 Mann Fußvolk und die Vertreter der Stände auf die Ankunft des Königs. Von der Herrschaft Steyr waren zu diesem Empfange unter Kommando des Pflegers Stephan Schäbl 250 Mann Fußvolk und 70 Berittene in roten, weiß verschnürten Röcken abgestellt worden, Bürgermeister Jahn kommandierte bei diesem Anlasse als Oberst die von den oberösterreichischen Städten aufgestellten sechs Fähnlein Knechte (2100 Mann), während der Steyrer Ratsherr Andre Giesing die 100 Mann starke, mit blauen, weiß verschnürten Röcken bekleidete Reiterei der Städte anführte. Rach dem Empfange in Enns erfolgte am 21. 5. unter großem Gepränge die Erbhuldigung in Linz. Bei dem Einzuge der Bewaffneten in Linz kam es zwischen dem Pfleger der Herrschaft Steyr und dem Ratsherren Giesing zu Streitigkeiten wegen der Rangordnung im Zuge. Giesing verlangte vor den Reitern der Herrschaft Steyr eingereiht zu werden und erklärte, ehe er zum „Praejudiz der Städte, als des vierdten Land-Stands, diesen von der Cammerguts-Herrschaft gesuchten Vorzug" zulasse, wolle er eher mit seiner Truppe afirMen.15 Kaiser Rudolf II. hoffte noch immer, die abgetretenen Länder zurückzugewinnen. Eine Zeitlang trug er sich mit dem Gedanken, die Hilfe der Reichsfürsten 49 4

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