Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 14, Dezember 1954

Schon meldet sich die Aufklärung an. Nun herrscht allem das dreieckige „Auge Gottes" im Strahlenkranz. Das Auge der Erkenntnis, der göttlichen Weisheit steht nun als letztes und einziges Zeichen, das an das Christentum erinnert. Auch Gruftgitter und Laternen haben sich am Friedhof aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten. Leider sind die dazugehörigen ausgezeichneten Stukkierungen schon recht verfallen. Bei der Seltenheit dieser Grabmalkunst wäre es eine Ehrenpflicht, hier in letzter Minute rettend einzugreifen. Auch ein Grabstein aus dieser Zeit, der einzige Oberösterreichs, ergänzt dieses Rokokobild. Fast jäh geht diese großartige Entfaltung in die Kreuze des Klassizismus über, die man ohne Uebertreibung oft kaum anders als ein „Montagegerüst" bezeichnen kann. Nun ist der Corpus Christi wieder an seinen Ehrenplatz getreten/Kränze, Maschen, Wirbelrosen und Mäandermuster kommen dazu. Auch pyramidale Aufbauten mit Totenkopfkrönung sind oder waren zu sehen. Eine stärker werdende Ausblutung, nur für den Historiker, nicht für den Augenmenschen interessant, zeigt den Verfall der Schmiedekunst, die vor der neuen Mode der Gußkreuze die Waffen streckt. Aber auch von diesem furchtbaren Einbruch sind wir schon wieder so ferngerückl, daß biedermeierliche Szenen wie ein reliesiertes Kindlein im Hemdchen mit einem Kreuz, daß Urnen und Anker in Gußarbeit fast wieder interessant werden. Daß wir auf diese romantischen und neogotischen, in Schwarz und Silber gehaltenen Machwerke einer industrialisierten Massenerzeugung schon historisch zurückschau,en können, ist nicht zuletzt ein Werk von Männern wie Prof. H. Gerstmayr u. a., die in einer gewiß nicht immer organischen Feldkomposition doch als Schrittmacher zur Gesundung unserer Eisenschmiedekunft, von der man kaum mehr sprechen hatte können, und darüber hinaus unserer Friedhofkultur gefeiert werden müssen. Aber auch die Meister der Stadt Steyr selbst haben in Erkenntnis ihrer Tradition wieder altes Formgut neu belebt, fodaß der Einbruch der Gußeisenperiode als überwunden bezeichnet werden kann. Steyr, das in seinem Friedhof mehr als ein Schock alter Schmiedeeisenkreuze besitzt, ist hier auch mit feinen vielen neuen Kreuzen wie dem Heldenmal im Heldenfriedhol schrittmachend vorausgeganaen. Noch sind die Meister der frühen Jahrhunderte anonym und werden es allem Anschein bleiben müssen, aber das „Steyrer Grabkreuz" und der Steurer Friedhof sind auch so ein Begriff, ein Ruhmesblatt für das Steyrer Handwerk, aber auch für den Berfchönerun-gsverein und alle, die sich um sein Bestehen verdient machen. 48

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