Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, März 1953

Nicht anders sah es in Linz, Passau und Wels und in den Römerstädten des nachherigen Niederösterreich entlang der Donau aus. Es scheint indessen, als hätte sich in unseren Landstrichen die römische Kulturleistung allein auf diese Städte beschränkt und höchstens noch auf ihre Sommersitze und ihre Straßenverbindungen, als wäre sie jedoch am Aufbau der ländlichen Agvarpflege unbeteiligt gewesen; sie beschäftigte sich höchstens insoweit mit dem offenen Land, als sie bei den Bauern große Steuern einhob und die Bauerssöhne zum Legionärdienst einberief, und das war herzlich wenig. Vielleicht waren die norischen Bauern dieser Lasten wegen sogar froh, als später das Römerreich zugrundeging. Allerdings wohl nur zuerst. Als ihre Höfe dann von Raubscharen geplündert wurden und die Menschen selbst zu schwerem Schaden kamen, wird ihnen wohl der Irrtum in ihrem gesinnungsmäßigen Staatsverrat klar geworden sein; aber dann war es zu spät. Es läßt sich zeigen, daß nicht nur im größten Teil von Oberösterreich, sondern von ganz Oesterreich zur Römerzeit keine einzige Bauernsiedlung neu benannt worden und wohl auch keine Bauernsiedlung gegründet worden ist. Der Versuch K. Schiffmanns, zahlreiche Dorfnamen Oberösterreichs aus dem Lateinischen und Romanischen abzuleiten, hat sich ausnahmslos als unhaltbar erwiesen, seine Rekonstruktion der alten Römerstrahen mit solchen angeblich lateinischen Dorfnamen ist längst unter der scharfen Lupe der Sprachgeschichte in nichts zerflossen. Unsere auf Skizze 1 von Salzburg ins oberösterreichische Vöcklatal herein- stohende schwarze Borstenlinie deutet an, wie weit wirklich romanisches Namengut nach Oberösterreich übergreift, also solches, das sicher oder höchstwahrscheinlich auf einstige Romanen hinweist; die gleiche Borstenlinie taucht bei Passau wieder auf. Diese Stadl führt ihre Bezeichnung nach einer batavischen, d. h. niederländischen Legion und hieß lateinisch castra Batava. Wenn wir etwas großzügig Passau durch eine gerade Linie mit Villach verbinden, so gibt es östlich der Linie kein einziges namenkundliches Zeugnis für Gründungen von Neusiedlungen zur Römerzeit. Erst westlich dieser Geraden tauchen Namen lateinischen and romanischen Ursprungs auf. Steyr liegt trotz der Nähe der alten Römerstädte Lauriacum, Lentia und Ovilava weit außerhalb dieser einstmals halb oder ganz romanisierten Zone. Andere namenkundliche Tatsachen lassen vielmehr mit Sicherheit auf die Erhaltung der keltischen und illyrischen Sprache bis zur Zeit der deutschen Landnahme schließen. Es müssen die Kelten und Illyrer noch direkt mit den neueinwandernden Bayern in Kontakt getreten sein. Manche keltische und illyrische Ortsnamen haben nachweisbar die Bayern noch dem Sinne nach verstanden und ins Deutsche übersetzt. Nach dem Zusammenbruch des Römerreiches folgte für Oberösterreich eine wilde Zeit kurzlebiger und sich gegenseitig rasch ablösender Gründungen germanischer Königreiche. Es ist Zufall, wenn aus dieser Zeit im Lande keine sicheren Spuren germanischer Namengebung zurückgeblieben sind; doch ist es wahrscheinlich, daß diese Germanenstämme im Westen des Bundeslandes einige Flußnamen hinterlassen haben, etwa Vöckla, das ist die Ache eines Veckilo, und Rodel, ahd. Rotula, das ist die kleine Rote. Wahrscheinlich haben sie damals ihre deutschen Namen bekommen. Im fünften oder sechsten Jahrhundert geschah dann ein folgenschweres Ereignis für die gesamte Geschichte des Landes bis zur Gegenwart. Die alten Markomannen, die in ihrem böhmisch-mährischen Becken, einem idealen Bauernland, von Ungarn und unserem Donaugebiet her fortwährend durch germanische Fürsten und ihre Heere in ihrer Freiheit bedroht worden und zeitenweise tatsächlich unter gotische, unter herulische und langobardische Botmäßigkeit geraten waren, wurden der fortwährenden Kämpfe um ihre fruchtbaren Felder endlich müde und wanderten aus. Wohin sie zunächst gezogen sind, 72

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