Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft Dezember 1950

gähn Jahre 1443 beschlossen Rat und Bürgerschaft zu Steyr den Bau einer großen Stadtpfarrkirche an Stelle der alten, unzureichend gewordenen. Nicht mehr der Landesherr also oder ein Kirchenfürst ist jetzt Auftraggeber so gewaltiger Vorhaben, sondern der zum Träger der Macht im Staate gewordene Bürger. Die Baukunst und die Plastik dieser um 1250 angebrochenen „Bürgerzeit" war inzwischen zu „klassischer Reife" herangewachsen. Zwar ist die Gebärde dieser Klassik eine andere als jene zur Zeit der großen Staufenkaiser, aber beiden gemeinsam ist das Bekenntnis zum Naunr als dem Sinnbilde zeitlosen Daseins. Dieses Raumgefühl freilich hat sich in seiner Art gewandelt. Es ist nicht mehr der in allen seinen Teilen gegliederte Raum, sondern der Jrmen- raum als N a u m einheit ist Ziel dieser Klassik geworden. Der Raum ist durch diese neue Einstellung schwereloser, durchgeistigter geworden. Ein Schritt darüber hinaus — und die bisherige Form muß sich aus ihrer linearen Bestimmtheit in das Malerische und Unbestimmte barocker Gesinnung auslösen. Aeuheve Zeichen dieser Einstellung zum Raum ist die Bevorzugung der Halle an Stelle der Basilika. Das Querschiff der Kirche fällt, die Seitenschiffe wachsen zur Höhe des Mittelschiffes an und verbreitern sich, Langschiff und Chor verschmelzen zu einem Raumganzen, das nicht mehr durch Pfeiler und Joche als eine Summe selbständiger Teile vorgetragen wird, sondern als große, einzige Einheit. Darum auch ein Netzgewölbe, weil dieses die Jochabgrenzungen überspült, darum Verzicht auf das Kreuzgewölbe mit seiner aufsplitternden Wirkling. Dieses Naumgaiize wird schließlich von einem mächtigen, einförmige» Steildach überstülpt — auch dadurch dem Einheitsgedanken untertan. Wenn man die Pfarrkirche zu Steyr durch das Hauptportal betritt, empfindet man sogleich die feierliche Hoheit dieser Raumauffassung. Ein widriges Geschick hat dieses herrliche Bauwerk seiner kostbare» Innenausstattung fast ganz beraubt, so daß der Raum unoerhüllt sprechen darf. Erster Baumeister war Hans Puchsbaum, der auch am Bau der Wiener Stephanskirche beteiligt war. Nicht nur der Grundriß, auch Einzelheiten in den Baugtiedern weisen den engen Zusammenhang mit St. Stephan nach. Die Stadtchronik berichtet von unsäglichem Leid, das in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts über die Bewohner der aufgeblühten Stadt gekommen, von beständigen Fehden der Große» nnö der Ohnmacht des Kaisers, von langwierigen Kämpfen gegen die Ungarn, die unterhalb 4

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