Robert Stumpfl - Das alte Schultheater in Steyr

87 Auf ein von drei Seiten umstandenes Proszenium läßt es vielleicht schlie ­ ßen, wenn sich Mauritius im „Ezechias" an die hohen Gäste Vnd was im ganzen Kreiss ist hrumb wendet. — Brunners Bühne. Eine Rekonstruktion der Brunnerschen Bühne wird dadurch sehr erschwert, daß einerseits gar keine direkten Nachrichten über seine Ausführungen erhalten sind, anderseits von seinen überlieserten Stücken, aus die wir ausschließlich an ­ gewiesen sind, nur der „Jacob" für das Schultheater selbst voll in Betracht kommt, während der „Tobias" in einem Privathaus und die „Heirat Jsaacs" gar in einer fremden Stadt zur Aufführung gelangt sind. Was uns allein über diese Schwierigkeiten schließlich doch hinweghilft, ist die Reichhaltigkeit und Klarheit der Bühnenanweisungen. Daß diese bei Brunner tatsächlich als Regiebemerkungen und nicht etwa als epische Be ­ richte zu werten sind, unterliegt ihrer Form nach keinem Zweifel. So wenn wir in der ersten Szene des „Tobias" lesen: Hie entzwischen sol sich ein Knab (!) in einer Zigen gebletz hören lassen. . . . Bevor wir nun zur Rekonstruktion im Einzelnen schreiten, muß vor allem festgestellt werden, unter welchen allgemeinen Typus Brunners Bühne ein- zureihen ist. Zunächst kommen im 16. Jahrhundert drei große Gruppen in Frage: Die Simultanbühnen (Nebeneinander der Schauplätze), die Sukzessionsbühnen (Nacheinander der Schauplätze, Neutral- und Verwandlungsbühne), endlich kom ­ binierte Formen. Betrachten wir die Schauplätze, die Brunners „Jakob" benötigt, so zer­ fallen sie deutlich in zwei Gruppen: Heimat (Canaan) und Fremde (Ägypten). Zwischen diesen pendelt die Handlung hin und her. Die Schauplätze in Canaan sind: Jacobs Haus (I, 2; 11,1, 2; III, 4; IV, 2; V, 2,3) und die Viehweide (I, 1, 3, 4, 5). Da Joseph I, 2 — 3, ohne abzutreten von Jacobs Haus zu den Brüdern auf die Weide geht (Simultanwanderungl), müssen beide Schauplätze nebeneinander liegen. — Die Schauplätze in Ägypten sind: Potiphars Haus (II, 3, 4; dasselbe mag in den Akten III bis V als Josephs Haus gedient haben), Pharaos Haus oder Sitz (III, 1, 2, 3; V, 1, 4), das Gefängnis (II, 4, 5; III, I, 2; IV, 1, 3) und der Galgen (III, 1). Auch sie sind durch Simultan- wanderungen verbunden: II, 4 und IV, 1, 3: Potiphars Haus — Gefängnis; III, 1, 2 : Pharao — Gefängnis — Galgen; V, 1, 4 : Josephs Haus — Pharao und so weiter. Von den (wenn wir von den Kaufleuten I, 4 absehen) fünf Wanderungen zwischen Canaan und Ägypten sind allerdings vier durch Abtreten und Ver ­ halten hinter der Szene unterbrochen (III, 4 — 5; IV, 1 — 2; IV, 2 — 3; V, 1 — 2), die fünfte aber (V, 3) ist wieder eine ausgesprochene Simultanwanderung.

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