Steyrer Tagebuch Nummer 16, Dezember 1983

SIMMER : Ich bin zwar kein Sozialdemokrat , aber ich muß schon anbringen : in England , wo die Konservativen re– gieren , da muß ~in Teil der Arbeiterschaft schon in Pappschachteln unter Brücken schlafen . Soweit sind wir in ästerreich noch nicht . TAGEBUCH : Es ist auf der gan– zen Welt schlechter geworden , ganz gleich , unter welcher Regie r ung , Bei uns ging es sogar l angsamer , aber das muß nicht allein an der Regierung liegen , da gibt es viele Fak– toren . SIMMER: Das lie~t am Wirt – schaftssystem . TAGEBUCH : Im Osten gibt es genauso eine Krise . SIMMER: Aber die ist ganz an– derer Art , ARBI NGER : Dauernd . SIMMER: Es gibt einen Unter– schied zwischen einer Übe r– produ.ktions- und einer Unter– produktionskrise . WÜHRLEITNER : Es gibt gar kei – ne Überproduktionskrise . TAGEBUCH : Kö nnen wir den Vor– wurf festha l ten ; es gibt eine K~ise und die Regierung ist schuld!] ARB I NGER : Die Weltwirtschaft ist absol ut in einer Krise d~i~nen und wir sind davon ter : Was ist überhaupt ei – ne Krise . In der Geschichte der Menschheit war es immer , daß die Arbeit aller von morgens bis abends nicht ausreichte, das Notwendigs– te zu erzeugen . Heute haben wir die modernsten Ma– schinen , die Lagerhäuser quellen über , v~ele l äßt man gar nicht arbeiten und trotzdem spricht man von Krise , ARB! GER: Das Wort Krise kommt nicht aus der Wirt– schaft sondern aus der Krankeit . Wenn man die Kri – sis überwindet , kommt die Gesundheit . Ich will die Frage in den Raum stellen : sind wir krank und warum? WÜHR LEIT ER: Ich glaube grundsätz l ich , daß , die Ge– samtmenschen bet r achtet , an den Bedür fnissen der Men– schen vorbei produziert wird . Dar um gl aube ich auch nicht, daß es eine Überpro– duktionskrise gibt, wenn ich sehe, wie unterentwickelt die ganze südliche Hälfte der \~el t ist . SIMMER: Wenn ich heute Ent – wicklungshilfe als Geschenk gebe, so ist das in meinen Augen grundfalsch. Ich glaube , es genügt, ihnen nichts mehr wegzunehmen,dann könnten sie nämlich kaufen, was sie brauchen . auch betroffen . Dann geschehen WÜHRLEIT NER : Und das Wegge– aber noch innenpolitische Din- nommene zurückgeben . ge , die speziell für unser ' werk schlecht waren, daß uns Warum wird an den Menshen alles mögliche verboten wurde , vorbeiproduziert? Weil es da– Wir sind Werndler und beken- rum geht , Produkte zu schaf- nen uns zu allen Produkten , fen , die verkauft werden kön- die wir erzeugen . nen, und dahinter stehen Ich möchte auf keinen Fall be - Macht und Geld , haupten, daß nur die sozialis- ARBI NGER: Die wollen aus ih– tische Regierung schuld hätte . rem Geld mehr machen, das ist Serh viel Schuld hat sie, das ihr gutes Recht . ist richtig . TAGEBUCH: Es liegt aber die grundsätzliche Frage dahin- 5 WÜHRLEITNER : Aber das gute Recht ist der Ar beiterschaft vorentha l ten worden , weil das Geld ist nicht gedruckt worden für ein paar wenige . ARBI NGER: Ihr seid gegen das Kapital. SIMMER : Richtig . ARBI NGER: Und ihr seid gegen das Eigentum . Was redest du pann , daß tler Arbeiter et– was haben muß!?-. SIMMER : Ich bi~ nicht gegen persönliches Eigentum , Das Problem mit dem Eigentum ent– steht dann, wenn ich es aus– nützen kann, um andere aus– zubeuten . \·JA FFENPRO DU KTI O TAGEBUCH : Die Waffen wären noch ein Thema . ARB! GER: Steyr hat seit über 120 Jahren von den Waf– fen gelebt . WÜHRLEIT ER: Meine Über – zeugung ist : eine Gewerk– schaftsbewegung kann sie sich nicht leisten, daß sie sagt : Waffenproduktion . brauchen wir auf Dauer , weil wir Arbeitsplätze da– mit sichern . Länge~fristig ~erden damit keine Arbeits– pl ä tze gesichert . Sie werden vernichtet , weil das Uaffen– geschäft ein kurzlebiges Ge– schäft ist , das hat Steyr– Dai mler - Puch zur Genüge ge– sehen - oder wenn man sieht, wie in Amerika die Wirt– schaftskrise mit dem Ende des Vietnamkrieges kam . Für die Gewerkschaften muß das eine grundsätzliche Fra– ge der Moral sein . ARBINGER: Sei t wann ist die Gewerkschaft moralisch? TAGEBUCH : Ist es eine Frage der Moral 'l:-

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