Steyrer Tagebuch Nummer 14, Oktober 1983

Literatur SONNTAG Die Vorausset~ung• .rn für einen guten Mor– gen sin 'i ~,:.. geben . Vor allem, wenn man ihn aus der Vogelperspektive betrachtet . Der Grundriß läßt nichts Böses erahnen , selbst Vermutungen bahnen sich nicht an , das Uber– schaubar- Konkrete zieht seine Grenzen . Von oben gesehen ist die Perspektive verkürzt , die Schädeldecken gleichen einander, unter– schiedliches Längenwachstum ist nicht aus– zumachen , auch die Bewegungen verraten von oben gesehen nichts Undemokratisches . Ja, von oben und im Groben gesehen . Das Wich - tigste ist der Eindruqk , doch der Eindruck ist falsch . Ich gebe mich mit dem Eindruck nicht mehr zufrieden , auch lasse ich mich nicht mehr von der Vogelperspektive täu– schen, ich habe gar nicht mehr die Kraft dazu , ich falle herunter wie ein Stein und bin unter euch, siehe da, ich bin klein und muß aufschauen . Zu wem man aufzuschau- _en hat , kann man sich nicht immer aussuchen, das ist eine Sache des durch die Vogelper– spektive verschleiert gewesenen Längenwachs– tums . Die GUTEN MORG~ sind allemal die Sonntag– margen . Wir geben die Hoffnung nicht auf, ob– wohl längst eines besseren belehrt . Manchmal rett en wi r den Frieden bis an den Frühstücks– tisch , den gedeckten , aber neben dem Kaffee hat schon der Zwist Platz genommen und läßt es sich wohl sein . Obwohl wir aufpassen, von Mal zu Mal sind wir vorsichtiger, schleichen uns aneinander vorbei, sprechen mit Samtpfo– ten . Manchmal ist es allerdings schon vqrher zu spät, da ist bis zum Mittagessen nichts mehr zu kitten , vielleicht nachmittags, wenn sich rechtzeitig ein Un ~erlegener findet , je früher desto besser, der seine Bchuld ein– sieht und Besserung gelobt . Doch das ist sel– ten und nicht leicht , a eh fällt auf, daß die Schul d immer an dir hängenbleibt", sie wird dir zugeworfen und du bringst sie nicht mehr los . Sie hakt sich auf deiner Haut oder zu– mindest in deinem Kleid fest und das ist auch nicht immer so rasch und leicht zu wech– seln und wird auch nicht erlaubt . An einem Sonntagmargen gilt es zu viele Klippen zu umschiffen , vielen Untiefen aus– zuweichen . Allzuleicht bist du gestrandet, zer schellt , in Seenot geraten und dann Gnade uns Gott . Schon das Erwachen ist eine schwie– rige Sache . Das Augenaufschlagen muß ab- und übereingestimmt werden mit deinem Daneben . - Das Interesse, dein all.einiges, ist an dein Daneben zu binden, sonst wird dein Daneben zu einem Daneben und das ist schon der erste Schritt zum Kontrahenten und dann haben wir die Bescherung . Jemand hat dir das Blei auf die Li– der gegossen , deshalb läßt du einst~ weilen die Atemzüge , seine dir scherz– haft in den Nacken geschnaubten , fal – len , und auch die Erschütterungen ,die durch seine Bewegungen , die ausge– schlafenen, dich wie auf einem Sprung– tuch aufrütteln sollen, begeben sich in unzugängliche Höhl~n . Schließlich fällst du doch dem Nebelhorn zum Op~er, wenn du Glück hast , ist es noch nicht zu spät. Das :·101}.en wir annehmen . Zeit um dich zu räkeln und um zu gähnen , die sei dir doch noch gegönnt , doch nicht zu lange , es wird alles als Taktik ent– larvt und angeprangert, seine Verletzun– gen stülpt er dir als einen Sack über , du hast zu tun, nicht daran zu erstik– ken , und durch das Totstellen erreichst du nichts . Also lassen wir uns auf die Realität ein, die gegenseitige , die vor gespielte, die subjektive . Wir bringen sie doch nicht auf einen Nenner , aber das wissen wir noch nicht , solange wir nicht darüber sprechen . Durch das Spre– chen entstehen die Kriege . Wir wollen uns der Sprache entledigen , man kann auch in Gefühlen denken, das fäll t leicht und ist weniger beschwerlich. Wenn ich dächte, würde · ich mich über die fremde Haut wundern, die sich in meiner spiegelt, die Poren , die Haare, die Augen würden mich erschrecken, und mit den Händen wüßte ich nichts an– zufangen . Ich würde mein Gegenüber in Te i len wahrnehmen, als Haut, als Hand, als Auge, als Zahn , als Stimme, ein zer– legter Körper würde sich an mir vergehen, ein befremdljches Staunen würde sich mei– ner bemächtigen beim Betrachten seiner Bewegungen und Bewerkstelligungen . Auch e ia Um:i~ Jen und ei Au fbegehren , doch das s c~leict v~rwuns c~e~ , es ist ei n Ver – hängnis , das Auseinandernehmen, das Zer– legen , denn auch das Zusammensetzen bringt oft nicht mehr das gewünschte Er-– gebnis, das Ganze ist nicht mehr als die Su•:v.e seiner Teile, und du kannst nur noch summieren, aber die Addition ist nicht das richtige Mittel um den Menschen zu begegnen . De s halb gib acht , bevor du dich auf sowas einläßt . Die Sonntagmorgen , du weißt es, sind gefähr l ich in dieser Hinsicht , du bist schon auf der Hut , aber das allein genügt nicht . ~ir müssen rechtzeit ig deine bleiernen Lider öffnen . Das Strek– ken , das Räkeln , das Gähnen sei ein Hin– wenden, eine Art des Vorstellens, sich Präsentierens , eine Art wortloser Kommu– nikation , es könnt e gel ingen . Wir sollen

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