Steyrer Tagebuch Nummer 10, März 1983

Lokales "Da ich ein wenig Einsicht in das Besol - dungsrecht habe , glaube ich nicht , daß kras– se (auch dieses Wort wurde auf den Zettel erwähnt) Gehaltsunterschiede bestehen . Die Beamten sollten doch ein wenig Rücksicht auf die schwierige Wirtschaftslage nehmen, da ihr Gehalt ja sicher und nicht zu knapp am Monatsende bereit liegt . 11 Nun , meine Tochter nimmt den Zettel wider– willig in die Schule mit , da sie sich vor eventuellen Angriffen des Lehrpersonals fürchtet . Der Zettel gelangt zu einem Pro– fessor , der ihn liest und dann spricht : "Dein Vater kann sich seinen Kommentar er– sparen , wir wissen selbst was wir zu tun haben ! " Ich bin auch der Meinung , daß die Profes– soren wissen , was sie wollen . Die Frage ist nur , warum sie sich hinter den Schülern ver– stecken . Ich bin auch etwas tr~urig , daß sie gleich das Wort "kämpfen" verwenden müssen . Es gibt bestimmt BeFufsgruppen , die bald um zu Recht bestehende Sozialleistungen werden kämpfen müssen . Außerdem , was passiert mit dem nicht durchgenommenen Lehrstoff - wird er in die nächsten Stunden einverleibt~ Jedenfalls , die Eltern haben es zur Kenntnis zu nehmen und ihr Signum drunterzugeben . f.r . SATIRE Unzulässige Vergleiche Kultur in Steyr Steyr hat drei Bordelle und zwei Theate.r . Die Bordelle zeigen Filme , das eine Thea– ter tut es auch meist . Di~ Filme unter - scheiden sich nicht wesentlich voneinan– der . In diesen Häusern wird herrliches, wildes Leben entschärft . In den Bordellen die Lie– be . Sie wird zeitlich begrenzt , mit Tari – fen belegt . Die Frauen werden wöchentlich vom Amtsarzt untersucht . Im Theater geschieht selbiges meist mit der Kultur . Genau geregelt , meist im Abon– nement , mit kleinem Imbiß vorher , Verdau– ungsstörungen mittendrin , feierlichem Um– zug in der Pause und stereotyp positiver Kritik in der Zeitung . Mit Theaterarzt , der schon zwanzig Jahre jede Vorstellung be– sucht . Entweder ist der Mann sehr wider - standsfähig , oder es ist doch nicht so schädlich . In den Borde l len wachen Zuhälter , daß je keine Dame mehr gibt oder weniger nimmt als übli ch . 7 Die Theater unterstehen dem Kulturamt, das darauf ~chtet , daß alles üblich verläuft, meist im Sande, und daß ja nichts Neues ausprobiert wird . Und wenn , dann kostet das natürlich . Will jemand in Steyr seinen individuellen Neigungen nachgehen, so haben die Bordelle nichts dagegen . Sie sind liberal . Selber leben und leben lassen . Hier unterscheidet sich das Kulturamt we– sentlich von den anderen Etablissements . Will man kulturell tätig werden , muß man sich Monate vorher anmelden .. Hat nämlich das Amt an dies~m Abend etwas vor , darf man nicht . Zwei kulturelle Veranstaltungen für 40 000 Einwohner ist sicher frivol . Auch ein Stück über Aufklärung soll man lieber nicht bringen . Man darf keinesfalls Hinweiszettel in der Stadt aufhängen , die das Amt nicht vorher mit winzigkleinen Löchern versehen hat, wo– für man natürlich zahlen muß . Wenn man bei seiner Veranstaltung singt, kommt ein Amtsrat im Mercedes , mit seiner Frau , wofür man natürlich zahlen muß . Spielt man im Theater , darf man nicht selber das Licht ein- und ausschalten . Das macht ein Gemeinderat , meist zur fal – schen Zeit , wofür man natürlich zahlen muß . Und dann kommt noch Feuerwehr und Poli– zei, die eh das Stück nicht interessiert , wofür man natürlich bezahlen muß . Natürlich , es herrscht große Konkurrenz in Steyr . Sicher , das Fremdenverkehrsamt ist viel erfolgreicher . Oder haben Sie in letzter Zeit Fremde in Steyr gesehen? Kultur gibt es noch. Aber sie schaffen es sicher . Josef Preyer

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