Kritische Anmerkungen zum Historisch-topographischen Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze OÖ

20 OBJEKTTYP (KATEGORISIERUNG) Grundsätzlich wurde angestrebt, dem Kategorisierungsmodell, das seinerzeit für die BurgenDatenbank31 des Landes Niederösterreich entwickelt wurde, zu folgen. Die Umsetzung dieses Modells hat sich indes als ziemlich kompliziert erwiesen, da das Handbuch nicht nur mittelalterliche Herrensitze, sondern auch ur- und frühgeschichtliche Wallburgen, Hügelgräber-Nekropolen, römische Kastelle, Militärlager, Gutshöfe und Ziegeleien sowie neuzeitliche Schanzwerke, umfasst. Eine gewaltige Herausforderung stellte insbesondere die valide Beurteilung der im Handbuch unter den Titeln „Sitz“, „Ansitz“, „Freisitz“, „Edelhof“, „Sedelhof“, „Hochhaus“, usw. geführten Objekte dar.32 Die Aufnahme wird schon einmal dadurch erheblich erschwert, da in der landeskundlichen Literatur mitunter keine Einigkeit bezüglich der Lokalisierung der jeweiligen Sitze besteht.33 Etliche Herrensitze dürften sich offensichtlich gar nicht in Oberösterreich, sondern in benachbarten Bundesländern oder sogar im Freistaat Bayern befunden haben. Bautechnische Untersuchungen sind heute kaum mehr möglich, da sich die angenommenen Herrensitze in der Regel als moderne Bauern- und Gutshöfe präsentieren, die in den letzten Jahren massiven baulichen Veränderungen und Umgestaltungen unterworfen waren. Typische Attribute eines niederadeligen Sitzes haben sich nur in Ausnahmefällen erhalten. Die Beurteilung der Sitzqualität ist aus bauhistorischer Sicht meist nicht mehr möglich. Einer besonderen Behandlung bedürfen sicherlich die unter dem Titel „Hochhaus“ geführten Objekte. Hier ist unbedingt zwischen dem Terminus und dem gleichlautenden Hausnamen zu unterscheiden. Der Terminus „Hochhaus“ wurde in den 1960er Jahren von Norbert Grabherr und Josef Reitinger eingeführt, und bezeichnet kleine Niederungsanlagen, die von einem Weiher oder Wassergraben umgeben waren.34 Der Terminus hat sich in der Mediävistik nicht durchgesetzt, vermutlich aufgrund der Verwechslungsgefahr mit dem modernen Begriff für vielgeschoßige, vertikal orientierte Bauten (sog. Wolkenkratzer). Da der Terminus „Wasserburg“ für diese kaum wehrfähigen Niederadelssitze und Speicherbauten (ebenfalls) nicht geeignet erscheint, plädieren namhafte Burgenforscher und Archäologen für die Anwendung des Terminus „Weiherhaus“. Bayerische Forscher verwenden auch die Begriffe „Wasserburgstall“ bzw. „Inselburgstall“.35 In keinem Zusammenhang mit den obig angeführten Niederungsanlagen stehen jene in großer Anzahl vorhandenen Gebäude, welche die Haus- bzw. Hofnamen „Hochhaus“, „Hochhauser“, „Hochhäusl“, „Häusl am Hochhaus“, usw. führen. Umfangreiche Inventarisierungen dieser Häuser wurden insbesondere von dem Landesbeamten Herbert Jandaurek36 in den Nachkriegsjahren 31 Vgl. KALTENEGGER 2007, 11ff. 32 Vgl. GRABHERR 1975, VIf. 33 So widersprechen sich die Angaben von Norbert Grabherr, Georg Grüll, Alois Zauner (alle Oö. Landesarchiv), Konrad Schiffmann (Oö. Studienbibliothek), Oskar Hille und Walter Neweklowsky (freie Burgenforscher) in vielen Fällen erheblich. 34 Vgl. GRABHERR 1962, 10ff.; REITINGER 1969, 420ff. 35 Vgl. STEFFAN 1989; STEFFAN 1992; POLLAK 2018, 37ff. 36 Vgl. JANDAUREK 1949, 1ff.; JANDAUREK 1964, 64ff.

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