Chronik der Stadt Reichenau

Besitzer derselben Liegenschaften und Häuser zahlen wohl in der heutigen republikanischen, für die Staatsbürger angeblichen Freiheit, den weit mehr als 100fachen Steuerbetrag, als früher unter dem kaiserlichen Regime und dem Herrschaftsjoche stehenden unfreien Eigentümer Es ist zu bedauern, daß über die früheren großen Bauernwirtschaften in Reichenau keine Verzeichnisse über die zu entrichtenden Herrschaftsab¬ gaben und Staatssteuern zu ermitteln sind. Das Wesen des Steuerzahlens war in früherer Zeit überhaupt ganz anders geregelt. Bis zum Revolutionsjahre unterstand Reichenau (1848) der Herrschaft Svijan und wurden alle staatlichen und herrschaftlichen Ab¬ gaben und Steuern vom Gemeindeschreiber eingehoben und an die Rent¬ amtskasse abgeliefert. Auch nach Errichtung des k. k. Steueramtes in Gab¬ lonz wurden sämtliche Steuern noch von der Gemeinde eingehoben und war mit deren Einkassierung durchviele Jahre Florian Müller Nr. 60 (Bäck¬ franze Flor) betraut. In denachtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trat eine Umwandlung ein unddie Steuerzahler mußten ihre Steuern direkt an das Steueramt entrichten. Jeder Steuerzahler erhielt ein Steuerbüchel in dem alle Staats=, Bezirks¬und Gemeindesteuern sehr genau detailliert waren. Jeder Bürger wußte nun genau, was er jährlich an Steuern zu entrichten habe. Kam einmal nach langer Zeit ein Exekutor nach Reichenau, um eine säumige Partei wegen einer Steuerschuld zu mahnen, so war das eine Schande für die betressendePartei. Heute geht der Exekutor bei seinen Besuchen in Reichenau sprichwörtlich von Haus zu Haus und wundern sich die Leute, wenn er an einem Hause vorübergeht und nicht einmal wegen einer Steuerschuld anklopft. Lotterie (kaiserliche und blinde). Geld (dessen Wert und Fälschung). Von altersher war die Menschheit wohl darauf bedacht, sich auf leichte Art und Weise Geld zu beschaffen. Die beste Gelegenheit schien vielen Leu¬ ten wohl die kaiserliche Lotterie zu sein, um für wenig Kreuzer Einsatz größere Gewinne einzuheimsen. Jedes Kronland der österreichischen Monarchie hatte seine eigene k. k. Lotterie und fanden die Ziehungen der Gewinstnummern abwechselnd jeden Mittwoch und Samstag in der betreffenden Hauptstadt statt. Ein Kind aus dem Waisenhause zog um 3 Uhr nachmittags die 5 Gewinstnummern unter trenger Aufsicht von Beamten aus dem Behälter. Telegraphenwesen und Eisenbahn gab es in früherer Zeit noch nicht und wurden die gezogenen Nummern von der Hauptkollektur durch berittene Boten weit über Land den Kollekteuren zugestellt, die die Nummern auf einem schwarz gestrichenen Brette an der Außenwand des Hauses zur öffentlichen Bekanntgabe aus¬ hängten. War in einer Kollektur ein Terno, Quarto oder Quinto, das war auf einen Einsatz 3, 4 oder 5 Nummern, gewonnen, so wurden diese Gewinstnummern mit vergoldeten Ziffern auf dem Aushängebrett gezeigt, während die Nummern ohne größeren Gewinn nur mit roter Farbe gestri¬ chen waren. Traf der seltene Fall ein, daß auf einen Einsatz alle 5 Nummern gezogen wurden, so erhielt der glückliche Gewinner wegen der zu großen Summe Wilhelm Preißler: „Chronik der Stadt Reichenau“. 12 177

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