Chronik der Stadt Reichenau

Der Spar= und Vorschußverein erfreute sich eines großen Vertrauens und Zuspruches von Seite der Bevölkerung und hatte bereits im ersten Jahre seines Bestandes einen bedeutenden Geldumsatz zu verzeichnen. In humaner Weise spendete der Verein alljährlich von seinen Reinerträgnissen größere Beträge für Armenpflege und andere Wohltätigkeitszwecke. Gesangverein „Sängerheim=Eintracht“ Obwohl in unserem sangesfrohen Reichenau bereits ein Gesangverein eine Tätigkeit zum Wohle des Ortes entfaltete, wurde im Jahre 1892 ein zweiter Gesangverein gegründet, und war es „Sängerheim=Eintracht“ der ein Vereinslokal im Gasthause „Zur Stadt Prag“ wählte. Es erscheint nötig, die Ursache dieser Vereinsgründung etwas näher zu beschreiben. In dem schon bestehenden Gesangvereine „Liederkranz“ hatten hauptsächlich die Maler die Vereinsleitung in Händen und wurden nur ausnahmsweise dem Malerstande nicht angehörende Personen in den Ver¬ ein aufgenommen. Der Maler Anton Wenzel hatte den Satz geprägt: „Der Gesangverein gehört den Malern“. Durch diese Unduldsamkeit gegenüber anderen sangeskundigen Kräften wurde im Jahre 1883 vom Turnvereine eine Sängerriege ins Leben gerufen, die sich durch einige Jahre im Turn¬ vereine, sowie auch in der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreute Nach den wöchentlichen Turnabenden wurde heitere Geselligkeit mit Ge¬ ang gepflogen. Die von Zeit zu Zeit stattfindenden Turnkneipen erfreuten sich im Vereine großer Beliebtheit und waren immer gut besucht. Die im Turnvereine gut ausgebildeten Sänger, welche ein eigenes Klavier zur Ver¬ fügung hatten, waren dem Gesangvereine lästige und unbequeme Konkur¬ renten und es kam deshalb zu Zerwürfnissen zwischen den beiden nationa¬ ien Vereinen. In der Sängerriege befanden sich ebenfalls Hitzköpfe und war die Folge dieser Unstimmigkeit die Auflösung der Sängerriege des Turnvereines. Der Geist und der Drang nach gesanglicher Betätigung war jedoch schon zu tief in die Turnersänger eingedrungen, sodaß es dem nach höheren Am¬ tern strebenden Maler, Turner und Mitglied des Gesangvereines „Lieder¬ kranz“ Eduard Tischer ein leichtes war, aus der zersprengten Herde der Turnersänger einen zweiten deutschen Gesangverein „Sängerheim=Ein¬ tracht“ zu gründen Es wurde seinerzeit und wohl noch heute von verschiedener Seite diese Vereinsgründung der Hartnäckigkeit und Unduldsamkeit der Maler zuge¬ schrieben, doch ist diese Behauptung zum Teil unrichtig, da die Mehrzahl der Gründer des „Sängerheim=Eintracht“ ebenfalls dem Malerstande angehör¬ ten und gleichzeitig Mitglieder des Gesangvereines „Liederkranz“ waren Hauptsächlich war diese Vereinsgründung wohl ein Werk des schon oben genannten Malers Eduard Tischer, welcher vom alldeutschen Schönerianer, päter mit der christlichsozialen Partei liebäugelte und schließlich vom anti¬ semitischen Agitator zum Marxismus überging. Eduard Tischer war erster Obmann des „Sängerheim=Eintracht“ Wohl wurde in späterer Zeit vom Gesangvereine „Liederkranz“ der Versuch unternommen, eine Verschmelzung der beiden Vereine herbeizu¬ ühren, doch scheiterte dieser Versuch an dem Widerstande des „Sängerheim¬ Eintracht“ Beide Gesangvereine wirken wohl gelegentlich bei kirchlichen Feiern oder bei anderen Anlässen zusammen, aber es sehlt die wahre Eintracht und es kam öfters zu Mißhelligkeiten unter den beiden Vereinen. 139

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