„Vaterländische Reise von Grätz über Eisenerz nach Steyr“

5 unterhalten, welcher sich so gerne in Reinlichkeit, Bequemlichkeit und einem gewissen reichlichen Äußerlichen zeigt, sondern es folgte auch daraus, dass die Stadt nach jedem zerstörenden Unglück verschönert aus ihrem Schutt wieder hervorging. Ein solches Unglück war die Feu- ersbrunst vom Jahre 1727, welche die Veranlassung zu vielen schönen Gebäuden und zu dem gegenwärtigen modernen Aussehen der Stadt wurde. Die nämliche Feuersbrunst mag auch die Ursache von der neue- ren Bauart des Schlosses sein; denn auch dieses brannte damals beinahe ganz ab. Doch befindet sich in der Mitte des Gebäudes ein viereckiger Turm, der ein durch alle Stürme der Zeit noch erhaltenes Überbleibsel von demWohnsitz der altenMarkgrafen sein soll. Ich konnte aber dieser Angabe nicht vollkommen Glauben beimessen; denn nebst andern Um- ständen schien mir besonders die Form der Tragsteine, welche auf den vier Ecken ein höheres Geschoß unterstützen, zu wenig alt. Das Schloss und die Herrschaft Steyr gehört gegenwärtig der fürstlichen Familie Lamberg; ungeachtet dessen und dass alle Häuser der Stadt frei bürger- lich (magistratlich) sind, so ist dennoch als ein Merkmal der vorigen Ab- hängigkeit der Stadt eine sonderbare Feudalität noch übrig. Viele Häu- ser nämlich müssen am Martini-Tage jedes Jahres an die Herrschaft Steyr eine Gabe von 1 Kreuzer, 1 Kreuzer 1 ½ Pfennig u. dgl. bezahlen. Sie wird ein verzügliches Burgrecht genannt, weil ein Verzug der Bezah- lung bis nach Sonnenuntergang den Verfall des Gutes, worauf die Gabe haftet, an die Herrschaft zur Folge hatte. Eine Mühle soll auf diese Art verfallen sein. Bei einem anderen Hause übersah man die Zahlung, weil darin gerade an diesem Tage Feuer ausgebrochen war; es konnte nur über Vorbitte der Kapuziner mit 600 Gulden wieder losgekauft werden. Ich zweifle nicht, dass ein so drückendes und bizarres Recht bereits ab- gestellt oder wenigstens auf eine vernünftige Art abgeändert worden sei; gleichwie es schon lange mit einem andern geschehen ist, welches mehr komisch als drückend war. Das Stift Seitenstetten musste bis vor einigen und dreißig Jahren am nämlichen Tage zwischen 8 und 9 Uhr morgens auf einem neuen, mit vier Ochsen bespannten Fuhrwagen ein Hühnerei durch die Stadt zum Schloss führen, wo es dann mit

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