Kunst und Kunsthandwerk, 15. Jg., 1912, Heft 1

4 Abb. 5. Holzscbnitt aus der Melusine, um 1475 Italien vorausgegangen. lmJahre r581 erschien in Venedig das erste Trincierbuch, dessen Ver– fasser Vincenzo Cervio vier Mes– ser und drei Gabeln von gleicher Form, jedoch von verschiedener Länge als notwendiges Gerät des Vorschneiders fordert. Die Klin– gen des Messers haben eine ge– rade Schneide und einen im leichten Schwung zur Messer– spitze abfallendenKlingenrücken; die Gabeln tragen sämtlich zwei runde Zinken. Die Länge der vier Messer beträgt nach den dem Trincierbuch in Originalgröße beigegebenen Abbildungen 15, 21, 23·5 und 26Zentimeter; jene der drei Gabeln 20, 23 und 2T5 Zentimeter. Ein zweitesTrincier– buch erschien 20 Jahre später in Rom. Verfasser war Giacomo Procacchi aus Ancona. Auf den Inhalt diesesBuches einzugehen, würde hier zu weit führen und so sei nur zur Beleuchtung des Ernstes, mit dem die Trincierkunst geübt wurde, erwähnt, daß Procacchi für das Zerlegen einer Gans 20 und des indianischen Hahnes 22 streng vorgeschriebene Schnitte fordert, wobei der kleinere Braten, zu welchem auch Spanferkel und Gans zählten, infreier Luft auf der Gabel zerlegt werden mußte. Eine deutsche Form des Vorschneidmessers aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts zeigt der Holzschnitt (Abb. 30) vom Jahre 1580 - ein Flugblatt auf alle Aufschneider, oder wie ein ähnliches späteres Blatt meint: ,,allen Bossenreissern, Maulauff– spreissern und Brillenschneidern zu sonderlichen gefallen". Die vollständige Reihe der notwendigen Geräte des deutschen Vorschneiders findet ihre Auf– zählung im Nürnberger Trincierbuch, erschienen 1652 beim Kupferstecher und Kunsthändler Paul Fürst. Fünf Gabeln und sechs Messer von verschie– dener Größe und Form werden genannt. Die größte Gabel hat eine lange und eine kürzere Spitze und dient zum Vorlegen von Hasen- und Rehrücken. Wenn wir nun vom Besteck des Vorschneiders zum eigentlichen Tischbesteckund dessen ältesten Teile, dem kleinen Tischmesser, übergehen, so können wir schon für das frühe Mittelalter zwei abweichende Formen der Klingen feststellen. Die Schneide ist leicht geschweift; der Klingenrücken gerade, bei einzelnen Messern jedoch in der Mitte etwa absetzend und in eingezogener Kurve zur Messerspitze verlaufend. Diese beiden Klingen-

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