Kunst und Kunsthandwerk, 15. Jg., 1912, Heft 1

3 Esther und Aman teilnehmen, liegen auf der reich mit Fischen besetzten Tafel zwei Messer mit geradem, an der Spitze rechtwinklig abfallendem Klingenrücken und halbmondförmig ausgeschnittener Schneide. Die so gebildete, mit der Schneide in einer Linie liegende Spitze diente offenbar zum Aufspießen und Vorlegen der Fleischstücke. Im XV. Jahrhundert erfährt das kleine Messer des Vorschneiders jene Gestaltung, aus der das spätere Tischmesser hervorgegangen ist. Auf einem Holzschnitte aus der Melusine, um 1475, sind drei Personen bei Tische dargestellt; es wird Geflügel auf– getragen und der seitwärts sitzende „Fürschneyder" hat ein kleines Messer aus einem Lederfutteral herausgezogen, um das Huhn kunstgerecht zu zerlegen (Abb. 5). Übrigens be– diente sich der Vorschneider, dessen Aufgabe sich allmählich zu einem eigenen Amt bei Hofe und an der Tafel des hohen Adels entwickelte, verschiedener Messer; so gab es größere für den Braten, kleinere für das Geflügel. Der Nachlaß des Trientiner Bischofs GeorgHak aus dem Jahre 1465 erwähnt „4 Fürschneydmesser in ainer schaid". Neben dem großen Transchiermesser und dem kleinen Zerlegmesser verfügt der Vorschneider gegen das Ende des XV. Jahrhunderts über ein drittes Messer mit breiter Klinge, abgerundetem Klingen– ende und ohne Schneide - das sogenannte Kredenzmesser. Auf dem Holzschnitt des Michael Wolgemut im Schatz– behalter - Nürnberg, Koberger 1491 - legt der Vor– schneider dem König auf einem solchen Messer ein Stück Fleisch zu (Abb. 7). Die Bestimmung des Kredenzmessers, auf ihm das Fleisch den Gästen zuzureichen, läßt es als wichtigstes Tischgerät zuerst besondere Ausstattung erfah– ren. Im Jahre 1489 erhielt ein Josef Schengk von Friburg sechs Gulden für „etlich calcidonien heft zu credenzmessern, so man von im kauft hat", und 1493 finden sich im Nach– lasse des Bischofs Ulrich von Freundsberg „ain schayd mit vier grossen und ainem klainen credentzmesser beschlagen und vergult", weiters 1506 im Inventar des tirolischen Haus- 1::-~~i~•:~;•;;:i~ kammeramtes „ain credentzmesser in ainer schaid mit silber beslagen und ubergult mit ainem calcidanen hefft". Das Trin– cieren oder Vorschneiden bei Tische - also nicht schon in geschnitten, franzö– sisch, um 1400. Län– ge 18·4 Zentimeter der Küche - datiert aus der Zeit der Minnesänger und wurde auch hier zuerst nur bei der fürstlichen Tafel gepflogen. Das Amt versah ein eigener Beamter, oder es setzten Edelleute eine besondere Ehre ein, diese Kunst zeigen zu dürfen. Ein Graf von Soissons fungierte 1227 bei einer Mahlzeit, welcher König Ludwig IX. in Soissons beiwohnte, als Vorschneider. Die größte Ausbildung erfuhr die Trincierkunst im XVI. Jahrhundert und eigene Transchiermeister unterrichteten Edelknaben im Vorschneiden. Darin war

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