Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 2, 1985

des 18. Jahrhunderts — überstrahlt. In ihrem autobiographischen Essay „Die Heimat meiner Kunst" (1934) geht sie vor allem auf ihre Stephana und auf „Frau Maria" ein. Hat sie in „Frau Maria" auch einen Schauplatz fernab von Österreich gewählt, so sind doch auch „die fernabliegenden Menschen und Landschaften mit dem ,Herzblut ifirer österreichischen Heimat' durchtränkt", schreibt Franz Berger im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Fssayband. Weiters heißt es: „Die Schönheit öster reichischen Landes hat in allen ihren Werken mitgedichtet, ob nun die Handlung ihrer Romane aus den schönen Landschaften an der Donau, Steyr und Krems und ihren Geschicken herauswächst, oder ob die Dich terin im Geiste in die deutschen Städte Jena, Mannheim und Quedlinburg führt". Selbst im fernen Quedlinburg begegnen wir einem Landsmann, dem Exulanten Franzmeier, der als evangelischer Christ seine oberöster reichische Heimat hatte verlassen müssen. Wie in Handel-Mazzettis Ballade „Deutsches Recht" (1908) ein Mädchen den Verbrecher, den sie zur Ehe begehrt, vor dem Henker bewahrt, so geschieht dies auch in „Frau Maria". Deutlich spricht aus letzterem Werk die Sehnsucht nach Wieder vereinigung der getrennten Kirchen, um die einst Johannes Kepler täglich gebetet hatte. Bundespräsident Miklas zeichnete die Dichterin 1931 mit der Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft aus. Die im Goethe-Jahr 1932 ge stiftete Goethe-Medaille wurde ihr mit Dekret vom 18. März 1932 von Reichspräsident Hindenburg verliehen. Handel-Mazzetti war auch Mit glied der Deutschen Akademie. Die Romane aus der Türkenkriegszeit „Die Waxenbergerin" (1934) und die unmittelbar daran anschließende „Graf-Reichhard"-Trilogie, „Der Held vom eisernen Tor" (1939), „Im stillen Linz" (1940) und „Held und Heiliger" (1949) bilden gleichsam die Schlußsteine in Enrica von HandelMazzettis Werk. Die eineinhalb Jahrzehnte zwischen dem Erscheinen der „Waxenbergerin" bis zu der erst 1949 in der Schweiz erfolgten Herausgabe des letzten Teiles der „Reichard"-Trilogie waren von politischen Umwäl zungen und deren bitteren Begleiterscheinungen, von Krieg und Not ge zeichnet. In deren Schatten war eine neue Generation von Autoren und Lesern herangewachsen, die kaum mehr einen Bezug zum Werk der Handel-Mazzetti finden konnte. In der Literatur hatte sich zudem ein ent scheidender Stilwandel vollzogen. So war es bereits seit den Kriegsjah ren, da man die Verbreitung ihrer Bücher untersagt hatte, still um sie ge worden. Die greise Grande Dame der österreichischen Literatur zog sich aus der Öffentlichkeit völlig zurück. Linz und das Land Öberösterreich sorgten nach Kriegsende für die Vereinsamte, der über Antrag von Lan desamtsdirektor Dr. Richter ein Ehrensold zugesprochen worden war. Hofrat Monsignore Dr. Franz Berger war der Dichterin auch nach dem Kriege ein hilfreicher literarischer Sachwalter geblieben. In Würdigung ihres Lebenswerkes war zu ihrem 80. Geburtstag vom Bundesministeri um für Unterricht und dem Land öberösterreich der Enrica-von-HandelMazzetti-Preis gestiftet vmd ihr am 10. Jänner 1951 als erster verliehen worden. Ihr Ehrenplatz bei der Verleihungsfeier im Linzer Landhaus blieb jedoch leer. Eine kulturelle Veranstaltung besonderer Art bildete die vom Direktor der Bundesstaatlichen Studienbibliothek Dr. Kurt Vancsa veranstaltete Dokumentenschau, die den Anstoß zur später erfolgten Gründung des Handel-Mazzetti-Archivs gab. Nach dem Tode von Hofrat Dr. Vancsa fand das Archiv im Adalbert-Stifter-Institut des Landes öber österreich eine würdige Heimstatt. Als die greise Dichterin am Karfreitag dem 8. April 1955 im 84. Le bensjahr ihre Augen für immer geschlossen hatte, veranlaßte der Verfas ser den' Wiener Dokumentarplastiker Willy Kauer, von der Verewigten eine Totenmaske abzunehmen. Nahe dem Grabe Adalbert Stifters ruht am St.-Barbara-Friedhof, was sterblich an Enrica von Handel-Mazzetti war. Mag man gegenüber den Sujets ihrer Romane auch Vorbehalte anmel den und wird uns heute auch manche Ausdrucksweise fremd anmuten, so mindert dies doch keineswegs die Verdienste Enrica von HandelMazzettis um das Schrifttum ihrer Zeit. Sie ist heute über ihr Werk, das einst Epoche machte, hinausgewachsen als Mahnerin zu Toleranz und Versöhnung im Zeichen einer alle konfessionellen Spaltungen und Tren nungen überbrückenden Liebe. Sie konnte tolerant sein, da sie sich in ihrem Glauben fest verwurzelt wußte und in der katholischen Kirche ihre geistige Heimat hatte. Daraus erwuchs ihr nicht zuletzt das Verständnis und die Achtung, die sie Andersdenkenden und Mitchristen aller Konfes sionen entgegenbrachte. Der Linzer Lyriker Arthur Fischer Colbrie grüß te Enrica von Handel-Mazzetti an ihrem 80. Geburtstag als Künderin, „die in einem Kriegs- und Haßjahrhundert die Brudersprache der Versöh nung lehrt." So versteht sich auch die Frage, die Landeshauptmann Heinrich Gleißner 1971 in der Gedächtnisschrift für die Verewigte aufgeworfen hat: „ob wir in einer Zeit ungeheurer Auf- und Umbrüche auf ein Werk, das nicht so sehr der Kunst als vielmehr dem Sendungsbewußtsein im Geiste der Toleranz verschrieben ist, auf die Dauer verzichten können?" Enrica von Handel-Mazzetti Die arme Margaret Ein Volksroman aus dem alten Steyr (Neuauflage der Originalausgabe von 1910) 232 Seiten, Leinen gebunden öS 220,— Die nach der Niederschlagung des Bauernaufstandes 1526 in Steyr spielende Geschichte der Protestantin Margaret Mayr, deren Mann um seines Glaubens willen hingerichtet wurde, und des jungen katholischen Leutnants Herliberg, der die ■Witwe mit Gewalt bekehren sollte, gehört zu den besten Romanen der Handel-Mazzetti. Der Konfessionskonflikt, den die Autorin so oft behandelt hat, schlägt hier ganz offen von Haß gegen die Ketzerin in Liebe um. Beiden Gefühlen ist Erfüllung verwehrt. Der katholische Jakob Zettel sorgt für die Verhaftung und Verurteilung des jungen Herliberg zum Tode, die durch Spießrutenlaufen vollstreckt wird. Alle diese Grausamkeiten, gemischt mit der Bitte der kranken Mayrin für ihren Verfolger, schildert die Autorin realistisch. Sie nimmt weder für die eine noch die andere Partei Stellung, sondern stellt die menschliche Situation in den Mittelpunkt, den Anspruch, »Fortschritt im Guten« zu zeigen. Eine ungewöhliche Sicht jener Geschichtsperiode; ein Versuch, Versöhnung zwischen den Konfessionen als Ziel anzustreben. W. ENNSTHALER-VERLAG, A-4402 STEYR 75

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