Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 2, 1985

X- -^tUs « der Positionen der Brüder Boisseree und Au gust Reichenspergers ablesen können. Be zeichnenderweise wird das Wirken dieser Vorkämpfer der Kirchenkunst auch in Ober österreich konkret faßbar; das bedeutendste Kunstwerk der Romantik, das Freinbergklo ster in Linz, wurde mit dem umfangreichen Stichzyklus nach Werken aus der Sammlung der Brüder Boisseree ausgestattet, und das literarische Werk Reichenspergers wurde für den oberösterreichischen Klerus zum eigent lichen Ausgangspunkt ihres Kunstverständ nisses; auf den Theorien des Rheinländers fußend, entwickeln einheimische Sachver ständige, wie Florian Oberchristi und Maximi lian Pammesberger, ihre eigenen Gedanken zur Kunst ihrer Zeit. Diesen kuiturgeschichtlich faßbaren Grund haltungen entspricht die formale Erschei nung der Kirchenkunst in hohem Ausmaß. Die Beibehaltung des „Nazarenermodus" er streckt sich bis zum Auslaufen der gesamten Kunstrichtung, das in Oberösterreich erst in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg erfolgt (die Domweihe von 1924 bildet hier einen wohl nicht zufälligen Schlußpunkt), und darf als conditio sine qua non kirchlicher Kunst bezeichnet werden. Die Bekämpfung aller anderen Modi, wie beispielsweise die Auf nahme von Jugendstilelementen, darf als Ausdruck eines fast ängstlichen Festhaltens am einmal gefundenen „Kanon" christlicher Kunst gewertet werden, das dort einsetzte, wo die nicht mehr überschaubare Möglich keitsvielfalt künstlerischer Form den „dienen den" Charakter der Kirchenkunst zu verunklären oder gar aufzuheben drohte. Wenn Walter Krause die Begriffe „Romantik" und „Manierismus" in der Qualität ihrer Anwend barkeit vergleicht,^® ist man versucht, das ro mantische Nazarenertum des frühen 19. Jahrhunderts einem „nazarenischen Ma nierismus" der Spätzeit gegenüberzustellen. Für den oberösterreichischen Bereich ist nun in der ersten Jahrhunderthälfte eine beachtli che Streuung der Formmöglichkeiten festzu stellen, die sich verschiedentlich verbinden und überlagern; die fast ungebrochene Fort führung barocker Tradition schlägt sich in einem spröden, oft reduzierten Nachbarock nieder, der teilweise und in unterschiedlicher Intensität klassizistische Elemente aufnimmt, die jedoch ihrerseits an keinem Werk ganz rein auftreten; Franz Schneiders große Kreuzwegstationen in Gramastetten, Frei stadt und Linz-St. Margarethen®® bilden für dieses ungezwungene Nebeneinander „stili stischer" Möglichkeiten ein eindrucksvolles Beispiel. Daneben treten ab dem zweiten Jahrhundertviertel immer wieder einzelne nazarenische Elemente in Erscheinung, die zwar recht isoliert bleiben, jedoch ein hohes 43

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