Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 2, 1985

urteilen getragenen — Pausctialierungen eines entwicklungsfätiigen „Byzantinismus" bzw. einer rein statischen „Maniera", die je weils die Annahme einer weitgehend amor phen Materialmasse voraussetzen, ab, stellt sich unmittelbar die Frage nach chronologi schen Gruppierungskriterien. Angesichts des Zerbrechens einer mehr oder weniger verbindlichen Formeinheit in der Zeit um 1800 und der damit verbundenen Auflösung der einheitlichen, letztlich allen Einschrän kungen zum Trotz immer aus der Erschei nungsform abzulesenden Stilqualität, schei nen die traditionellen Begriffsschemata nicht mehr zielführend anwendbar zu sein. Dar über hinausgehend stellt sich die Kardinaifrage nach der historischen Bedingtheit jeder „Epochenkunstgeschichte", auf deren Frag würdigkeit Geza Hajos im Hinblick auf das 19. Jahrhundert eindringlich verwiesen hat:^® nicht die „Stilepoche" verdient vorrangiges Interesse, sondern „historische (bzw. künstle rische Prozesse, die zu unterschiedlichen (weltanschaulichen) Gesinnungen in einem komplexen Verhältnis stehen". Demgemäß sind die Begriffe „Klassizismus", „Historis mus", „Romantik" u. a. lediglich Umschrei bungen von Einzelphänomenen, die trotz ge genseitiger Beeinflussung nur sehr bedingt in einen chronologischen Zusammenhang gebracht werden können. Dieser Ansatz Ha jos', der letztlich einen Reflex auf neuere Ent wicklungen In der Philosophie (v. a. Poppers „Das Elend des Historizismus") darstellt, könnte als Gegenschlag zu einer sehr beton ten Epochenkunstgeschichte mit ständigen Versuchen, plausible chronologische „Detail horizonte" zu finden, verstanden werden, wie sie beispielsweise in den veröffentlichten Vor lesungen Karl M. Swobodas^'' immer wieder anklingt. Man wird sich somit vorerst damit zufriedengeben müssen, das vorliegende Material im Spannungsfeld zwischen den Be trachtungsmodi von vertikaler Zeiteinheit und horizontalem Kräftefeld („Prozeß") zu belas sen, um in der Verschränkung beider Ansät ze den eigentlichen historischen „Ort" des in dividuellen Kunstwerkes festzustellen. Diese prinzipiellen Schwierigkeiten im Auge behaltend, läßt sich dennoch Zeittypisches in einer Weise aufsummieren, die tierechtigt, Gruppierungen in verschiedene chronologi sche Horizonte vorzunehmen. Die entschei dende methodische Neuerung ging dabei von Walter Krause aus,^® der den Modusbe griff in die österreichische Historismusfor schung einführte und in der Differenzierung der einzelnen „Modi" oder „Tonarten" zu gleich die übergreifende Verbindlichkeit des Historismusbegriffes untermauern konnte. Überträgt man nun diese — wiederum weit gehend aus der Untersuchung der profanen Kunst gewonnenen — Ergebnisse auf den kirchlichen Bereich, bietet sich ein etwas ab weichendes Bild. Die Trennung von „Roman tik" und „Historismus", für Krause nur teilwei se und mit Einschränkungen wirklich durchführbar, ist unmittelbar gegeben: mit der Thronbesteigung Bischof Rudigiers tritt ein grundlegender Wandel im SelbstverLinks: Linz, Freinberg-Kirche hl. Maximilian, 1836 vermutlich nach Entwurf von Erzherzog Maximilian von Österreich-Este erbaut, 1837 den Jesuiten übergeben, 1840 geweiht. Rechts: Linz, Freinberg-Kirche, Presbyterium, Evangelienseite, „Verherrlichung der Kirche" von Franz Stecher, 1841, Öl auf Holz, 455 cm X 202 cm. ständnis kirchlicher Kunst ein, der in den maßgeblichen Kreisen des Klerus rundweg als „Erneuerung" empfunden wird und dementsprechende literarische Propagierung erfährt. Diese gegenüber den vereinzelten Werken des Vormärz gänzlich verwandelte, gleichsam kompakte Produktionssituation bringt als Hauptwerk den Linzer Dom hervor, den noch Erika Doberer in ihrer grundlegen den Untersuchung als der Romantik zugehö rig bezeichnete: „Doch besitzt die Architektur in der Romantik noch mehr Erlebnisbreite als im Historismus, dem der neue Dom, wie jetzt wohl festgestellt werden darf, nicht ange hört."^® Dieser 1951, also längere Zelt vor dem Einsetzen der intensiven Erforschung des Historismus, geschriebene Satz, zeigt exemplarisch die Schwierigkeiten der Zuord nung auf und verweist zugleich auf die Periodisierung Renate Wagner-Riegers, die mit der Bezeichnung „Romantischer Historis mus" für die Frühphase zwischen ca. 1830 und 1860 der Vermittlerfunktion der Kunst dieser Zeit Rechnung trägt." Dabei bleibt die Herkunft der Idee einer „Denkmalkirche",^® wie sie Rudigier von Anfang an vor Augen stand, aus romantischem Gedanken gut unbezweifelt; dies darf durchaus auf den gesamten Bereich des Kirchenhistorismus erweitert werden, dessen Initialimpulse letzt lich sämtlich aus der Romantik der Zeit um 1800 herrühren; man wird die Umformung des Ideengutes aus den Anfängen um die Jahrhundertwende zu der Hochblüte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts etwa im Vergleich 42

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