Oberösterreich, 35. Jahrgang, Heft 2, 1985

Die Pastorale Gegenwart der Diözese Linz Josef Wiener Das Diözesanjubiläum ist nicht nur ein Anlaß zum Feiern und zur Rückschau auf den zu rückgelegten Weg, sondern auch ein Anlaß zur Analyse der Gegenwart, in pastoraler Fra gestellung bedeutet das, den Blick auf die Si tuation, auf Perspektiven, Probleme und Chancen zu richten. Die pastoraie Situation in der Diözese Linz Wir leben In einer Zelt des religiösen und kul turellen Wandels. Die Entwicklung Ist so stür misch, daß die Gegebenhelten, die zur Beur teilung heranzuziehen sind, höchst unterschiedlich und sehr verschiedenartig zu Interpretleren sind. Obwohl die eigentliche Wirklichkeit, nämlich das christliche Leben In Glauben, Hoffen und Lieben In lebendiger Beziehung zu Christus zu sehen Ist, Ist diese Realität aber nicht ohne weiteres feststellbar, so daß die Beurteilung zunächst auf äußere Gegebenhelten, wie zahlenmäßige Klrchenzugehörlgkelt, Häufigkeit und Regelmäßig keit des Gottesdienstbesuches usw., ange wiesen Ist. Diese Zahlen sind nun eindeutig rückläufig. So sind In den letzten zehn Jahren mehr als 38.000 Kathollken In der Diözese Linz aus der Kirche ausgetreten. Dem steht eine Rück kehrzahl von etwa 4000 gegenüber. Ebenso rückläufig Ist die Zahl der Gottes dienstbesucher, die In den letzten zehn Jah ren um ein Viertel auf ca. 30 Prozent der Ka thollken zurückgegangen Ist. Auch die Anzahl der Priester verringerte sich, ebenso die der Ordensfrauen. Umgekehrt hat die Kath.-Theol. Hochschule einen Hörerstand wie noch nie In der dreihundertjährigen Ge schichte des theologischen Studiums In der Diözese Linz (1984/85: 336). Die Bewerber für die Ausbildung für pastoraie Berufe sind mehr, als aufgenommen werden können. Die Zahl derer, die am Sonntag die hl. Kom munion empfangen, Ist gestlegen, neue For men des Einsatzes Im Dienst der Mission und Entwicklungshilfe haben sich gebildet und finden regen Zuspruch seitens der jugendli chen Bewerber. Diese Aufzählung von Licht und Schatten, von Hoffnungen und Problemen könnte fort gesetzt werden. Resignierte und pessimi stisch gesinnte Betrachter werden mehr die Probleme, andere mehr die hoffnungsvollen Selten hervorkehren. Wichtiger aber Ist der Hintergrund, vor dem sich solche Entwicklungen abspielen. Wir er leben das Ende einer geschlossenen Verbin dung von Kirche und Gesellschaft und zu gleich die Auflösung einer gemeinsamen tragenden Weltanschauung, wir leben In einer plurallstlschen Welt. Zudem leben wir In 1 I Stab des Bischofs Franz Joseph Rudigier (1853—1884), nach Entwurf von Dombaumelster Vinzenz Statz, diesem bedeutenden Linzer DIözesanblschof geschenkt anläßlich seines 25jährlgen Regierungsjubiläums, Symbol und Plakatmotiv für die diesjährige oö. Landes ausstellung „Kirche In Oberösterreich, 200 Jahre Bistum Linz". einer Zelt, die so sehr säkularisiert und so sehr vom Geist der Aufklärung durchdrungen Ist, daß für Gott kein Raum mehr zu sein scheint, well der Mensch alles aus eigener Kraft zu tun und zu erreichen glaubt. Eine solche Zeitsituation braucht eine ganz neue Art von Christen, nämlich solche, die Im Glauben mündig geworden sind, die Ihr Christsein so zur Reife gebracht haben, daß sie In der Pluralltät der Weltanschauungen und des verbreiteten praktischen Atheismus nicht nur selber bestehen können, sondern auch durch Ihr Beispiel und Ihr Lebenszeug nis den Glauben weiterzugeben vermögen. Solche Kathollken sind zunächst noch In viel zu geringer Zahl vorhanden, vielleicht kön nen sie optimistisch auf etwa 10 Prozent der Getauften geschätzt werden. Auch die Kirche muß sich erst allmählich — sie tut es viel zu langsam — auf diese neue Situation einstellen, nämlich einerseits freundlich einzuladen und Ihre Gemeinschaft für alle Menschen offen zu halten und ander seits weltzugewandt den Dialog pflegend. Sie muß das tun ohne Machtanspruch, In Be scheidenheit und dennoch Im Bewußtsein, daß sie Wesentliches zu bieten hat, nämlich die Botschaft Jesu, die die Menschen wirk lich brauchen, sollten sie nicht In Konsum einerseits und In Lebens- und Zukunftsangst andererseits geistig verhungern. Das 2. Vatikanische Konzil und In der Folge auch die DIözesansynode haben die Richtun gen bestimmt und die Gelelse gelegt für diese zu erneuernde Kirche und für diesen zu erneuernden Christen. Zusammenschauend kann man sagen, daß es darum geht. Immer mehr Menschen zu motivleren, zu bilden und zu „begeistern", das zu leben, was In Taufe und Firmung grundgelegt Ist, ein Christsein, das an der Aufgabe der Kirche verantwortlich und kom petent mitträgt. Wie ist die Diözese Linz zur Erfüiiung ihrer gegenwärtigen pastoraien Aufgabe ausge rüstet? Vorweg kann festgestellt werden, daß die Di özese Linz gut organisiert und ausgestattet Ist. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll hier einiges aufgezählt werden: Ein umfas sendes Netz von Pfarren Ist vorhanden, das alle Bereiche der Diözese erfaßt. In den neuen Ballungsräumen wurden zahlreiche Seelsorgestellen errichtet, fast alle Pfarren haben neben den Kirchen- bzw. Gottes diensträumen auch Pfarr- und Gruppenräu me für Runden und Veranstaltungen und für die Aktivitäten der Katholischen Aktion und verschiedener lalenapostollscher Gruppen. Die Dekanate bieten die Voraussetzungen für die Entwicklung einer regionalen pastoraien Ebene, um die pfarrllchen Strukturen zu er gänzen. Die Stifte und Ordensgemeinschaften tragen und unterstützen nicht nur die Seelsorge, sie widmen sich auch Ihren speziellen Zielen und Aufgaben. Die diözesanen Einrichtungen für Bildung, für das Lalenapostolat, für die Caritas und für weltweite Aufgaben sind gut ausgebaut und mit entsprechendem Personal ausgestattet. Auch wenn der zunehmende Priestermangel und der zu geringe Ordensnachwuchs Sor gen bereitet, die Gesamtstruktur der Pastoral Ist gut aufgebaut und bietet die Vorausset zung für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben. 15

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