Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 4, 1983

Marktwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. 1781 wu rden den drei märktischen Eisenhänd lern ihre Privilegien praktisch gestrichen; es wurden sowohl die Verschleißwidmungen und Preissatzungen aufgehoben, als auch die be vorzugte Stellung der Eisenhändler im Handel mit den Roheisenerzeugern untersagt. Ab jetzt stand es allen Produzenten und Händlern frei, Stahl und Eisen überall in den kaiserlichen Erblanden nach Belieben direkt vom Erzeuger oder über Vermittlung von Eisenhändlern ein zukaufen und auch wieder zu beliebigen Prei sen an Händler oder direkt an die Verbraucher weiterzugeben. Die drei märktischen Schmiedschaften be nutzten das sofort, die Verlagsabhängigkeit von den Eisenhändlern abzuschütteln und das Eisen direkt beim Erzeuger, der Innerberger Hauptgewerkschaft, einzukaufen. Es schloß sich an diese Entscheidung ein langjähriger Rechtsstreit, der vor allem die Stellung und zukünftige Funktion der dreimärktischen Ei senhändler klären sollte, die durch die Wid mungsbeseitigung gleichsam ,,als ein un schuldiges Opfer des Staates von diesem ver tilget worden seien" und ohne ihr Verschulden ihre Haupteinkommen verloren hätten. 1792 fällte die niederösterreichische Regierung das Schlußurteil und stellte fest, daß die Eisenver schleißfreiheit ihren Zweck voll erfüllt habe; die Eisenhändler seien zwar durch das neue Sy stem in ihren Einnahmen sehr eingeschränkt worden, da aber das Wohl der Privaten hinter dem der Ailgemeinheit zurückstehen müsse, glaube die Regierung, daß bei der 1781 einge führten Freiheit zu verbleiben sei. Das war das weitgehende Todesurteil für die 28 dreimärkti schen Eisenhändler. Für ihre Häuser, auf de nen der vormals so einträgliche Eisen- und Provianthandel radiziert war und die deswe gen mit hohen Steuern belegt waren, wurden die Steuersätze rückwirkend herabgesetzt und die zuviel entrichteten Summen zurücker stattet. Die Hammermeister errangen in dem langjäh rigen Streit um den Roheisenbezug den Sieg, da sie eine modernere Wirtschaftsauffassung vertraten, während die uneingeschränkten Lebensmöglichkeiten für alle 28 Eisenhändler nur bei Erhaltung der alten Zwangsverfassung gegeben gewesen wären. Ihre Wirtschaftsauf fassung stellten die Sprecher, der Großzerrennhammermeister Karl Engelbert Hummel und Johann Franz Amon, 1790 folgenderma ßen dar; Daß dem Staat und dem aufblühen den Kommerzium jeder Zwang und jedes Mo nopol schädlich sei, brauche man nicht zu be weisen, sowohl die Hammermeister zu zwin gen, die Ware nur an bestimmte Leute zu ei nem fixierten Preis zu überlassen oder nur von bestimmten Leuten das Roheisen zu über nehmen. In beiden Fällen werde der bele bende Eifer erstickt und der Kommerz gerate in die Stockung und es äußerte sich der Man gel an den nötigsten Produkten, und die Be völkerungsvermehrung werde hintangehal ten, weil nur dort, wo das Kommerz empor steigt, auch die Bevölkerung stufenweise vermehrt wird. Es würden auch in einem Zwang und Monopol die Preise der Waren nach Belieben so sehr erhöht, daß sie mit den ausländischen Waren nicht mehr konkurrenz fähig seien und der Aktivhandel nach außen für den Staat verloren sei, da so viel Geld in der Erde vergraben bleibe und nicht in Umlauf ge setzt werde. Durch ein nur in den finstern Zei ten entstehen könnendes Monopolium werde das Publikum selbst äußerst gedrückt und müsse einen weit höheren Preis tragen, und die ärmeren Schichten werden durch ein Mo nopol noch ärmer. Es wäre also nicht billig, daß das ganze Publikum unter dem Joche des Monopols schmachten und die so notwendi gen Eisenwaren um einen weit höheren Preis erkaufen sollte, damit ein paar Handelsleute, die sich ohnehin auf andere Handelszweige verlegen könnten, leben können. Das war die Argumentation der Großzerrennhammermeister, die sich auch durchsetzte. Der Großteil der Scheibbser Eisenhändler war daher ge zwungen, sich einen anderen Erwerb zu su chen. . Wie die Aufhebung der Widmungen von Zeit genossen beurteilt wurde, soll ein Bericht illu strieren, der 1810 in den Vaterländischen Blät tern veröffentlicht wurde; ,,Die Folge davon war, daß die durch die vorigen Einrichtungen begünstigten Familien von ihrem Wohlstande herabsanken, daß ihre Wohngebäude in Ver fall geriethen und dadurch vorzüglich die drei privilegierten Märkte von ihrem Ansehen ver loren. Dagegen erhob sich regere Thätigkeit weit und breit im Lande umher durch die ver mehrten Hammerwerke. Jeder rieselnde Bach, jeder in düsterer Waldung bequem ge legene Kohlplatz v^urde für die Eisenwerkstät ten benutzt, und nun leben tausend Familien in behaglichem Zustand, die vormals zur Berei cherung einiger einzelner darben mußten. Die Preise des Eisens sind wahrscheinlich nicht über das Verhältnis gegen andere Handelsar tikel erhöht, aber die Fabrikate sind zuverläß lich viervielfältigt worden." Doch währte die Hochstimmung nicht allzu lange, zumindest was die Entwicklung der Ei senindustrie des früheren Dreimärktebezirkes betraf. Denn von allen ehemaligen Eisenrevie ren erwies sich das Erlauftal als eines der kri senanfälligsten, wo man am stärksten in den alten Bahnen des Kleinzerrennens stecken blieb und den Weg zur Großproduktion oder Weiterverarbeitung nur in wenigen Fällen schaffte. Die josephinischen Reformen bedeuteten zwar die Reduzierung oder Beseitigung der Abhängigkeit der Hammermeister von den Händlern und Verlegern, konnten aber in der Praxis dem dreimärktischen Eisenwesen nicht die intendierten Impulse vermitteln; die Schmiedschaften konnten auf die Händler nicht verzichten, hatten weder die Möglichkeit noch die unternehmerisch-kalkulatorische Er fahrung für eigenen Rohstoffeinkauf und Ver trieb, während umgekehrt von der ge schwächten Händlerschaft das notwendige Kapital nicht mehr aufgebracht werden konn te. 1781 waren die Eisenhändler als Unter nehmer ausgefallen. An ihre Stelle traten sehr oft Wiener Händler oder ausländische Kom missionshäuser. Die Kaufmannschaft des Ybbs- und Erlauftales kam als Trägergruppe des Industrialisierungsprozesses nicht mehr in Frage. Damit war jene Schicht weggefallen, die wie in anderen Industrieregionen auch hier den Schritt vom Verlags- zum Fabrikssystem mittragen hätte können. Das Problem war die Bewältigung der Um strukturierung. Die Scheibbser Eisenhändler waren durch ihre Privilegien in der Lage gewe sen, ein gutbürgerliches Leben zu führen. Wie ertragreich der Eisenhandei war, zeigt sich am Wert der Häuser, die auf 4000 bis 8000 fl. ge schätzt wurden. Im Markt bildeten die Eisen händler die einflußreichste Schicht. Das Amt des Marktrichters stand in Scheibbs traditio nell einem der Eisenhändler zu. Einige Eisen handelsfamilien konnten es zu ganz beträcht lichem Einfluß bringen, so die Familie Weedl, die von einem Göstlinger Großzerrennhammerwerk stammte und in Scheibbs mehrere Eisenhandlungen erworben hatte. Auch die Familie Fürst konnte sich ein beträchtliches Vermögen schaffen; ursprünglich im Besitz des Sensenhammers in Gaming, kaufte sie später Eisenhandlungen in Scheibbs und Gresten. Aus Wien stammte Andre Heßl, der 1712 als Eisenhändler nach Scheibbs kam. Als die Eisenhändler 1792 den Roheisenhan del endgültig verloren hatten, waren sie allein auf den Vertrieb von Eisenwaren angewiesen. Die Innerberger Gewerkschaft versprach zwar, ihnen als Überbrückungshilfe jährlich etwa 10.000 Zentner Roheisen ohne die Ver bindlichkeit zu verabfolgen, es bei den Großzerrennhammermeistern verarbeiten lassen zu müssen. Doch scheiterte dieser Plan am ständigen Roheisenmangel bei der Gewerk schaft. Die Scheibbser Eisenhändler waren auch nicht in der glücklichen Lage, selbst ei gene Verarbeitungsbetriebe zu besitzen, wäh rend die Grestner neben der Eisenhandlung oft noch Pfannenhämmer oder Streckhämmer innehatten und so den Verlust des Eisenhan dels zumindest ohne Existenzkrise überste hen, ja sogar an der Konjunktur der napoleoni schen Zeit partizipieren konnten. 36

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