Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

Brigitta gende Jahrzehnt manche Enttäuschungen eingetragen. Wie der „österreichische Spiegel" im 1. Heft vom März 1949 berichtet, erhielt Ortner den Auftrag, für die Volksoper ein neues Buch zu Johann Strauß ,,Ritter Pazman" zu schreiben. Ortner wird in diesem Zu sammenhang von der Redaktion als der so vielen ,,Wunderliche" apostrophiert. Weitere Pläne, die Ortner beschäftigten, führten nicht zu den erhofften Ergebnissen. Das hat den einst gefeierten und um schwärmten Theaterdichter schmerzlich getroffen und seine letzten Lebensjahre, die er in Salzburg verbrachte, verdüstert. Ein auf dem Literaturmarkt außer Kurs gesetzter Schriftsteller ist bald vergessen. Nur wenige entsinnen sich noch an Ortner als Verfasser der Drehbü cher zu den Filmen ,,Singende Jugend", ,,Lumpazivagabundus", ,,Die Roseninsel" oder,,Musik in Salzburg". Was an lyrischen Stimmungs bildern aus Ortners Feder geflossen ist, darf an Bilhngers Gedichten nicht gemessen werden. Erwähnenswert bleiben von Ortners Prosa die beiden Meisterlegenden,,Meister Matthias Grünewald" und,,Leo nardo da Vinci", beide Künstler finden in der Kunst jene Erfüllung, die ihnen in der Liebe versagt büeb. Zu Ortners 60. Geburtstag gratulierte ihm die oberösterreichische Heimat durch Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner, der ihm ein Ehrengeschenk des Landes übermittelte. Am 25. Mai 1956 fand im Schubertsaal des Wiener Konzerthauses eine Lesung aus Ortners Werken statt. Albin Skoda las aus der Novelle ,,Apassionata", aus ,,Isabella von Spanien" und,,Veit Stoß", sowie aus,,Tobias Wunder lich" und dem heiteren Einakter ,,Die Brautwahl". Am Programm standen noch ein Kapitel aus dem nicht veröffentlichten Roman,,Ka tharinas Verkündigung" und Rezitationen aus dem Gedichtband ,,Die Sanduhr". Wenige Monate später, es war während der Salzburger Festspiele, am 18. August 1956, um 22 Uhr, erlag der Dichter in der Felsenreitschule einem Herzversagen. Was sterblich an ihm war, wurde am 22. August 1956 um 15 Uhr auf dem Friedhof von Bad Kreuzen beigesetzt. Für den Almanach,,Stimmen am Strom- Dichtung der Gegenwart in Oberösterreich" hatte Hermann Heinz Ortner dem Verfasser dieser Einführung 1951 eine Szene aus dem 1. Akt seines Manuskriptes zu ,,Brigitta", nach der gleichnamigen Novelle von Adalbert Stifter, als Originalbeitrag zur Verfügung gestellt. In freier Behandlung, auf Si tuationsdramatik abgestimmt, scheint die Szene manches zu ver raten, was Ortner, rückblickend auf sein Leben, zur Wahl dieses Sujets bewegt haben mochte, doch; ,,Was wissen wir, wie's oft bei einem Menschen drinnen ausschaut!" (Aus: Mater Dolorosa). Die Szene (I. /l) spielt an einem Frühherbstabend, im Zimmer Brigittas, auf ih rem Gut. Brigitta ist von der Jagd mit einer Armverletzung zurückgekommen und wird von ihrer treuen Magd Anka verbunden. Die Magd sieht im Unge wissen Abendlicht eine fremde, hohe Männergestalt über den Hof kommen. Noch ehe Brigitta sagen kann, daß sie für niemanden zu sprechen ist, wird die Tür aufgerissen und . . . Stephan Murrai: (steht in ihr. Eine dunkle, große Erscheinung. Er hat alles, was in den Augen der Menschen einen großen Herrn ausmacht. Seine Miene und seine Ausdrucksweise spiegeln eine Leidenschaft, die von starker Selbstbeherrschung gezügelt ist) Brigitta: (dreht sich ihm zu. Sie errafft den Mantel, der über einer Lehne des Fauteuils hegt, und legt ihn um ihre Schultern) Anka: (außer sich vor Staunen, hilft ihr dabei) Brigitta und Stephan: (sehen einander lange an, als stünden beide in ei nem itefen Traum und warteten nur darauf, endlich aus ihm zu erwa chen) Stephan: (bricht endlich das Schweigen. Leise, aber überaus eindring lich) Brigitta! Ich muß dich sprechen? - Brigitta: (verharrt in ihrem Schweigen, dann) Sie wünschen? Anka: (drängt sich vor) Die gnädige Frau ist sehr krank. Sieht das der Herr nicht? Brigitta (zu Anka, mit einer ganz fremden Stimme) Geh, Anka. Anka: (läßt die Blicke von einem zum andern gehn) Warum - ich? Brigitta: (ungeduldig) Bist du taub, Anka? Anka: (geht zur Tür. Ab) Stephan: Ich danke dir, Brigitta, daß du mich hörst. Brigitta: (hart) Sie irren. Ich habe das Mädchen nur fortgeschickt, da mit sie nicht dabei ist, wenn ich Ihnen sagen muß - Stephan: (flehend) Brigitta! Brigitta: (leiser). . . Wenn ich Sie bitte, nüch sofort zu verlassen und nie wieder zu kommen, Stephan: Ist das dein Ernst? Brigitta: So ernst, wie Leben und Tod. Stephan: (nach kurzer Pause, leidenschaftlich) Hör mich, Brigitta! Wenn du mich jetzt fortschickst, bin ich morgen nicht mehr unter den Lebenden. Mit demselben Gewehr, mit dem ich dich heute ohne es zu wissen auf der Jagd angeschossen habe, mache ich Schluß! (suchende Bewegung) Brigitta!! Brigitta: (sinkt in den Stuhl) Rühr mich nicht an! Ich bitte dich, laß mich allein und komm nie wieder. Stephan: So sag gleich: sterbe. Brigitta: Sterben ist nicht das Schwerste. Ich habe es zustandebringen müssen, weiterzuleben. Stephan: Ich hoffe, du wirst vergessen können. Brigitta: (mit einer seltsamen Ruhe, aus der zugleich Leid und Kraft einer großen Seele spricht) Das dachtest du! - Du hast mich rdcht nur wegen einer anderen verraten, die schöner und heiterer war als ich. (Schweigen) Du hast mich einmal zu deiner Frau gemacht, ohne zu wissen, wer ich in Wirklichkeit bin . . . (Pause) Stephan: (in tiefer Verlegenheit) Einen Monat später war ich wieder ich selbst, wie nach einem bösen Traum. Aber dem Erwachenden war al les schon zerstört. Nirgends warst du zu finden. Du rücht - und das Kind auch rdcht. Brigitta: Du hattest kein Recht, uns zu suchen. Stephan: Und dennoch: ich bin noch immer dein Mann. Auch wenn du hier deinen Mädchennamen führst und meinen verleugnest. Brigitta: Willst du noch einmal hören, um welchen Preis ich mein Wort hielt? Um welchen Preis ich dieses mein Wort halte? Stephan: Ich habe auf alles verzichtet, was das Leben für einen Mann groß und glücklich macht. Ich harre in diesem gottverlassenen Winkel aus, für nichts anderes, als daß ich manchmal sehe, wie du zur Stadt 81

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