Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

Links: Einzige erhaltene Fotografie von Franz Xaver Gruber Rechts: Das Franz-Xaver-Gruber-Museum in Arnsdorf bei Salzburg (Bezirk Salzburg) mit den Originalmöbeln aus Grubers Wohnzimmer, Haiieiner Besitz, der dem Museum in Arnsdorf zur Verfügung gestellt wurde. Foto: Landespressebüro Salzburg ernsteren Krankhelten verschont. Seine fri sche Bev\/eglichkeit und freundlich-zuvor kommende Haltung kennzeichnen ihn schon äußerlich als sympathischen Menschen. Er kleidete sich wie das bäuerliche Volk und die einfachen Leute mit kräftigem und haltbarem Zeug. Gerne trug er schwere Stiefel, ein fester, eisenbeschlagener Stock war sein ständiger Begleiter, wenn ihm das Wetter nicht ein gro ßes Regendach vorschrieb. In der kalten Zeit trug er einen blaugefärbten, groben Überrock und die damals im Volk übliche Schlögelhaube, eine Mütze aus Pelz mit vorstehendem, breiten Schild. Ein Biedermann in des Wortes gutem, altem Sinn, ein Mann, dem das Leben viel Schönes gab, ein Mensch, der die ihm ver liehenen Gaben recht nützte und damit froh und zufrieden war - so hat das Bild des ,,Stiile-Nacht"-Komponisten sich durch mehr als ein Menschenleben lebendig auf uns über tragen. Die Liebe zur Musik, die ausgewogene Zufrie denheit und die Geselligkeit - hierin liegt auch Grubers Wesensverwandtschaft mit Joseph Mohr. Gemeinsame Interessen, allen voran die Liebe zur Musik, mögen den kindlich frommen, leutseligen, jungen Priester und den begabten Musiker und vorbildlichen Lehrer Gruber bald zu herzlicher Freundschaft ver bunden haben, die schließlich zur gemeinsa men Schöpfung des Weihnachtsiiedes führte. Die Entstehung des Liedes ,,Stille Nacht, Hei lige Nacht" fällt in die Zeit nach Beendigung der Napoleonischen Kriege und der Neuord nung Europas auf dem Wiener Kongreß. Als es im Dezember 1818 in der St.-NikolausKirche in Oberndorf zum ersten Mal erklang, hatten die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinandersetzungen ein Ende gefunden. Auch das geistliche Reichsfürstentum Salz burg hatte einschneidende Veränderungen hinnehmen müssen. Nach seiner Säkularisie rung 1803 und der kurzen Episode eines Kur fürstentums, verlor es im Frieden zu Preßburg 1805 seine bisherige Souveränität und wurde österreichische Provinz, kam 1809 unter fran zösische Verwaltung, 1810 an Bayern und 1816 durch den Vertrag zu München endgültig zu Österreich, wobei es den selbständigen Status eines Landes verlor und verwaltungs mäßig Oberösterreich angegliedert wurde. Salzburg wurde dabei auch seiner landwirt schaftlich besten Teile im sogenannten Rupertiwinkel mit den Gerichtsbezirken Teisen dorf, Waging, Tittmoning und Laufen, beraubt. Die neue Grenzziehung traf vor allem die alte salzburgische Stadt Laufen schwer, da sie da durch von ihren am rechten Ufer der Salzach gelegenen Vororten Altach und Oberndorf mit der bereits im 12. Jahrhundert genannten Kir che getrennt wurde. Die Anregung zur Entstehung des Liedes gab Joseph Mohr, damals Coadjutor (Hilfspriester) in Oberndorf bei Salzburg. Kurz vor dem Weihnachtsfest des Jahres 1818 machte er dem Organisten der dortigen Nikolauskirche, Franz Xaver Gruber, mit dem er sich in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes in der erst seit 1816 bestehenden Pfarre eng befreundet hat te, den Vorschlag, gemeinsam etwas für die Heilige Nacht zu verfassen, was denn auch ausgeführt wurde. Mohr verfaßte den Text und überreichte ihn am 24. Dezember seinem Freund Gruber mit der Bitte, ihn passend für zwei Solostimmen und Chor mit Gitarrebeglei tung zu vertonen. Gruber übergab noch am Abend seine einfache Gelegenheitskomposi tion dem musikalisch gebildeten Auftragge ber. Da sie ihm gefiel, wurde das kleine Lied im engsten Zusammenwirken der beiden Schöp fer während der nächtlichen Christmette in der Nikolauskirche unter allgemeinem Beifall zur Uraufführung gebracht. Mohr sang Tenor, Gruber Baß, der Kirchenchor die Wiederho lung der beiden Schlußverse. Die Begleitung mit der Gitarre besorgte Mohr. Zu der für kirchliche Zwecke ungewöhnlichen Begleitung führte der Umstand, daß sich das alte Positiv der Kirche in sehr schlechtem Zu stand befand. Wahrscheinlich wollte Mohr das Lied lieber mit seiner Gitarre als mit dem ver stimmten Instrument begleitet haben. Das schadhafte Positiv gab auch den Anlaß für die erste Verbreitung des Liedes außerhalb der engeren Heimat: den Bemühungen Gru bers war es nämlich zu danken, daß Obern dorfs Kirche nach Uberwindung verschiede ner Schwierigkeiten im Jahre 1825 ein völlig neues Orgelwerk vom bekannten Orgelbau meister Carl Mauracher aus Fügen im Zillertal erhielt. Mauracher lernte während seines fünfbis sechswöchigen, für die Aufstellung des Werkes benötigten Aufenthaltes in Oberndorf das Lied kennen und brachte es in seine tiroiische Heimat. Dort hörten es die als Sänger bekannten Geschwister der Handschuhma cherfamilie Strasser aus Laimach im Zillertal, die es auf ihren jährlichen Geschäftsreisen - 35

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