Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 3, 1982

I. Die gestern noch im steilen Maßwerk glühten, Die unnahbaren Scheiben, die uralten. Darf ich dem Stein entlösen und behüten Und wie ein Bleibsel kühl in Händen halten. Auf meinem Werktisch liegen sie wie graue. Verstaubte Bretter; ein Gewirr von Ruten. Nur wenn ich eine an das Fenster baue. Steh' ich verzaubert in den Farbengluten. Ich schaue erst und staune nur und brenne. Eh' ich die zarten Gläser sacht anrühre. Die BUdgestalten, wie die Schrift benenne Und prüfend meine Hand darüber führe Zu Bruch und Sprung und Patina; Konturen Verrauchter Stürme und uralter Sommer. So nah vor diesen heiligen Figuren Stand bald kein kalter Kenner und kein Frommer. Dem Meister geh' ich nach, dem Unbekannten, Dem Unbeschwerten, dem das Werk genügte; Wie er die Gläser malte, die gebrannten Dann mit dem Blei zu klaren Bildern fügte. Wie er die Scheibchen schnitt mit glüh'nden Zangen, Sie zueinander wog, verwarf und tauschte. Bis Sinn und Zeichnung kühn zusammenklangen. Und Färb' um Farbe ineinanderrauschte. In seine Kunst, in seine Zeit versunken. Steh' ich entrückt mitten im Tiergebrülle. Dort brennt die Welt, doch ihre bösen Funken Vergehn wie Schnee an meiner neuen Fülle. O Gnade solcher Pflicht, o reines Brot, Das Deine Hände, Herr, mir neu bereiten! Den Ausgestoßnen hebst Du aus der Not Und stellst ihn mitten in die Herrlichkeiten. n. Des Moses Flucht, der Durchgang durch das Meer, Des Herrn Geburt und seine Wundertaten. Nur im Gerank um jene Szenen her Redet die Zeit mich an, nur aus den satten Farben des Teppichs, der die Pässe trägt. Darein wie in köstlich geschnitzte Rahmen Der Meister seine schlichten Bilder legt. Wie sie auch ihm aus Zeiten überkamen. Rührt seine Einfalt an mein Herz? Bezwingt Mich nur die Kraft gebändigter Bewegung, Der auch die kühne Szene sanft gelingt? Ist's Wehmut, ist es brennende Erregung, Wenn uns ein Mensch aus dunklen Zeiten trifft Und Bruder nennt, wenn er, sich unergründet. Von uns sich deuten läßt wie eine Schrift? Noch gestern hätt' ich mich daran entzündet. Heut schau' ich nur die heilige Gestalt Als wie zum erstenmal, als hätte einer Die frommen Bilder neben rrür gemalt. Ein Mensch, ein Mann wie ich, der jetzt in seiner Verlassenheit nach dem Erlöser schreit. Was mir oft Brauch schien, längst geklärte Sage, Die letzte Zuflucht ist's in dieser Zeit Und hallt und singt durch meine stummen Tage. Lass' mich in deiner Werkstatt nur ausruh'n. Mich nur an deine Gottgewißheit rühren. Zu deiner Ordnung bloß ein Endchen tun. Mit deiner Sicherheit den Pinsel führen! Ich bin kein Eigen mehr, bin kein Verkünder Der neuen Welt, und mit mir trag' ich nichts. Was du nicht besser hast. Ich komm' als Sünder, Gejagt von den Posaunen des Gerichts. 88

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