Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 3, 1982

STEYR Tradition und Fortschritt Am Zusammenfluß der beiden Gebirgsflüsse Enns und Steyr liegt die tausend Jahre alte Eisenstadt. Im Schütze der um das Jahr 980 erstmalig urkundlich genannten „Styrapurhe" entstand eine Ansiedlung, aus der im Laufe der Jahrhunderte die Stadt zu ihrer heutigen Form und Gestalt heranwuchs. Ihre Entwicklung ist seit dem Jahre 1287, als Herzog Albrecht I der Stadt das „Große Privileg" verlieh, eng mit der Verarbeitung des Eisens verbunden. Vom steirischen Erzberg wurde es ursprünglich mit Kähnen ennsabwärts befördert; heute rollen schwerbeladene Erzzüge durch das Ennstal, um das wertvolle Rohmaterial zu den Verarbeitungsstätten zu bringen. Waren es früher handwerkliche Erzeugnisse, so sind es heute die Produkte der eisenverarbeitenden Industrie, welche die Stadt weit über die Grenzen des Landes hinaus bekanntmachen. Fleiß und Regsamkeit waren schon zur Zeit des Handwerks hervorragende Tugenden ihrer Bewohner, die sich bis in unsere Zeit bewahrt haben. Trotz vieler alter Privilegien, welche die Stadt einst zugesprochen erhielt, blieb sie nicht von Sorgen und Nöten bewahrt. Brand katastrophen äscherten ganze Stadtteile ein, verheerende Hochwässer brachten viele Bewohner um Hab und Gut, Kriege ver breiteten Angst und Schrecken und die Bomben des 2. Weltkrieges schlugen ihr tiefe Wunden. Immer wieder aber regten sich fleißige Hände und schufen neuen Wohlstand und neues Ansehen. Josef Werndl, der durch zähen Fleiß aus einem handwerklichen Familienbetrieb die österr. Waffenfabriksgesellschaft begründete, stieß das Tor zum Industrie zeitalter auf. Zu seiner Zeit fanden in dem Betrieb schon an die 10.000 Menschen Arbeit und Brot. Aus diesem Werk wurde in der Folge die Steyr-Daimler-Puch AG, der bedeutendste Fahrzeugproduzent des Landes. Die wirtschaftliche Orientierung auf einen Betrieb machte aber die Stadt, wie die Zwischenkriegszeit zeigt, sehr empfindlich gegenüber wirtschaftlichen Krisen. Daraus ist auch das stete Bemühen der Stadtverwaltung um die Ansiedlung neuer Betriebe zu sehen. Mit der Gesellschaft für Fertigungstechnik und Maschinenbau, kurz GFM genannt, und in letzter Zeit dem BMW-Motorenwerk, sind neue leistungsfähige Werke entstanden. Wenn die Stadt auch weltweit durch die Erzeugnisse ihrer Industrie bekannt geworden ist, ist sie es wert, um ihrer selbst Willen beachtet zu werden. Ein Spaziergang durch ihre Altstadt, zur 1000-Jahr-Feier mit viel Einfühlungs vermögen und beträchtlichem finanziellem Aufwand restauriert, läßt den Besucher in wenigen Stunden Jahrhunderte durch wandern. Der Stadtplatz vereint, wie kaum seinesgleichen, die verschiedensten 12 Bild links: Steyr — historischer Stadtplatz Bild unten: Im Vordergrund das neu errichtete BMW-Werk, links davon ein Teil des Wälzlager werkes und im Hintergnmd die Hauptwerke der Steyr-Daimler-Puch AG. (Freigabe vom BMLV mit ZI. 13.080/177-1.6/81) Baustile vom berühmten spätgotischen Bummerlhaus bis zu den prachtvollen Bauten der Renaissance, des Barocks und des Rokoko. Alte Höfe laden zum beschaulichen Verweilen ein und ein Spaziergang auf die Anhöhen der Stadt wird durch einen herrlichen Rundblick belohnt. Die Eisenverarbeitung, immer ein bestimmender Faktor im Geschick der Stadt, wurde zur Kunst erhoben. Aus Gebrauchsgegenständen wurden Kunstwerke, wie schmiedeeiserne Wirtshausschilder, Gitter und Grabkreuze. Wenn bei einem Spaziergang hin und wieder der Eindruck entsteht, die Zeit sei stehengeblieben, so täuscht dies. Rund um den historischen Stadtkern wuchs in den letzten Jahrzehnten das neue Steyr heran. Durch die Erweiterung der bestehenden und die Errichtung neuer Betriebsstätten setzte ein Zuzug von Arbeitskräften ein, der die Stadt verwaltung vor große Aufgaben stellte. Neue Wohngebiete waren zu erschließen, Wohnungen, Schulen, Kindergärten und zahlreiche infrastrukturelle Einrichtungen zu bauen. Die Lage an den Flüssen brachte mit dem raschen Ansteigen der Motorisie rung mannigfache Verkehrsprobleme, welche durch den Bau von Brücken, Umfahrungsstraßen und durch Ver besserung des bestehenden Straßennetzes weitgehend gelöst wurden. So hat die Stadt Steyr auch in unserer modernen Zeit eine liebenswerte Eigenart bewahrt. Sie gibt ein Beispiel einer glücklichen Harmonie von Tradition und Fortschritt.

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