Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 2, 1979

Eine unsägliche Wehmut war in meinem Herzen... Das oberösterreichische Kremstai ais Landschaft Adaibert Stifters Herlinde Rigby „In Kremsmünster, das In einer der wunder vollsten Gegenden dieser Erde liegt, lernte ich die Alpen kennen, die nur ein paar Meilen davon im Süden sind. Ich ging von dort (spä ter auch von Wien) sehr oft in das Hochge birge. In den lezten zwei Jahren war meine Wohnung so, daß, wenn ich Morgens die Augen öffnete, die ganze Alpenkette in mein Bett herein schimmerte. Wie viele heimliche Gedichte machte ich damals, wenn ich Abends allein auf irgend einer Höhe unter Obstbäumen saß, und der unendlich zarte Rosenschimmer über die Berge floß^" Adaibert Stifter schrieb diese Zeilen wenige Wochen vor seinem Tode-eine Rückschau in seine Jugendzeit, die uns einmal mehr beweist, wie sehr der Dichter durch die Landschaft dieser Gegend beeindruckt und beeinflußt worden ist. Ja, der Oberösterreicher kann stolz sein auf seine Heimat. Der Bück vom Pöstiingberg in Linz erfaßt das Bild landschaftlicher Vielfalt ringsum, die von Poeten des In- und Aus landes besungen wurde und besungen wird. Während der Fremde jedoch die satte Schönheit des Landes ob der Enns bestaunt und beschreibt - man denke etwa an die Reisetagebücher eines Eichendorff darf der Sohn dieses Landes aus den Kräften schöpfen, die einer guten Tradition ent springen. An dieser Stelle also-vor der zweitürmigen Wallfahrtskirche - können wir Adalbert Stif ters Leben begreifen: Linz ist der Mittelpunkt seines späteren Wirkens geworden, zu un seren Füßen-an der Unteren Donauländeiiegt sein Wohn- und Sterbehaus; die Donau weist träge auf die Jahre in Wien hin; vom Norden wehen die rauhen Stimmungen des Böhmerwaldes über das Mühlviertel, des sen Hügelwelt unserem Dichter vor allem in den letzten Lebensjahren viel Mut ge schenkt hat; vor uns öffnet sich der Blick über die fruchtbaren Ebenen des Alpenvor landes hin bis zu den mächtigen Gipfeln der Alpen. Und diesen Landstrich wollen wir ge nauer beleuchten; er ist es besonders, der den jungen Stifter, das Kind aus Oberplan, zu dem machte, als was wir ihn heute be zeichnen dürfen - zu einem der Unsrigen, denn die Quellen, die aus Oberösterreichs Landschaft in seine Dichtung sprudelten, versiegten nie. Das literarische Erbe aus dieser Landschaft ist reich: Stifter hat es an getreten wie kaum ein zweiter nach ihm. Freilich muß in der Betrachtung der Wirkun gen des Kremstaies auf Adalbert Stifter be hutsam vorgegangen werden. Das Werk ei nes Menschen wird ja erst am Ende seines Lebens überschaubar, wir aber lernen hier den Dreizehnjährigen kennen. ,,Adaibert Stifter wurde im Fleken Oberpian im südlichen Böhmen am 23. Oktober 1805 geboren. Sein Vater war Bürger und Lein weber in Oberpian, übte aber sein Hand werk nicht aus, sondern bewirthschaftete seine Felder und trieb einen kleinen FiachshandeP." So beginnt Stifter später seinen Lebenslauf zu erzählen, in dessen ruhige Beschaulichkeit schon bald das Schicksal von Oberösterreich aus einschneidend ein greifen soll. Der Vater, Johann, kommt hier auf einer Geschäftsfahrt ums Leben: ,,lm Jahre 1817 im Herbste wurde er zwischen Wels und Lambach bei dem Gasthause ,zum Wirth im Berg' etwa zweihundert Schritte gegen Lambach hin von einem fal lenden Flachswagen erschlagen^." Eine Zeitlang scheint die Zukunft des Buben un gewiß. Stifter schildert diese Zeit so, wie er sie in kindlicher Unbekümmertheit erlebt haben mag: ,,Von diesem Herbste an bis zum Herbste 1819 besorgte ich mit dem Großvater Augustin, dem Vater des Vaters, die Feidwirthschaft. Wir pflügten, eggten, fuhren, hütheten unsere Rinder und derglei chen. Ich erinnere mich, daß ich in jenen H 1^^ I II iBMtfi «h t' • ■ 5-4

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