Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

Innviertier Wallfahrtsorte Dietmar Assmann Welchen Wandel das Wallfahrtswesen im Laufe der Zeit auch In der Auswahl der Kult objekte mitmachen kann, mag eine Stelle bei B. Pillweln zeigen, der In Anlehnung an den bayerischen Schematismus aus dem Jahre 1755 folgende Wallfahrtsorte auf zählt, und zwar mit dem Beisatz ,,ln früherer Zelt sehr besucht: 1. Ach, 2. Heiligenstatt, 3. Kirchdorf, 4. die Herrschaftskapelle zu Eberschwang, 5. Brunnenthal bey Schär ding, 6. Maria-Bründl bey Rab, 7. St. Florian bey Uttendorf, 8. St. Salvator ob dem Hardt, 9. St. Pantaleon zu Weng". Die beiden heute weitaus bedeutendsten Gnadenstätten des Innviertels, nämlich Maria Schmölln und Schardenberg, sind bekanntlich erst später entstanden bzw. zu Ihrer großartigen Be deutung gelangt; umgekehrt haben einige der oben genannten Orte in der Gegenwart nur mehr geringen lokalen Zuzug. Über das Wallfahrtswesen an sich gibt es zwar eine Fülle einschlägiger Literatur, doch wird man darin kaum entsprechende Defini tionen finden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es verschiedene regionale Unter schiede gibt, die zu dieser Frage einen län geren Gelehrtenstreit unter den Volkskund lern ausgelöst haben. Wir verstehen darun ter-im Gegensatz zu den ,, Prozessionen"- sowohl das gemeinsame Wallen (das bei den heute wieder in Schwung gekommenen Fern- und Mehrortewallfahrten auch in ei nem modernen Verkehrsmittel erfolgen kann) wie auch den Gang eines einzelnen, soferne ein bestimmtes Gnadenbild, das als solches durch seine Wunderkraft bestätigt ist, das Ziel darstellt, aus einer besonderen Intention (z. B. einem Gelöbnis) heraus durchgeführt wird und mit einer religiösen Handlung (Gebet, Opfer) zumindest am Kultort selbst verbunden ist. Wegen seiner vielen sichtbaren Äußerun gen (Kultobjekt, Votivgaben, Wallfahrts brauchtum) zählt das Wallfahrtswesen zu den wichtigsten Zeugnissen der Volks frömmigkeit. Zudem ergeben sich insbe sondere in den verschiedenen Gründungs bzw. Ursprungslegenden, in denen eine Reihe numinoser Momente wirksam wurde, Anknüpfungen an natur- und gemein schaftsgebundene Religionsstufen. Auch in manchen anderen Erscheinungen des Wall fahrtswesens tritt das Volkstümliche im Glauben stärker hervor als In anderen For men des katholischen Kultus. Im folgenden kurzen Uberblick sollen einige solcher Momente aufgezeigt werden, die im Innviertei wirksam geworden sind. Steinheiligtümer Anders als z. B. im Mühlviertel, wo, bedingt durch die Unmenge der hier vorkommenden MJavia-Bcünhl hei Saab. Ansicht der Wallfahrtskirche Maria Bründl bei Raab, Bezirk Schärding, aus ,,Marianisches Oberösterreich. Denkwürdigkeiten der Marien verehrung im Lande ob der Ens, zusammenge stellt von P. Georg Koib, Linz 1889" Darunter: Hellkräftige Quelle an der Brunnen kapelle in Maria Bründl bei Raab. Foto: Fr. Gangl und oft eigenartig geformten Granitblöcke, viele davon in Verbindung mit einem christ lichen Heiligtum gebracht wurden, sind im Innviertel nur ganz wenige derartige Ur sprungslegenden von Wallfahrtsstätten überliefert. Ein bekannter ,,Spurstein" - seine Vertie fungen und Löcher werden in der Volksüber lieferung als Eindrücke des hl. Wolfgang gedeutet - befindet sich bei der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Fiiialkirchezu VALENTINSHAFT. Neben dem hl. Valentin, dem Patron gegen Epilepsie und Fraisen (siehe Haselbach), wird hier auch der hl. Wolfgang verehrt, der gerade infolge verschiedener Stein-Legenden zu einem so bedeutenden Volksheiligen geworden ist. Sein Hauptheiligtum, die berühmte Wall fahrtskirche St. Wolfgang Im Salzkammer gut, zählte im späten Mittelalter zu den wich tigsten Wallfahrtsorten der ganzen Chri stenheit. Am bedeutendsten Wallfahrtsweg von Bayern nach St. Wolfgang liegt das Kirchlein von Valentinshaft, wo heute noch der Spurstein und ein Ursprungsbild mit dessen Darstellung und folgendem Text er halten ist: ,,Sanct Valentin durch dein Vorbitt Mich von hinfallender Vraiß behüt Auch andere Ulbel von uns treib, Und mach mich gesund in Seil u. Leib. Heiliger Wolfgang bitte Gott, Daß Er uns schützt von Krieg u. Noth Von Schauer Feuer Wasser Gefahr Und allen Ulbel in diesen Jahr." Zwischen diesen beiden Anrufungen wird auf den Stein Bezug genommen: ,,Hier an dieser Kirchen ist ein Stein, daran ein Denkmal von den Wunderthätigen Bi schof Sanct Wolfgang noch heutiges Tags zu sehen ist." Quellheiligtümer Diese Gruppe hat gerade im Innviertel be sonders viele Kultstätten hervorgebracht, die zum Teil auch heute noch oft und gerne aufgesucht werden. Heilquellen, deren Ent stehung man früher ebenfalls numinosen Kräften zugeschrieben hatte, sind so wie bestimmte Steinformen oder gewisse Bäume bereits in frühen Religionsstufen, aber auch in anderen Hochreligiohen Be standteil des Kultes geworden. Manchmal wurden auch an einer Steile mehrere sol cher numinoser Kräfte wirksam. Um eine Kultkontinuität aus vorchristlicher Zeit handelt es sich dabei nur in den selten sten Fällen. Das beweist allein schon die Tatsache, daß zumindest im Innviertel kaum eines dieser Quellheiligtümer weiter als In das frühe 17. Jahrhundert zurückreicht. Die älteste Nachricht von einer Heilquelle - al lerdings nicht in Verbindung mit einer Wall fahrt - ist in der bekannten Versnovelle ,,Meier Helmbrecht" von Wernher dem Gärtner erhalten, die um 1270/80 entstan den ist. Sie bezieht sich auf das ,,Goldbründl" gegenüber der Wallfahrtskirche von Ach in der Ortschaft Wanghausen und lau tet: ,,liber sun min nu trinc / den aller besten ursprlnc / der uz erden ie gefloz / Ich weiz niht

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