Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

tisch er sich oft gab, draufgängerisch, im bäuerlichen Leben wurzelnd, war im Grunde seines Herzens aber ein gemütlicher Mann, hilfsbereit für jedermann, der diese Hilfs bereitschaft verdiente, und immer anre gend. Im Urfahrer Urnenfriedhof hat er seine letzte Ruhestätte gefunden. Eigentlich ge hörte sein Sterbliches in Innviertier Erde. Das war im April 1948 leider nicht möglich. Dieses Anklingen an die Innviertier Mundart ist auch in den Werken anderer aus dem Innviertei stammender Schriftsteller und Dichter, Zeitgenossen Itzingers, festzustel len, so bei Gustav Streicher und Richard Bil linger. Diese beiden haben sich jedoch in erster Linie der hochdeutschen Sprache be dient. Gustav Streicher, der von 1873 bis 1915 gelebt hat, wurde in Auerbach bei Uttendorf geboren. Schon in Kinderjahren den Todeskeim in sich tragend, die Tuberkulose, damals eine Volkskrankheit, hat er in der kurzen Zeit seines Erdenwandels nicht aus tragen können, was ihm vorgeschwebt ha ben mag. Zunächst dem Volksstück zugetan, hat er Hans Schatzdorfer, der Hans von Piesenham, geboren am 19. 7. 1897, gestorben am 24. 12. 1969, in seinem Heim mit seinen Geigen. Foto: J. Mader sich an Max Halbe gehalten. So ist er auch in die Literaturgeschichte eingegangen. Als sein Hauptwerk gilt das Drama ,,Stephan Fadinger". Aber Gustav Streicher wollte bei aller Liebe zu seiner Heimat, zum Bäuer lichen, etwas anderes. Ihn hatte im Verlauf seiner dichterischen Entwicklung August Strindberg gefangengenommen, vielleicht auch Otto Weininger mit seinem damals die Zeitgenossen so aufregenden Buch ,,Ge schlecht und Charakter". 1903 zum ersten mal erschienen, war das Werk für junge Menschen derart bewegend, daß ihm ein aufstrebender schöpferischer Mensch gei stig kaum ausweichen konnte, gleichgültig, ob er diese Ansichten teilte oder verdamm te. Man sprach da von dem bedeutendsten philosophischen Werk seit Nietzsche. In Bad Hall, wohin Streicher zur Kur ging, für einen Lungenkranken ein sonderbarer Auf enthalt, da Jod doch kalklösend wirkt, er eilte ihn am 12. August 1915 der Tod. Als eine der großen dramatischen Hoffnungen der österreichischen Literatur um die Jahr hundertwende wurde Gustav Streicher zwei Tage nachher begraben. Der seinerzeitige Eichendorff-Bund Linz verhinderte im letz ten Augenblick, daß die sterblichen Über rechte des Dichters nach zehn Jahren aus gegraben wurden. Sein Märchendrama ,,Traumland" beweist, was aus ihm hätte werden können, wäre ihm ein längers Leben beschieden gewesen. Richard Billinger hingegen durfte sein Werk ausleben. Schon mit seinen Gedichten ist er, von der bekannten Tänzerin Margarete Wiesenthal entdeckt und von Hugo von Hofmannsthal gefördert, ins Blickfeld der deutschen Leserschaft getreten und wurde von der zuständigen Kritik als ein Neuerer bezeichnet. Neu war entschieden seine Auf fassung vom Leben aus der Sicht des Innviertlers und dementsprechend auch Wort und Form seines Gedichts wie später seines Dramas. Mit seinen Dramen eroberte er dann buchstäblich die ganze abendländi sche Kulturwelt, eingeschlossen die Verei nigten Staaten von Nordamerika. Er wurde sogar an den großen Bühnen in New York gespielt. Mit dem ,,Perchtenspiel", bei den Salzbur ger Festspielen 1928 uraufgeführt, und der ,,Rauhnacht" (von seinen ,,Rossen" nicht zu reden, weil sie, obgleich in drei Akten, nicht abendfüllend sind) fing es an. Zu nen nen sind noch ,,Die Hexe von Passau", ein Bühnenwerk, von dem es zwei Fassungen gibt; die zweite wurde nach dem Zweiten Weitkrieg bei den ,,Europäischen Wochen" in Passau aufgeführt, ,,Gabriele Dambrone", ,,Der Gigant" (als Film ,,Die goldene Stadt") und ,,Der Plumpsack". Richard Biliinger ist auch als Filmautor bedeutend ge wesen. Hier ist sein Drehbuch zu Ibsens ,,Peer Gynt" in Erinnerung zu bringen. Von seinen Romanen ist ,,Das Schutzengeihaus" zu erwähnen. Auch seine Prosa ist aus dem innviertierischen Sprachrhythmus geboren, seine vielen Diminutive sind hier zu einer Manie geworden, die sich sonder bar abhebt von seiner sonstigen Urwüchsig keit. So auch sein Satzbau, den er von sei nen Dramen übernommen hat. Immerhin: Billinger ist ein echt schöpferischer Geist gewesen, dessen Werk gewiß wieder aner kannt werden wird. Gegenwärtig ist er, wie so vieie seinesgleichen, in einer unergündiichen Versenkung verschwunden. Er starb 1965 zu Linz. Eigentiich sollte sein barockes Wesen in unserer Zeit, deren Literatur oft an die der Romantik erinnert, bald wieder auf erstehen. Seine Dichterschaft ist nicht an zuzweifein. Stets warerein kräftiger, unver bildeter Fabulierer der Landschaft seiner Jugend und ersten Mannesjahre, im Grunde ganz zum Bayerischen hingewendet. Nicht von ungefähr hat er im bayerischen Nieder pöcking seinen Wohnort gehabt, wenn gleich er oft auch in Hartkirchen nächst Eferding bei seiner ,,Basl" undin Linz auf getaucht ist. Der Rahmstrudel der BasI war zu schmackhaft, um an Hartkirchen achtlos vorbeizufahren, auch das Wasser der Aschach lud wie kein zweites zum Schwim men am frühen Morgen ein, am besten nackt, und die oberösterreichische Landes regierung war auch splendid genug, um im mer wieder mit einem Vorschuß auf die oh nehin bereits Monate vorausbezahlte Eh renpension herauszurücken. Denn Billinger lebte gerne aus dem vollen, in Gelddingen biieb er zeit seines Lebens ein Kind, das keine Erfahrung in solchen Dingen hat; schon seine Mahlzeiten bewiesen in ihrer Menge einen Magen mit großem Volumen. Die Famiiie Kapsreiter in Schärding, wo er oft zu Gast war - der heutige Hausherrr, damais ein Heranwachsender, hat mit Stau nen beobachten können, was ein Mensch alles auf einen Sitz vertiigen kann, und erzähit das immer mit lachendem Gesicht-, hat in dieser Hinsicht neben der Famiiie Ludwig in Wien in erster Linie Anschau ungsunterricht genossen. Aber so war Bil linger bei aller Anstrengung eines Dichters um die ietzte Auswertung seiner Gedanken ein Glücklicher, ähnlich dem Franz von Pie senham, so unglücklich er sich auch dann und wann gefühlt haben mag. Mit dem innviertei hat es ja etwas Eigenarti ges an sich: es zieht geradezu die schöpfe rischen Kräfte an, soweit es nicht selbst sol che hervorbringt. Dabei spieit nicht zuletzt die im Jahre 1923 zu Braunau gegründete.

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