Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 2, 1978

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Historische Kunst Alpinismus in Oberösterreich Dr. Gerhart Prell Die bergsteigerische Erschiießung des Toten Gebirges 2 Rudolf Lehr Die Erschiießung des Dachsteins 11 Hannes Loderbauer Wander- und Bergsteigerabzeichen in Oberösterreich 21 Dr. Wilhelm Freh Das Leopold-von-Buch-Denkmai im Pechgraben - ein Denkmai geoiogischer Forschung in Oberösterreich 29 Prof. Erna Blaas Das schöne „Bettierfenster" 59 Oberösterreich aktuell Die Schaunberger in Oberösterreich 65 Entstehung und Beschreibung des Kurhoteis in Bad ischi 67 Landesrat Rudolf Trauner Die Bergbahnen in Oberösterreich 69 Bücherecke 79 Kulturzeltschrift Oberösterreich 28. Jahrgang, Heft 2/1978 Vierteijahreszeitschrift; Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine; März, Juni, September, Dezember Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesveriag; Redakteur: Dr. Otto Wutzei; verantwortiich für den inhait im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Eifriede Wutzei; Druck: 00. Landesveriag Linz, sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf (0 73 2) 78 1 21. Jahresabonnement (4 Hefte): S 178.-; Einzeiverkaufspreis: S 55.-. (Alle Preise inkl. 8 % MWSt.) Denkmalpflege Dr. Wilfried L. Lipp Private initiativen der Denkmaipfiege in Oberösterreich 33 Landeskunde Prof. Rudolf Walter LItschel Vor zweihundertJahren; Der bayerische Löwe unter dem Doppeiadier Kunst der Gegenwart Der Zeichner uMnadler Anton Watzi Umschlagmotiv; Farbiithographie von Friedrich Simony mit folgender Bezeichnung: ,,Das Todte Gebirge", gem. v. F. Simony, Lith. von J. Novopacky, eigenhändige Signatur Simonys rechts unten: ,,approbirter Pro bedruck F. Simony". 00. Landesmuseum, Graphische Sammlungen, Signatur: O. 11/1935. in seiner Studie ,,Charakterbilder aus den österreichischen Alpen", erschienen in Gotha bei Justus Perthes 1862, be schreibt Friedrich Simony kurz das Tote Gebirge. Unter anderem heißt es darin: ,,Der Vordergrund des Bildes stellt eines jener grauenvoll zerfressenen, tausendfäl tig durchhöiten Karrenfelder dar, wie sie hier stundenweit den Rücken des Gebirges bedecken." 47 Gestaltung; Herbert Friedl. 43 Schwerpunktthema von Heft 3/1978: Dichtung in Oberösterreich.

Kulturzeitschrift Mit dem Schwerpunktthema „Alpinismus in Oberösterreich" will sich unsere Zeitschrift um einen Beitrag zum heimischen Frem denverkehr bemühen. Eine neue Sommer saison regt an. Erschließung der Bergwelt gehört zur Kulturgeographie eines Landes. In Dr. Gerhart Prell lernen wir in der österrei chischen Alpinliteratur einen neuen Autor kennen, der ,,Die bergsteigerische Er schließung des Toten Gebirges" mit großer Sachkenntnis und Liebe zum Thema be handelt. Sein Aufsatz ist als willkommene Ergänzung zu seinem soeben im Oberöster reichischen Landesverlag erschienenen Landschaftsbuch über das Tote Gebirge zu werten. Beide Veröffentlichungen rücken diese Berglandschaft deutlich in den Blick punkt unseres Interesses. Rudolf Lehr, Verfasser des Aufsatzes ,,Die Erschließung des Dachsteins" ist in der Al pinliteratur seit langem bekannt. Seine be sondere Liebe gilt dem Dachsteinmassiv, das er als Wahl-Hallstätter sehr genau kennt. Beim Bekanntheitsgrad der Bergwelt des Dachsteins ist es erstaunlich, daß der Autor immer wieder neue Gesichtspunkte findet, neue Perspektiven eröffnet. Im Auf bau seiner Abhandlung geht Rudolf Lehr von der Gegenwart aus, um aus dem Heute zur Geschichte zu finden, wobei Friedrich Simony - wie könnte es anders sein - eine besondere Rolle einnimmt. Mutig ist sein Eintreten für die moderne Erschließung un serer Berge durch Seilbahnen, deren Bau von ihm auch als Alpinleistung dargestellt wird. Das reiche Tatsachenmaterial wird für unsere Leser übersichtlich zusammenge faßt. Hannes Loderbauer, Schriftsteiler und Pho tograph, ist u. a. als Erfinder der Wander nadeln und Bergsteigerabzeichen bekannt geworden. Mit seiner zusammenfassenden Darstellung dieses für den Fremdenverkehr reizvollen Themas führt er gleichzeitig in die oberösterreichische Bergwelt außerhalb Dachstein und Totem Gebirge ein. Der Leser wird für Wanderungen viele Anregungen finden. Etwas abseits von der Theamtik ist der Bei trag von Museumsdirektor i. R. Dr. Wilheim Freh über das Leopold-von-Buch-Denkmal zu verstehen. Hier soll jedoch der Zusam menhang der geologischen Forschung mit dem Alpinismus hergestellt werden, ein lan deskundlicher Bereich, der intensiver bear beitet werden sollte. Reichhaltig sind diesmal die einzelnen Fachsparten bedacht. In der,,Denkmalpflege" greift der Mitarbei ter des Bundesdenkmalamtes Linz, Dr. Wil fried L. Lipp, in dankenswerter Weise ,,Pri vate Initiativen der Denkmalpflege in Ober österreich" auf. Mit seiner Darstellung korri giert er etwas die landläufige Vorstellung von der Abseitsstellung der Denkmalpflege. Es gibt auf diesem Gebiet doch noch viel Idealismus mit der Bereitschaft zum Einsatz oft beträchtlicher Privatmittel zur Erhaltung unseres historischen Baubestandes, somit unserer Kulturlandschaft. Gegliedert ist die Abhandlung nach Burgen und Schlössern, Bürgerhäusern und Bauernhäusern. Frei lich muß die Denkmalpflege im Lande viele Mißerfolge hinnehmen. Warum sollen aber nicht auch die positiven Beispiele einmal hervorgehoben werden? In der ,,Landeskunde" leitet Prof. Rudolf Walter Litschel das kommende Gedenkjahr ,,200 Jahre Innviertel bei Österreich" ein. Anschaulich schildert er die politischen und militärischen Ereignisse, die zum Erwerb des Innviertels geführt haben. In der Sparte ,,Kunst der Gegenwart" wird ein Linzer Künstler vorgestellt, der unser besonderes Interesse verdient, der,,Zeich ner und Maler Anton Watzl". Der beglei tende Text wurde aus Kritiken zusammen gestellt, die dieser bescheidene, dafür um so aktivere Künstler in Verbindung mit vielen Ausstellungen erhalten hat. Selbst .kommt er zu Wort' mit Porträts und Landschafts zeichnungen jüngsten Datums, Ergebnis sen einer Reise nach Stockholm. Prof. Erna Blaas, bekannte Dichterin, er weist sich in diesem Heft als begeisterte Kunstkennerin unseres Heimatlandes, spe ziell des Kremstales. Ihre Liebe gilt einem eher volkskundlichen Thema, dem soge nannten ,,Bettlerfenster" an unseren alten Bauernhäusern, das in seiner Entstehung und Ausformung jedoch durchaus in die all gemeine Kunstgeschichte einzuordnen ist. In ,,Oberösterreich aktuell" weist R. W. Lit schel auf die Ausstellung im Eferdinger Schloß ,,Die Schaunberger in Oberöster reich" hin. Im Interesse des Fremdenver kehrs wird das neue Kurhotel Bad Ischl vor gestellt. Landesrat Rudolf Trauner behan delt ein Lieblingsthema seiner Fremdenver kehrspolitik, die ,,Bergbahnen in Oberöster reich". Dargestellt werden zu diesem Thema die fremdenverkehrspoiitische Be deutung der Seilbahnen, die oberösterrei chischen Seilbahngebiete und ihre Entwick lung, ihr zukünftiger Ausbau und der aktu elle Akzent ,.Seilbahnen als Vermittler des Bergeriebnisses".

Die bergsteigerische Ersohiießung des Toten Gebirges Gerhart Prell Lage und Charakteristik Das Tote Gebirge begrenzt als gewaltiges Bollwerk mit einer Ost-West-Ausdehnung von rund 50 Kilometern den Süden Ober österreichs und gibt nur an seinen äußer sten Flanken mit den Tälern der Traun bzw. Steyr und Telchl schmale Durchgänge In die benachbarte Obersteiermark frei. Innerhalb der Nördlichen Kalkalpen nimmt es als großräumige, In der Höhe weltgehend verkar stete Plateaulandschaft eine anschauliche Sonderstellung ein, auf die bereits 1862 Friedrich SImony In seinen ,,Charakterbil dern aus den österreichischen Alpen" ver wies. Die auffallende Pflanzenarmut des Hochkarsts dürfte einst auch namengebend für den gesamten Gebirgszug gewesen sein, blieben doch die riesigen Karrenfelder oberhalb der nutzbringenden Almen und Wälder für die nüchtern denkenden Bewoh ner ,,totes" Gebirge. Mit dem vor etwa zwei Jahrhunderten einsetzenden Interesse für das Hochgebirge kam jedoch Leben auch In die vordem entlegensten Teile der Alpen. Hing man sich am Anfang der Erschließung noch gern das honorige Mäntelchen der Wissenschaft um, so verlagerten sich die Aktivitäten bergbegeisterter Männer Im spä ten 19. Jahrhundert Immer mehr auf die rein touristisch motivierte Entdeckung bisher unbekannter bzw. unerstlegener Berge. Wie fleißig man dabei bis In die jüngste Vergan genheit vorging, beweisen die In unseren Tagen gegenläufig einsetzenden Klagen von der Übererschließung der Alpen mit all Ihren technlsch-zivlllsatorlsch bedingten Krankheitskeimen. Im Gegensatz zu manchen benachbarten Gebieten, Insbesondere In den bayerischen Alpen, muß das Tote Gebirge mit wenigen Ausnahmen auch heute noch als Hort der Einsamkeit und Stille gelten, welches, um mit Pater Gottfried Hauenschild zu spre chen, ,,noch nicht jenen Duft von Jungfräu lichkeit verloren hat, der nur selten besuchte Höhen schmückt". Nach menschlichem Er messen dürfte sich dieser Zustand auf dem etwa 400 Quadratkilometer umfassenden Zentralplateau zwischen Großem Priel, Tauplltzalm und Zwölferkogel so schnell nicht ändern: zu unwegsam Ist das Gelände In durchschnittlich 2000 Meter Höhe, zu karg und streng die Landschaft, und viel leicht auch-bei aller herben Schönheit-zu arm an marktschreierischen Superlativen für die Fremdenverkehrsindustrie. Wenn auch das Tote Gebirge von seinem geomorphologlschen Aufbau her mit dem gegenüberliegenden Dachsteinmassiv eine enge Verwandtschaft aufweist, ja gleichsam ein Komplementärstück dazu darstellt, er reichte es doch zu keiner Zelt auch nur an nähernd dessen Publicity. Es blieb ein stil les, bereits In München oder Innsbruck nur wenig bekanntes Berggebiet, das In den Annalen des Alpinismus nie Furore machte. Unberührt vom Internationalen Bergstelger rummel gehören seine Wände und Grate, viele seiner entlegenen Täler und etliche seiner Seen noch heute nahezu ausschließ lich den Oberösterreichern und Oberstelrern, die es mit Inniger Helmatllebe er schlossen und Immer wieder besuchen. Die verhältnismäßig hohe Anzahl von 24 Schutzhütten, zum allergrößten Teil von den Bergsteigervereinen der unmittelbaren Um gebung errichtet und erhalten, legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Daran ändert auch EBENSEE J ^ Speikkg // / 1708 OJ aW k Langwand Hohe Schrott A ,ggg i/ 1703 ' STEYRLING /f| ..J WINDiSCHGARSTEN srhermhprn "a ^ Wildenkogel (Schonberg) 2093 ö Totes denseeh a 1590 Q Appeihaus 1660 ii»«rkg ^ Broöi 2036 VIv-'. 23271 ▲ 2267 „ 1 Ö/' «O'sschrrr Sp.t^zrnau^ A^ Puhringerh ^ CTÄ Ai703 Feuedal 8 M ■. i—l 2347 f Brotfaiir,*/. Ap 2327^ r;.* '^Ostfäwitz "^1824 ^ Dletrholle*»VV Hochkasten * Loserh. ,v. altausseeM Potschenhohe 992 ^ Trisseiberg J*.'*' ALTAUSSEER SEE Hebenkas^ A A 2284 A Gastkar A ^^ Kalte Herberg ■ 4 \ Weiße Wand ^ 2193 Kraxen B 21971 Scheibiing-frag! A Gr Traqi 2151 ••••■•..A2175|%^ L Zellerh H Ä .••••.•.. lütterer HoO '.••'••I»*.*«"-. ' Toter Ma kSlubwieswiplei II '/J HALLSTATT /l| A Hoher Sarstem 4^.. »r ■mv ^ Sturzh '•AQ • 190: n ir -...--.-.v 1928 \ Pyhrnpaß Sturzhahn? 1903 Tauplltzalm, r II 11 n

Links: Übersichtsskizze Totes Gebirge, ge zeichnet von Herbert Fried!, Nachdruck aus dem Buch von Gerhart Prell: Totes Gebirge. Ein Landschaftsbuch über die Alpen zwischen Traun und Steyr. - Linz: Oberösterreichischer Landesverlag 1978, von dem der Großteil der Bebilderung dieses Aufsatzes in dankenswerter Weise übernom men werden konnte. Rechts: Aus der Reihe der Erschließer des Toten Gebirges zwei Porträtbeispiele, die Vergangenheit und Gegenwart des Alpinismus in Oberösterreich kennzeichnen: Friedrich Simony, 1813-1896, Aufnahme Bildarchiv der österreichischen Nationalbibliothek, und Sepp Wallner, 1909-1975, Aufnahme H. Pilz, Linz. nichts die Tatsache, daß als erste alpine Künder vom Toten Gebirge Gebietsfremde in Erscheinung traten, wie etwa die Erzher zöge Johann und Ludwig von Österreich, etwas später der ,,Böhm" Friedrich Simony und schließlich die Wiener Anton von Ruth ner, der erste Präsident des österreichi schen Aipenvereins sowie der in Biindenmarkt gebürtige, später in der Kaiserstadt lebende Geologe Georg Geyer. Die Erschließung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Während man bei den meisten Gipfeln in der Gletscherregion der Zentraialpen recht exakt die Erstersteiger eruieren kann, ist dies bei vielen Kaikaipenbergen kaum mehr möglich. Wo verhältnismäßig einfache Rou ten auf einen schnee- und eisfreien Gipfel leiten, ist anzunehmen, daß dieser irgend wann von einem unbekannten Einheimi schen, Jäger, Wildschütz oder Hirten, ohne viel Aufhebens zum erstenmal bestiegen wurde. Dies mag im Toten Gebirge in ganz besonderem Maße der Fall gewesen sein, sind doch mit Ausnahme des Sturzhahns oberhalb der Taupiitzaim alle Gipfel von der Karsthochfiäche aus relativ leicht zu bege hen. So muß wohl oder übel der Begriff ,,Erstersteigung" auf die touristischen Am bitionen der ,,Herrenbergsteiger" einge schränkt werden, womit deren Leistung an gesichts der damaligen Ausrüstung keines wegs geschmälert werden soll. Die ältesten Lorbeeren in dieser Hinsicht erwarb sich der um die Anfänge der Bergsteigerei in Österreich hochverdiente Erz herzog Johann (1782 bis 1859). Vom 19. bis 24. August 1810 durchstreifte er in größerer Gesellschaft als vermutlich erster Tourist im heutigen Sinn das westliche Tote Gebirge zwischen Eimsee und Wiidenseealm, wobei er u. a. den Zwölferkogel, 2102 m (nach Erzherzog Johann: Rabenstein), bestieg. Er legte die Erlebnisse und Beobachtungen auf dieser ,,Bergreise" in sehr ausführlicher Form in seinem Tagebuch nieder, wobei die Fülle der topographischen Angaben beson ders besticht. Vier Jahre später stand der Erzherzog auf dem Loser und dem Welsing, im August 1827 besuchte er von Aussee aus sogar den Kulminationspunkt des Toten Gebirges, den Großen Priel, 2515 m. Dort waren ihm freilich im Jahr 1817 Sigmund Graf von Engi mit den vier Jägern Ridler und 1819 sein Bruder Ludwig von Hinterstoder aus zuvorgekommen. Zwei Jahrzehnte später durchstreift ein Mann das ,,Prieigebirge", dessen Name un trennbar mit dem oberösterreichischen Salzkammergut verbunden bleibt: Profes sor Friedrich Simony (1813 bis 1896), Bota niker, Geologe und insbesondere Geo graph, einer der ersten engagierten Aipenforscher überhaupt, in der,,Wiener Zeitung" veröffentlichte er 1846 die älteste, wissen schaftlich fundierte Darstellung der Eigen tümlichkeiten jener Karsthochflächen, die einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn machten. Er zeichnete das Tote Gebirge vom Sarstein aus, fertigte ein Gemälde von der Karrenwiidnis um Elm, Feuertaiberg und Rotgschirr für seinen ,,Physiognomischen Atlas der österreichischen Alpen" und stieg 1866 auf den Großen Priel, um hinüberzu schauen zum Massivseiner größten Erfolge: dem Dachstein. Detailforschung Im späten 19. Jahrhundert Die Touren Erzherzog Johanns und die Be richte Simonys zeitigten ihre Wirkung. Das Tote Gebirge und insbesondere die Prieigruppe im äußersten Nordosten wie der Lo ser im Westen kamen in Mode. Hatte der k. k. Bergrat Matthias Leopold Schieifer noch 1828 in Briefen ,,An einen Freund" versucht, ,,von diesem uns Österreichern viel zu wenig bekannten innerstoder eine Schilderung zu entwerfen", so beschreibt Adolph Schaubach in seinem fundamenta len fünfbändigen Werk ,,Die deutschen Al pen" 1845 bereits auf ca. 25 Seiten Touren im Toten Gebirge. Das Verdienst einer sy stematischen Begehung und exakten Be stimmung nahezu alier bedeutenden Gipfel unseres Gebietes fällt in den Jahren 1874 bis 1877 dem später als Geologen bekannt gewordenen Georg Geyer (1857 bis 1936) zu, der damit zum ersten umfassenden Er schließer wird. Geyer schrieb im Alter von 21 Jahren seine Beobachtungen - oft in epi scher Breite - unter dem Titel ,,Das Todte Gebirge" auf 200 Druckseiten nieder und schuf damit eine grundlegende Monogra-

Typisches Landschaftsbild im Toten Gebirge am Aufstieg zum Saizofen im Bereich der Pühringerhütte. Bekannt ist dieser Berg vor allem durch die Saizofenhöhle geworden, die von Urgeschichte und Höhlenforschung als ,,höchstgeiegene Jagdstation des Eiszeit menschen in Österreich" (Gerhart Preii) be schrieben wird. Aufnahme: H. G. Priiiinger. mm - '•pft t-'-X' w'v s.-" ^ - ) 1 . y \ : 4- -' »' ■ sx.. nv-,"' • 4 '' „ i &-V- • ,, *■•■■■'- , phle, auf der alles später Erschienene auf baut. Die Jahrbücher des österreichischen Alpenvereins, des Steirischen Gebirgsvereins wie des österreichischen Touristen clubs enthalten fortan Immer häufiger Be richte von Touren im Toten Gebirge, ohne allerdings grundlegend Neues zu bieten. Dabei stoßen wir auf bekannte Namen wie Arthur und öscar Simony, Georg Hauen schild, Dr. Anton von Ruthner, Karl Krahl, J. Frischauf u. a. Im Zuge dieser Beliebtheit entstehen nun auch die ersten Schutzhütten im Toten Gebirge: 1882 die Loserhütte, 1884 das Priel-Schutzhaus (ursprünglich ,,Karl-Krahl-Schutzhaus"), 1894 die Dümlerhütte am Warscheneck. Die Kletterer kommen Während im benachbarten Gesäuse oder am Dachstein bereits Felswege bis zum vierten Schwierigkeitsgrad beschritten wur den, sah man vor der Jahrhundertwende im Toten Gebirge kaum jemand mit dem Klet terseil. Der gewaltige Zug der Nordwände vom Kleinen Priel bis zur Almtaler Sonnen uhr lag hinter riesigen, von den Jagdherren eifersüchtig gehüteten Wäidern verborgen, und die Steiiabstürze der Plateauberge bo ten wegen ihrer mühseligen Zugänge wenig Reiz, solange es anderswo unerschlossenes Felsland neben den Eisenbahnlinien gab. So wurden denn auch folgerichtig die ersten Kietterfahrten im Toten Gebirge von Süden, vom Ennstal aus, unternommen: 1884 bestieg der Wiener Heinrich Heß mit Gefährten den über bewaideten Vorbergen kühn aufragenden Hochtausing, drei Jahre später bezwang er allein den wilden Sturz hahn oberhalb der Tauplitzalm, den noch Georg Geyer als ,,unersteigliches Prisma" bezeichnet hatte. Freilich war Heinrich Heß in Bergsteigerkreisen kein Unbekannter. Als Schriftleiter des Alpenvereinsjahrbuches, als Autor des Gesäuseführers (ältester Klet terführer im deutschen Sprachraum!) und insbesondere durch das mit Ludwig Purtscheiler gemeinsam geschaffene Stan dardwerk ,,Der Hochtourist in den Ostalpen" gilt Heß noch heute als einer der produktiv sten Alpinisten überhaupt. Hatte der vielgereiste Heinrich Heß quasi im Handstreich den Sieg über den schwierig sten Kietterberg im Toten Gebirge mitge nommen, ohne sich in der Folge näher mit dem Gebiet zu beschäftigen, so begegnen wir ab 1898 einem Mann, der während zweier Jahrzehnte systematisch eine große Wand nach der anderen bezwingt und als erfolgreichster Kletterer Im Toten Gebirge überhaupt angesprochen werden muß: Ro bert Damberger (1881 bis 1924). Als Sohn eines Goldschmieds in Linz geboren und dort im väteriichen Geschäft tätig, fand Damberger in Dr. Viktor Wessely, Linz, ei nen erprobten alpinen Mentor, der ihm be reits als Sechzehnjährigen das führerlose Klettern schmackhaft zu machen wußte und mit ihm die ersten großen Erfoige errang: 1898 an einem Tag Großer Priei über den Südgrat und Abstieg über den Ostgrat, ei nige Wochen später erste Begehung des Nordgrates. Von da an versuchte sich Dam berger praktisch an allen klettertechnisch interessanten Gipfein des Toten Gebirges und brachte es mit verschiedenen Touren gefährten aus dem Kreis der Linzer Turner bzw. des Alpenvereins auf rund 20 Erstbe gehungen zwischen Sandiing und Kieinem Priel. ,,Die meisten der von ihm erschlosse nen Pfade sind Gemeingut der Hochtouri sten geworden, viele zählen heute zu den

Blick vom Gipfel des Rotgschirr (2270 m) nach Osten. Diese Aufnahme vermittelt einen groß artigen Eindruck von der Einsamkeit dieser Hochgebirgslandschatt - Hüttenbereich Pühringerhütte ist aber auch für den Geologen interessant, der an ihr die Piattenschichtung des ,,Dachsteinkalks" ablesen kann. Aufnahme: W. Harather, Steyr. m i

Im Alpinismus werden die ursprüngiichen Bergregionen durch die moderne Ziviiisation immer mehr eingeengt. Im Toten Gebirge findet der Bergsteiger noch viel Einsamkeit und Ursprünglichkeit. Im Bild die Nordostwand des Großen Hochkasten, 2388 m, am Ostrand des Plateaus. Aufnahme: W. Harather, Steyr. ■ THS Lieblingstouren der Kletterer", urteilte 1924 Dr. Wessely. Freilich konnte Damberger vor und kurz nach dem ersten Weltkrieg nahezu konkurrenzlos tätig sein, galt doch führerlo ses Felsklettern noch als Extravaganz eini gerweniger. Zu den besonderen Glanzstükken in Dambergers Tourenbuch gehören u.a. Direkte Ostwand (1910) und Oberer Nordostgrat (1907) der Spitzmauer, Brot fall-Südgrat (1906), Kleiner-Priel-Nordostgrat (1906), Großer-Priel-Nordostwand (1911), die Nordostwand des Großen Hoch kasten (1911) und schließlich sein ,,Linzer Weg" durch die Nordwand des Schermbergs (1920), dessen Begehung viele Jahre hindurch als Aufnahmeprüfung in den Kreis der Welser Klettergilde ,,D'Schermbergler" gefordert wurde. Gemessen an Dambergers Vielseitigkeit und Gründlichkeit müssen die Erstbege hungen seiner unmittelbaren Zeitgenossen im Toten Gebirge mehr oder weniger ver blassen, so hervorragend sie auch als Einzelieistungen einzuordnen sind. Dazu zäh len etwa Hans Reinls Weg durch die Trisseiwand (1906), deren vom Altausseer Paul Preuß erstbegangener Westpfeiler (1911), die von Preuß und Reily 1910 bezwungene Nordwand des Traweng (noch heute mit Schwierigkeitsgrad V bewertet!) oder die von den Münchener Bayerländern Gruber und Schmid 1904 begangene Gruberrinne auf die Spitzmauer. Die Letztgenannten führten 1904 auch erstmals die prächtige Gratüberschreitung vom Kleinen zum GroBlick auf den Loser, 1838 m, und seinen Nachbargipfei, den Hochanger. Das Berghaupt des Losers beherrscht das Landschaftsbild von Aitaussee. Der Zusammenklang von Berg, Waid und See - er macht ja den Reiz des Saizkammergutes aus - findet hier besonderen Ausdruck. Im Toten Gebirge zählt der Loser zu den westlichen Eckpfeilern. Aufnahme: W. Harather, Steyr.

Die alte Welser Hütte, 1815 m, wichtiger Stütz punkt für den Aufstieg zum Großen Priel am Fuße des Flelschbanksattels, heute abgelöst von einem modernen Hüttenbau (ÖAV Wels). Aufnahme: O. Kaiser, Linz. ßen Priel durch und bereicherten Dambergers Südgrat-Führe auf den Großen Priel um einen direkten Einstieg mit dem bekann ten ,,Bananenriß". Sepp Huber kümmert sich um alles Wenn auch Robert Damberger um die Jahr hundertwende bereits die ersten Marksteine in der Begehung schwieriger Wände setzte, so war doch die touristische Erschließung des Toten Gebirges im Sinne einer Versor gung mit Hütten und Wegen noch lange nicht beendet. Dies galt besonders für das Almtal und die Nordseite des Toten Gebir ges, die bergsteigerisch als eine letzte terra Incognita lockten. Ein aus einfachsten Ver hältnissen stammender, früh verwaister Mann, der sich schon im Alter von elf Jahren bei Bauern als Pflegekind verdingen mußte, schuf sich hier von Wels aus ein grandioses Lebenswerk: Sepp Huber (1871 bis 1952). Geboren in Enns, ließ sich Huber nach kur zen Aufenthalten in Kirchdorf, Bad Ischl und Gmunden, wo er Im Finanzdienst stand, im Jahre 1906 in Wels nieder, trat 1908 dem Alpenverein bei und wurde dort nach den Worten Dr. Krenmayrs ,.binnen kurzem zur Seele der Sektion". Er erwanderte sich das Tote Gebirge von allen Seiten und erkannte dabei die bisherige Dürftigkeit der Wegan lagen von Norden her, wo es mit Ausnahme des im Jahre 1903 erbauten Grieskarsteiges praktisch keinen Zugang zur Hochfläche gab. Mit unendlicher Zähigkeit und größtem persönlichen Einsatz gelang es Sepp Huber im Auftrag der Alpenvereinssektion Wels, nach und nach Breschen in die vordem un durchdringliche Mauer aus Wald, Fels und obrigkeitlichen Verboten zu schlagen: 1913 Markierung des Prielweges von der Hetzau aus sowie Adaptierung einer von der Baron Heringschen Forstverwaltung geschenkten Holzknechtshütte als Bergsteigerunter kunft, 1920 Errichtung der ersten Welser Hütte unter der Priel-Nordwand und Über nahme der Elmgrubenhütte von der Sektion Linz, 1921 Pacht des heutigen Almtaler Hauses, 1922 Errichtung des versicherten Steiges durch die Röll (Sepp-Huber-Steig), 1923 Neubau der Welser Hütte, 1924 bis 1927 Errichtung der Pühringerhütte am Elmsee, 1929 Anbringung einer Ski-Stan genmarkierung auf den Hochkogel. Trotz des Engagements bei den genannten Hütten- und Wegebauarbeiten blieb Sepp Huber aber nie ,,Verwaltungsbergsteiger", sondern versuchte sich immer wieder auf Bergtouren in allen Teilen der Alpen. Im To ten Gebirge gelangen ihm dabei unter ande rem Erstbegehungen am Großen Priel (Nordwand, 1919, und Nordwestgrat, 1914 bzw. 1920) und am Schermberg (Nordwand, 1920). Die m. E. größten Verdienste um das Tote Gebirge erwarb sich jedoch Huber mit seinem 1927 bei Artaria in Wien erschiene nen ,,Führer durch das Tote Gebirge einschiießlich Warscheneck, Sengsengebirge und Höllengebirge", womit er seinen ober österreichischen Landsleuten einen aus profunder Gebietskenntnis geschmiedeten Schlüssel zum selbständigen Besuch dieser Berggruppen in die Hand legte. Der ,,HuDer westliche Teil des Toten Gebirges bietet viele Möglichkeiten zu gemütlichen Almwande rungen. Die Vegetation mildert den Karstcha rakter der Landschaft, im Bilde Aufstieg zum Loser von der Loserhütte, 1497 m (ÖAV Bad Aussee). Aufnahme: H. Loderbauer, Gmunden. ^ ■ • (Iii-■fT i'i T"-.. §m

Die Region des Wildensees und der Wilden seealm mit Hennar und Augstwiesen zählt zu den schönsten Almlandschaften in Öster reich. Die Almwirtschaft befindet sich zwar in Verfall. Die Natur blüht jedoch - besonders im Frühsommer - hier in schönsten Biumenfarben. Im Bilde das Aimdorf der Wildenseealm mit Ausblick auf den Hohen Dachstein. Aufnahme: W. Harather, Steyr. #• ,P-¥' ,d! f ■ . V i' . .. .4/#. ■v/ i ,■ fK ■%- ■ ■ •«ff'- ■ •;■ . Jtr -■f'AÄ' >. /ilii-X •• <• ' ■ ■■ * W^-'1 ' ' '%i.' *•" ■} . /■ -f ■4- /

Das Tote Gebirge ist nicht nur eine Bergregion der Wanderer, sondern auch eine ideale Klet terlandschaft, allerdings spät erkannt und vielleicht nicht so attraktiv wie etwa der Gosaukamm, Kaisergebirge u. a. Im Bilde die Südwestwand des Sturzhahns im Bereich der Tauplitz mit Schwierigkeitsgrad VI A 3. Aufnahme: A. Dengg, Steyr. ber-Führer", 1948 nochmals bei Leitner in Weis aufgelegt, dürfte einen Ehrenplatz in der Bibliothek jedes passionierten Gebiets kenners einnehmen. Die Sektion Wels des OAV dankte ihrem Mitglied 1949 durch die Benennung der Hütte am Kasberg in ,,Sepp-Huber-Hütte", die Gemeinde Grü nau im Almtal ehrte den 1952 Verstorbenen durch einen Gedenkstein mit der treffenden Inschrift ,,Dem Erschließer des Toten Ge birges". Barfuß In der Nordwand So schlimm die frühen dreißiger Jahre im Zeichen der Weltwirtschaftskrise für Fami lienväter waren, die damals jungen Kletterer geraten heute fast ins Schwärmen, wenn sie aus jener Zeit berichten. Eine zahlenmäßig kleine, aber vor Aktivität sprühende Elite floh aus der Masse der vergrämten Arbeits losen ins Gebirge und holte sich in den Wänden der Spitzmauer die Erfolgserleb nisse, die ihnen die Arbeitsweit in jener Zeit versagte. Ein Kreis junger Menschen, denen sich die Tore der Steyr-Werke verschlossen hatten, ergriff während des Sommers Besitz von der Unteren Polsteraim (die später unter mysteriösen Umständen abbrannte) und er oberte Route um Route. Was machte es ih nen aus, daß sie nur Brot, Poienta oder be stenfalls einen Eierschmarrn im Magen hat ten, was kümmerten sie teure Bergschuhe, wenn man mit seibstgebastelten Sandalen aus alten Autoreifen ebenso gehen konntewenn es schwierig wurde im Fels, kletterte man halt barfuß weiter! So berichtete es dem Verfasser jedenfalls Franz Stamberg, Steyr, der mit dem 1942 in Rußland vermißten Steyrer Valentin Strauß zu den führenden Köpfen zählte und denen so herrliche Wege wie Linker Ostwandpfeiler oder Nordpfeiler an der Spitzmauer gelangen. Zu dem erwähnten Kreis zählten auch Erich Rolinek (Erstbegeher der,,Rißreihe" an der Spitzmauer), Max Geier u. a., während das Steyrer Kletterphänomen Sepp Eitzenber ger (1906 bis 1966) mit Willi Seemann, Fritz Panhuber, Max Kissenhofer und Sepp Riha eine eigene Gruppe bildete. Von den Wel sern seien aus dieser Zeit Max Zechmann, Hermann Traidl, Leo Huber und Max Rösler erwähnt, die sich hauptsächlich am Schermberg, Almtalerköpfi und Rotgschirr betätigten, während ganz im Westen des Toten Gebirges der Bauernsohn und ange hende Lehrer Sepp Lichtenegger, Konrad Hofer und Kurt Reifschneider von sich reden machten (Sendling und Trisselwand). Auch die studentische Jugend kämpfte im Fels wie etwa Hugo Rößner 1930 an der Spitz mauer oder Heinrich Harrer, der bekannte Tibet-Forscher, 1935 am Sturzhahn. 1 WS i f k \ ' rjt. 'jÄ'.. ■■ ;; 'Lt..-' > , !>• ■BE'" »/ Ä' i . Tt' ! f • 1^1 m M ^ m IM. \:ih 'i- • ■. > "if'i.' ■ \ V t i

Nach Osten schließt an das Tote Gebirge, im Bereich von Steyr und Teichl, das Warscheneck, 2386 m, an. Die Überquerung dieses Gebirgskammes von der Tauplitz zum Linzer Haus (Wurzeralm) zählt zu den schönsten Bergerlebnissen in den östlichen Kalkalpen. Blick von der Wurzeralm auf Warscheneck, Rameschund Toten Mann. Aufnahme: W. Harather, Steyr. Darunter: Das Herz des Toten Gebirges: Die Pühringerhütte, 1638 m (ÖAV Wels), mit dem Elmsee, im Spätfrühling. Im Hintergrund das Rotge schirr. Aufnahme: W. Harather, Steyr. ■ ' •Ä'»- BP» Nacherschließung in den ietzten Jahrzehnten Nach der Zäsur des zweiten Weltkrieges suchte und fand eine neue Generation un begangenes Gelände am Berg, wenn auch der technische Aufwand beim Klettern nach und nach in den Vordergrund trat. Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: noch 1965 konnten die Linzer Brüder Dr. Gernot und Gisbert Rabeder (die sich im üb rigen mit ihrem ,,Skiführer Totes Gebirge" große Verdienste erwarben) mit Gefährten eine klassische Route durch die Nordost wand des Großen Priel legen, ebenso zwi schen 1958 und 1967 verschiedene Führen am Pyhrnerkampl. Von der Röil aus wurden in den sechziger Jahren verstärkt die Nord wände der Almtaler Sonnenuhr begangen, ebenso schöne Kletterrouten am Saizofen überm Elmsee oder am Stubwieswipfel auf der Wurzeralm entdeckt. Unter den gelegentlich gekünstelt anmu tenden Routen mit extremen Schwierigkei ten verdienen besonders der Rechte Ost wandpfeiler an der Spitzmauer (Schwarz und Thausing, 1966), die Sturzhahn-Süd westwand (Schlömmer und Perner, 1968), die Südwand-Direttissima am Stubwieswip fel (1969) und die Unmittelbare Südwand der Roten Wand (Retschitzegger und Pable, 1973), hervorgehoben zu werden. i.- ■ Ausblick Die bergsteigerische Erschließung des To ten Gebirges ist, was Gipfel, große Wände und bedeutende Grate betrifft, seit Jahr zehnten abgeschlossen. Extreme Varianten lassen sich mit entsprechendem Aufwand an Material und Zelt zwischen allen Routen finden, doch weist die jüngste Entwicklung im Felsklettern bereits wieder in die umge kehrte Richtung: freies Klettern ist Trumpf, Haken werden durch Klemmkeile ersetzt. Bohren wird als Entartung abgelehnt. So fern diese Tendenzen als sportliche Richtschnur Schule machen, wären im To ten Gebirge durchaus noch Flanken auf neuen Routen in den mittleren Schwierig keitsgraden zu entdecken, soweit man ei nige Stunden schweißtreibenden Zustiegs nicht scheut. Ich denke dabei vor allem an die Nordseite des Prielkammes, an die Ost flanke des Stoderkammes und die riesige Flucht der Weißenbacher Mauern. Neben den reinen Kletterführen aber bleibt das Tote Gebirge - hoffentlich - noch recht lange interessant für alle, die unweit großer Städte die kompromißlose Einsamkeit in unberührter Natur suchen, wie sie sich dem Bergsteiger auf den verkarsteten Flächen des Zentralplateaus seit Georg Geyers Zei ten unverändert darbietet.

Die Erschließung des Dachsteins Rudolf Lehr 11 c ■ : Sepp Seethaler, Aufnahme aus dem Jahre 1968, der seit 1929 die Dachsteinwartehütte, 2740 m, bewirtschaftet. Sein Vater war Erbauer dieser hochaipinen Bergsteigerunterkunft. ,,Heut' ist's ja gemütlich!" Mit dieser knap pen Feststellung faßt der Seethaler Sepp zusammen, was sich in den letzten fünfzig Jahren verändert hat bei ihm in 2700 Meter Höhe, auf der höchstgelegenen Hütte im Dachsteingebiet. Seit dem Jahr 1929 ist der Seethaler Sepp auf der Dachsteinwarte, wo sein Vater die erste Hütte gebaut hat. im Mai kommt der Sepp, bis Oktober bleibt er. in einer Gegend, in der es außer Schnee und Steinen nichts gibt. Kein Blümchen, keinen Strauch, kein Stück Holz, keine Quelle, kein elektrisches Licht. Wer die Geschichte des Dachsteins be trachtet, muß in den Bibliotheken und Archi ven stöbern. Das kann sehr aufregend sein und niemand wird auf die spärlichen schrift lichen Zeugnisse der ersten Dachstein-Pio niere verzichten wollen. Beginnen sollte ein solcher Bück in die Vergangenheit aber doch besser dort, wo diese Vergangenheit lebendig ist. Als den Sepp vom Tal noch acht Stunden Fußmarsch trennten, versorgten ihn die Bergsteiger mit Brennholz. Wer auf die Hütte wollte, brachte als Geschenk ein Scheit mit. Ende der zwanziger Jahre hatten einige Halistätter Burschen die Dachstein wartehütte errichtet. Das Baumaterial, aus schließlich Holz, war von Hallstatt aus bis zu jener Steile getragen worden, wo der Ost grat des Hohen Dachsteins aus dem Hali stätter Gletscher herauswächst. Die Erinnerung an diese Pionierzeiten der Dachsteinfreunde hat den 71jährigen Sepp nicht verklärt. So weit herauf ist die Nostal giewelle nicht gedrungen. Er freut sich, daß er heute mit öi heizen kann, daß es Gas gibt für die Beleuchtung. ,,Heut' ist's ja gemüt lich", konstatiert der Sepp und ein Lächein huscht über das von tiefen Furchen durch zogene Gesicht. Ein kerniges Mannsbild, dieser Sepp, das sieht man auf den ersten Bück. Wind und Wetter haben seine Haut gegerbt. Er kennt jeden Stein hier und jede Felszacke, auch jede Gefahr. Wenn er auf seiner Hütte aliein ist mit ein paar Menschen, bei denen er spürt, daß sie eine Herzensbeziehung haben zu seinem Lebensberg, dann beginnt er auch von alten Zeiten zu erzählen. Von der Hütte konnte er natürlich nicht leben, also verdingte er sich als Bergführer. Einmai, so erinnert sich der Sepp, hat er an einem Tag drei Bergsteiger gruppen von der Simonyhütte über den Dachsteingipfei zur Adamekhütte geführt. Von zwei Uhr früh bis neun Uhr abends war er unterwegs. Wenn das Wetter es nur eini germaßen erlaubte, stieg er täglich zur Si monyhütte ab, um Proviant auf seine Warte zu tragen. Nicht selten wog dann seine ,,Kraxen" 70 bis 80 Kilogramm. Reich wird man hier heroben nicht. Ein paar Skiwasser, einige Glaseri Tee, hie und da eine Suppe. Wie oft er sein Leben eingesetzt hat, um verunglückte Bergsteiger zu retten? ,,i woaß net, vielleicht fufzgmail" Was ein Bergführer für so eine Lebensret tung bekomme, wird der Seethaler Sepp manchmal gefragt. ,,Die meisten ham ma de Hand gebn und habn Dankeschön gsagtl Manche ham a auf das vergessen!" Erstbesteigungen im 20. Jahrundert Geschichte des Alpinismus in Oberöster reich, da denkt jeder zuerst an das 19. Jahr hundert, an Erzherzog Johann, der im Jahr 1811 ,,mit der größten Aufmerksamkeit die sen höchst interessanten Gebirgsstock" besah und damit den Anstoß für die Erobe rung des Dachsteins gab, da denkt der Dachsteinfreund an Friedrich Simony, des sen Leben untrennbar mit der aipinistischen und wissenschaftlichen Erschließung des Dachsteins verbunden ist. Wer will, kann den Zeitpunkt der Eroberung des Dach steins noch viel früher ansetzen: Zwischen Däumeikogei und Krippenstein fand man eine bronzene Lappenaxt, die beweist, daß bereits die Menschen der Bronzezeit, die in den Jahren 1800 bis 700 vor Christus lebten, auf dem Dachstein waren. Das alles ist verhältnismäßig bekannt. We nige aber wissen, daß die Pionierzeit des Aipinismus bis in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts reicht. Erstbesteigungen im Dachsteingebiet hält man heute doch nicht mehr für möglich. Wenn wir den Geschichtsfilm der Eroberung des Dachsteins umgekehrt ablaufen lassen, müßten wir beim Jahr 1967 beginnen, als das aipinistische Gianzstück der Dachstein-Südwand-Direttissima gelang. Die Direttissima - das ist das aipinistische Schönheitsideal von heute. Die Kletterroute richtet sich nach dem Weg ,,des fallenden Tropfens", die senkrechte Linie vom Gipfel zum Fuß der Wand. Leider ist es gerade die ser Direttissima-Ehrgeiz, der heute vielen Bergsteigern zum Verhängnis wird. Was dem Ramsauer Bergführer Leo Schiömmer und seinem Gefährten Peter Perner 1967 gelang, endete beim ersten, der es den bei den nachmachen wollte, tödlich, im Sep tember 1974 hatte ein Elektrikeriehriing aus Saaifelden die Dachstein-Südwand-Direttissima im Alleingang versucht. Hundert Me ter vor dem Ziel scheiterte er. Gab ein Haken nach? Brach ein Griff aus? Traf ihn ein Stein? Niemand weiß das. Es gibt keine

¥ aI Leo Schlömmer (vorne) und Peter Ferner (oben) in der Dachstein-Südwand. Aufnahme: Hruby, Zeltweg. y- SJ^Sfc' 'Äf•"* Zeugen für einen Alleingänger In dieser tau send Meter hotten Wand. Die Besatzung ei nes Hubschraubers, die den Fels abgesucht hatte, entdeckte nur noch einen Toten. Kopfüber hing er am Seil. Das Abenteuer der DIrettlssIma hatte er mit dem Leben be zahlt. Die direkte Falllnle durch die DachsteinSüdwand Ist eine der schwierigsten Routen der Alpen. Schwierigkeitsgrad plus sechs. Leo Schlömmer, der 1959 In der Bischofs mütze die erste Alleinbegehung der Südost kante schaffte, hatte einen Dachsteinkenner als Seilgefährten: Peter Ferner, dessen Bergsteigerkarriere 1974 durch einen Sportunfall beendet wurde. Bei der Zwei erbob-Weltmeisterschaft In St. Moritz wur den beim Training in einer gefürchteten Kurve die beiden Österreicher Otto Breg und Peter Ferner aus dem Schlitten geschleu dert. Während der Bremser Otto Breg un verletzt blieb, wurde Peter Ferner, der den Bob gesteuert hatte, so schwer verletzt, daß Ihm das linke Bein amputiert werden mußte. Seinem Dachstein will Peter Ferner trotz dem ganz nahe sein: Er Ist nach wie vor HütI . % tenwirt auf der Dachsteln-Südwandhütte und wertvoller Berater für alle, die sich In die Tausendmeterwand wagen. Leo Schlömmer und Peter Ferner hatten sich auf die Südwand-Dlrettlssima gewis senhaft vorbereitet. Sie wußten, daß eine gute Ausrüstung für Ihr Vorhaben entschei dend sein würde. Als sie am 26. September 1967 um drei Uhr früh In Richtung Einstieg marschierten, hatten sie 50 Kilogramm Ge päck bei sich, darunter zehn Liter Trlnkwasser- In der Dachsteinsüdwand gibt es kein Wasser! Bei anhaltend schönem Wetter hofften sie, die Tour In fünf Tagen zu schaf fen. Die erste Nacht verbrachten sie In der Wand In einer Höhe von 450 Metern. Schlömmer hatte eine Hängematte mitgebracht, wäh rend Ferner angesellt und sitzend schlafen mußte. Die beiden Rucksäcke und der Was serkanister waren an einem 100 Meter lan gen Seil befestigt, das am Abend Immer nachgezogen wurde. Außerdem gehörte ein sortiertes Werkzeug mit zur Ausrüstung. Schlömmer wußte, was nötig war, hatte er doch nicht weniger als siebzehnmal die Wand studiert, zwölfmal mußte er In der Wand biwakleren. Die besonders mühsame Arbelt, eine 200 Meter hohe und 35 Meter herausragende Wand und einen Überhang zu bewältigen, begann am nächsten Tag. Mehr als 200 Ha ken wurden In den Fels geschlagen, davon 23 Bohrhaken. Dann kam schlechtes Wetter auf. Schlömmer biwakierte, Ferner kletterte zurück, um einen geschützten Platz zu fin den. Bei dieser Gelegenheit entdeckten die Bergstelger eine unbekannte Höhle. Als am dritten Tag das Wetter noch schlechter wur de, beeilten sich die Bergstelger, den Gipfel zu erreichen. Dichter Nebel erschwerte den Aufstieg, die Sicht betrug nur noch 30 Meter. In sechsstündigem, verbissenem Ringen mit dem Berg überwanden Schlömmer und Ferner schließlich die 20 Meter des Über hanges, die sie von Ihrem Ziel trennten. Sie hatten das alpinistische Glanzstück In drei Tagen geschafft. Beide Bergstelger erklär ten übereinstimmend, daß es Ihre schwie rigste Tour war. So also müssen Sie es machen, wenn Sie die schwierigste Art wählen wollen, um auf den Dachstein zu kommen. Besser gesagt: So sollten Sie es nicht machen. Es geht heute einfacher. Mit der Seilbahn können Sie In fünf Minuten In den Regionen des ewigen Eises sein. Mag diese Entwick lung von Einsamkeitsfanatikern noch so be dauert werden, sie Ist nicht wegzudenken und besitzt für die Erschließung des Dach steins zweifellos auch positive Selten. Dachsteinstraße und DachsteinSeilbahnen Erschließung des Dachsteins - da Ist auch die Dachsteinstraße zu nennen, die von dem mittelalterlichen kleinen Bergbaustädtchen Schladming durch die Ramsau führt, jene Bergbauerngemelnde, die Generationen von Dachsteinführern hervorgebracht hat. Bis zum Fuß der gewaltigen DachsteinSüdwand, In eine Höhe von 1700 Metern, führt diese Straße. Von den Parkplätzen zur Talstation der Dachsteln-Südwandbahn sind es nur ein paar Schritte. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge vermerkt der Österreicher die Er schließung des Dachsteins durch die Seil-

Archivaufnahme aus der Erbauungsgeschichte der Dachstein-Seilbahn. Baustelle der Talsta tion für die i. Teilstrecke in Obertraun, Spaten stich am 14, September 1947. ),t'T'i' : il!': , ' » ' '--hä Berghotel der Dachstein-Fremdenverkehrs-AG. auf dem Krippenstein mit Bergstation der III. Teilstrecke zur Gjaidalm. Luftaufnahme: H. Wöhrl, Linz.

Bergstation der 1969 erbauten Dachsteln-Südwandbahn auf den Hunerkogel, 2700 m. Aufnahme: Fotohaus G. Westmüller, Linz. Rechts: Auf dem Gipfel des Hohen Dachstein mit seinem wetterumbrandeten Gipfelkreuz. bahnen. Massentourismus Im Hochgebirge, seufzen die einen. Ein Land wie Österreich kann es sich einfach nicht leisten, die Chan cen des Fremdenverkehrs nicht auszunüt zen, argumentieren die anderen. König Dachstein lächelt über diesen Streit. In sei nem Reich ist Platz für alle: für die Gipfei stürmer und Haibschuhtouristen, Kietterakrobaten und Ansichtskartenschreiber. Am 14. September 1947 griff Bundespräsi dent Karl Renner zum Spaten, um in Obertraun den Bau der ersten Seilbahn im Dach steingebiet zu beginnen. Vier Jahre später fuhr die erste Gondel von Obertraun auf die Schönbergalm, bis knapp unter den Ein gang zu den Dachsteinhöhien. Der Bau der zweiten Teilstrecke stellte an Bauleitung und Arbeiter wesentlich höhere Anforderungen. Auf dem nackten, nur mit Latschen bedeckten Felsgeiände mußten die Stützen der Seilbahn verankert werden. Der Boden war steinhart gefroren. Um die Strecke zeitgerecht in Betrieb nehmen zu können, waren 1955/56 den ganzen Winter hindurch hundert Arbeiter zum Kampf gegen das schwierige Terrain und das harte Hochgebirgskiima angetreten. Im Mai 1956 konnte die Dachstein-Fremdenverkehrs AG die zweite Teilstrecke der Dachsteinseil bahn von der Schönbergalm zum Krippen stein eröffnen. Seit 1958 kann man vom Krippenstein zur Gjaidaim weiterfahren, seit 1969 ist der Dachstein auch von der steirischen Seite mit einer Seilbahn zu erreichen: die schon erwähnte Dachstein-Südwand bahn führt von der Türiwandhütte bis in die Gletscherregionen zum 2700 Meter hohen Hunerkogel. Schon von der Gondel aus bietet sich die majestätische, fast tausend Meter steil auf ragende Dachstein-Südwand den Bücken und Kameras an. Von der Bergstation der Dachstein-Südwandbahn ist nach einer ein stündigen Gletscherwanderung die Dach steinwarte zu erreichen, jene dicht an der Schulter des Dachsteins gelegene Schutz hütte, in der der Seethaier Sepp haust. Von dort ist der Gipfel des Hohen Dachsteins nur mehr eine weitere Geh- und Kletterstunde entfernt. Der Weg durch den Schnee ist ge mütlich. Erst bei der Randkiuft, beim Ein stieg in die Wand, verlieren viele den Mut. Da steht der Bergriese drohend vor uns, in seiner ganzen Wucht und Urgewalt. Die senkrechte Wand flößt dem Menschen im mer noch Ehrfurcht ein. ,,Die fürchterliche Hailstätter Wand" hat sie Friedrich Simony genannt. Das Lebenswerk Friedrich Simonys Wer nicht umkehrt und bei seinem Aufstieg zum Gipfel die im Felsen verankerten Ei senstifte benützt, denkt meist nicht an den Mann, der im Jahr 1843 diesen Aufstieg und damit den ersten gesicherten Feisensteig der Ostaipen geschaffen hat. Der Dachstein gilt im Jahr 1840, als der 27jährige Naturforscher Friedrich Simony in ■'I'i«- Liegeterrasse bei der Bergstation der Dachsteln-Südwandbahn auf dem Hunerkogel. Aufnahme: Gletscherbahn Ramsau Dachstein.

Ki'\ ••1'/ ir ■ :r'!U : \ mhß' j/yj/ /' -jiji ••, ^ / ifi 1.1 \ fir den Dachsteinort Hallstatt kommt, nicht mehr als unbezwingbar. Noch Immer aber Ist es - acht Jahre nach der Erstbesteigung des Hohen Dachsteins - ein tollkühnes Abenteuer, sich auf den Gipfel des Dreitau senders zu wagen. Die Einheimischen schmunzeln nur, als sie hören, daß dieser junge Mann, ein ,,Zuagrelster", auf den Ho hen Dachstein steigen will. Niemand ahnt, daß man nach mehr als einem Jahrhundert vom Dachstein nur In Verbindung mit dem Namen SImony sprechen würde. Noch heu te, mehr als 80 Jahre nach seinem Tod, Ist Friedrich SImony Im Salzkammergut eine legendäre Gestalt. SImonykapelie und Slmonyscharte, SImonyspItze und Slmonywarte, SImonyhöhle und Slmonygedenksteln, vor allem aber die SImonyhütte, die Im September 1977 Ihren hundertsten Ge burtstag feierte, erinnern an diesen Mann. In Hrochowtelnitz In Böhmen erblickte Friedrich SImony am 13. November 1813 das Licht der Welt. Für Ihn war es eher ein Dunkel: SImonys Eltern sind arme Klelnhäusler. Als Vater und Mutter sterben, Ist er noch ein Kind. Dunkel Ist das Leben Fried rich SImonys auch Immer geblieben, trotz aller äußeren Erfolge und Ehrungen. Ein sam, wie es begonnen, endete dieses Da sein. SImony hatte Frau und Kinder verlo ren, er war an den Rolistuhl gefesselt und blind. In St. Gallen In der Steiermark stirbt er am 20. Juli 1896. Die Karrlere Friedrich SImonys vom Wai senkind zum Unlversltätsprofessor mutet amerikanisch an: von mildtätigen Verwand ten wird SImony dem halb gelehrten, halb praktischen Beruf eines Apothekergehilfen zugeführt. Um die Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts kommt er nach Wien, um schon In verhältnismäßig vorge rückten Jahren Student zu werden. Er will die Naturwissenschaften studieren. Gönner helfen welter. Indem sie Friedrich SImony die Mittel für Wanderungen in die Alpen ver schaffen, die für einen österreichischen Bo taniker und Geographen unentbehrlich sind. Mit 38 Jahren Ist SImony Professor an der Universität Wien. Keiner der Dachstein-Pioniere Ist Im Be wußtsein der Bevölkerung so lebendig ge blieben wie Friedrich SImony. Er war nicht der erste auf dem Dachstein, aber er hat für diesen Berg ungleich mehr getan, als nurauf Ihm herumzuklettern. Friedrich SImony hat das Dachsteingebiet für den Alpinismus er schlossen. Er hat die Wege ausgewählt und ausgebaut und den Gipfel In eiserne Fes seln gelegt. Er hat als erster (1842) den Dachstein Im Winter bestlegen. Er hatte den Ehrgeiz, sogar eine Nacht auf dem Dachstelnglpfel zu verbringen (1843). Er hat In eindrucksvollen Berichten die Dachstein weit einem breiten Publikum bekannt ge macht. Hier schwelgt er ,,im Hochgenuße eines Sonnenunterganges auf dem länder beherrschenden Felsenfürsten", hier wünscht er, sich ,,dem trügerischen Spiele der Luftgeister anheimzugeben und der Laune des Alpenkönigs Trotz zu bieten." Auch die Wissenschafter werden Im 19. Jahrhundert zu romantischen Dichtern. Noch der ,,an der Schwelle des Siebzigers Stehende" wandert auf den Dachstein. ,,Hier wurde nun gezeichnet und gemessen, unter den Gletscher gekrochen, auf dem selben herumgewandert, der Kreuz und Quer nach alles Merkwürdige notiert", heißt es In einem Brief SImonys aus dem Jahr 1882 an seine Pflegetochter. Aber auch: ,,Nun wurde gekocht und Nocken gebacken was Zeug hielt, daß wir uns rund und fett aßen." Friedrich SImony war kein bloßer Berg enthusiast. Er war Mitbegründer der öster reichischen Geographischen Gesellschaft (1856) und des österreichischen Alpenverelns (1862). In Zeichnungen, Gemälden und Fotografien hielt er die bisher unbekannte Dachsteinwelt fest. SImony war ein Vor kämpfer des Naturschutzes, vor allem aber hat er sich als Seen-, Gletscher- und Eis zeitforscher bleibende Verdienste erwor ben. Sein Riesenaquarell ,,Gletscherphä nomene" wurde auf den Weltausstellungen von London (1862) und Wien (1873) prämi iert. Im öktober 1895, ein Jahr vor seinem Tod, Ist das Monumentalwerk über den Dachstein vollendet: ,,Das Dachsteingebiet, ein geographisches Charakterbild aus den österreichischen Nordalpen, nach eigenen photographischen und Frelhandzelchnungen Illustriert und beschrieben von Dr. Friedrich SImony, k. k. Hofrat und em. Uni versitäts-Professor" lautet der Titel.

Archivaufnahme aus dem Museum Hallstatt: Friedrich Simony mit dem Goiserer Bergführer Bernhard Peer. Unten: „Der Gipfel des Hohen Dachsteins, autgenommen nach meiner ersten Übernach tung auf dem Gipfel, 16./17. September 1843, Fr(ledrich) Simony", Sepia mit Bleistift. Aufnahme: Bildarchiv der Osterreichischen Nationalbibliothek. i#*""" ■S i C/" c/c'f tj/üi/cn ^^CLc/ij^CCflxf t«n A-irA mrn-nr trji'irl ifihr itii/ i'tyt/tr /if/} Jr «/

Simonyhütte, 2204 m, am Hallstätter Gletscher, Ansicht von Ostsüdost gegen das Wildkar, Aufnahme 1954. Aufnahme: Bildarchiv der österreichischen Nationaibibiiothek. 1—IJi'-' Jt ■= ' ■, { r Das legendäre ,,Hotel Simony" am Aufstieg vom Wiesberghaus zur Simonyhütte, einst Unterstand des Forschers bei seinen Dach steinfahrten. Aufnahme: H. Loderbauer, Gmunden. Die Simonyhütte, die älteste Hütte Im Dach steingebiet, trägt den Namen Friedrich 81monys. Sie wurde am 18. August 1877, dem 47. Geburtstag Kaiser Franz Josefs, eröff net. Die alpinen Vereine haben sich bei der Erschließung des Dachsteins große Ver dienste erworben: Nach der Simonyhütte baute der Alpenverein 1880 die Austrlahütte, 1897 die Brünnerhütte, 1902 die Hofpürglhütte, 1905 die Adamekhütte, 1913 das Guttenberghaus, 1925 die Dachstein südwandhütte. 1931 übernahm der Alpen verein die 1925 privat erbaute Dachstein wartehütte. DerTourlstenvereln ,,Die Natur freunde" eröffnete 1927 das Wiesberghaus. . . und werden immer mißglücken" Blättern wir noch ein wenig welter zurück In der Chronik des Dachsteins, dann sollten wir kurz bei zwei Männern verweilen, die un gefähr zu r gleichen Zelt sehr gegensätzliche Auffassungen über den Dachstein vertra ten. Zu einer Zelt, als Montblanc und Großglockner längst erobert waren, stimmte der Sekretär und Mitarbeiter Erzherzog Jo hanns, Hofrat Franz Joachim Ritter von Kleyle (1775 bis 1854), noch höchst pessimi stische Töne an. In seinen ,,Rückerlnnerungen an eine Reise In Österreich und Steyermark Im Jahre 1810" heißt es; ,,Alle Ver suche, die höchste Spitze dieses merkwür digen Gebirges von der nordöstlichen, östli chen und südlichen Seite zu besteigen, sind mißglückt, und werden wahrscheinlich im mer mißglücken, well selbst da, wo die Form des Gebirges kein Hindernis in den Weg legt, die Eisklüfte das Aufstelgen zu gefähr lich machen." Ganz anders der fast gleichaltrige Medizi ner, Botaniker und Alpenschrlftsteller Jo seph August Schultes (1773 bis 1831), der vierzehn Jahre hindurch Oberösterreich be reiste und darüber amüsante Berichte schrieb. Er unternahm schon 1804 eine ,,Excurslon auf den Glätscher am Dachstei ne", die bei Ihm ,,ewlg unauslöschliche Bil der" zurückließ.,,Herzlich soll es mich noch Im Grabe freuen", schwärmte er, wenn er jenen, ,,die sich durch mich zu einer Excurslon verführen ließen, nur den zehnten Teil des Vergnügens verschaffen kann, das mir diese Expedition gewährte." Schließlich gipfelte die Begeisterung dieses ersten Werbetexters für das Salzkammergut In ei nem prophetischen Satz: ,,lch umarme alle, die nach mir den Dachstein besteigen. Im Geiste!" Erzherzöge, Bauern, Dichter, Wilderer Die Hauptrollen bei der Eroberung des Dachsteins sind auf eine bunte Gesellschaft verteilt: Da sind die bergbesessenen Erz herzöge Karl und Johann, Brüder von Kaiser Franz. Im Jahr 1812 erreichte Erzherzog Karl den Dachsteingletscher, der Ihm zu Eh ren den Namen ,,Karls-Eisfeld" (heute Hall stätter Gletscher) erhielt. Vom Jahr 1817 an ,,wurden auf Veranlassung Sr. kalserl. Ho heit ernste Anstalten getroffen, den Gipfel zu ersteigen, da Höchstderselbe selbst so dann diese Ersteigung vorzunehmen ge dachte." Die Siegespalme Im Kampf um den Dach stein gebührt dem Bauern und Bergführer Peter Gappmayr (1789 bis 1868) aus Filz moos, der den Dreitausender 1832 als er-

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