Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

hingegen nur 63 Kreuzer für einen Ran zen — so begann es und ging dann Seite für Seite über die Millionenbeträge der Inflation bis in die späte Rieder Zeit, wo er unmittelbar vor seinem Tod noch drei verschlissene Elfenbeinfächer eingekauft hat um stolze 10 Reichsmark. Diese letzte Eintragung trägt die Nummer 6674. Die unmittelbare Umgebung war bald überblickt, der Sammeleifer aber erst ge weckt. So zog es ihn immer mehr auch nach Salzburg hinein, wo die Tandler läden in malerischem Durcheinander alte Dinge feilboten. ,,Endlich wagte ich mich in den Laden einer alten Tandlerln in der Kaigasse, Frau Katharina Thannenberger selig, die dann bis zum Tode meine Bera terin und Lieferantin war", ist in seinen Notizen zu lesen. Zu dieser gesellten sich die Antiquarin Spannbauer nebenan, Reifeneder unter dem Dombogen, Schwatek in der Brodgasse und Rotschädl neben dem Festspielhaus. Bei den Tandlern hat er wiederholt auch Nora von Watteck ge troffen, die bekannte Salzburger Volks kundlerin, die gern über Veichtlbauer plaudert: ,,Er war mit den Tandlern bald gut be freundet. Sie schätzten ihn als vortreff lichen Kunden, sammelten gezielt für ihn — es hat immer ein paar Ächzer von ihm gekostet, wenn sie ihm die Preise nann ten, aber er hat meist dann doch gekauft. Einmal habe ich ihm eine Münze ge schenkt, weil er mir erbarmt hat, der kleine magere Geistliche, der so betrübt dreinschauen konnte, wenn etwas für seine Verhältnisse ganz zu teuer war. Wohlfeil waren die Klosterarbeiten, die zarten Gespinst-Applikaturen mochte nie mand, nur die dazugehörigen tiefgekehl ten Rahmen waren begehrt, die Bilder selbst lagen dann ziemlich unbeachtet herum. Veichtlbauer interessierte sich da für und bekam sie fast geschenkt. Bei den Tandlern ist er wiederhoit auch mit Dr. Kriss zusammengetroffen, der aus Berchtesgaden herüberkam und damals viel Salzburgisches heimgetragen hat. Sie haben sich nicht angeknurrt, die bei den Konkurrenten, sie haben sich eigent lich recht gut verstanden, vielleicht weil sie so verschieden waren, der eine war reich, der andere ein armer Schlucker." — Es wird erzählt, daß Veichtlbauer weite Strecken zu Fuß zurückgelegt hat, weil er oft genug alles ausgegeben hatte und kein Fahrgeld mehr besaß. Immer mehr seiner ohnehin kargen Einkünfte sind dieser Sammelleidenschaft zum Opfer gefallen, so daß für den eigenen Flaushalt, den ihm seine Halbschwester ge duldig versorgte, oft ganz und gar nichts mehr vorhanden war — und diese ver zweifelt in die Wiesen lief, um Sauer ampfer für eine Sauce zu sammeln, da mit die Mehlknödel nicht gar so trocken schmeckten. Die Nachbarn meinten dann in gutmütigem Spott: ,,Die Pfarrerköchin geht wieder grasn!" Das Pfarrhaus füllte sich auf diese Weise bis zum Dachboden und der pfarrliche Arbeitstisch bis ins letzte Lädchen — mit allem, was des Aufhebens Irgendwie wert war. Dabei gab es schier keine Grenzen, nicht nur was alt war, verdiente gesam melt zu werden, sondern was auch sonst aus der Art schlug. Oft war es nur ein Stein, der ein auffälliges Loch hatte, der Rest einer Glockenspeise, die Achsel spange eines Feldmarschalls oder die abgewetzte Streichholzschachtel eines Kriegsgefangenen aus Irkutsk. Der Ge genstand, oft nur unansehnlicher Über rest, war ihm als Zeichen wertvoll für Vorgänge und Schicksale. Die mensch liche Aura um die Dinge herum hat ihn offensichtlich am unmittelbarsten berührt, hier haben sich der Seelsorger und der Sammler im Innersten getroffen. So waren es vor allem auch die Gegen stände des Volksglaubens, die ihn faszi nierten, die Amulette, Medaillen und heil kräftigen Reliquien, ganz zu schweigen von den fast unüberschaubaren Formen der Andachtsbilder von den kostbaren barocken Formen bis zur Massenware der Devotionalienindustrie. Gute 50.000 Stück werden es wohl sein, übersichtlich geordnet zwar, aber noch keineswegs bearbeitet. Dazu treten die Detailsamm lungen zur weltlichen Volkskunde, die Uhren, Bestecke, Pfeifen und Dosen, Münzen, Gefäße, die kostbaren Hauben und das Geschmücke dazu, der vielfäli \ • Der junge Pfarrer Johann Veichtlbauer mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Frauenstein (1906).

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